Sommerpause für Hertha BSC und den 1. FC Union. Aber nicht für alle. Ab 14. Juni rollt der Ball bei der Europameisterschaft und im Turnier in Deutschland steckt auch ganz viel Hertha und Union. Der KURIER beleuchtet in den nächsten Wochen blau-weiße und rot-weiße EM-Anteile. Heute: Herthas Marton Dardai.
Die Freude war groß im Hause Dardai im Berliner Westend. Schon am 14. Mai verkündete Marco Rossi (59), der italienische Nationaltrainer der Ungarn, als erster EM-Teilnehmer überhaupt sein Aufgebot für das Championat. Mit dabei: Marton Dardai (22), Eigengewächs von Hertha BSC und der mittlere der drei Söhne von Klub-Ikone Pal Dardai (48).
Hertha BSC: Ungarns Trainer schwärmt von Marton Dardai
In der fußballverrückten Familie hatte man natürlich gehofft, dass Marton, dessen Karriere bislang kontinuierlich Richtung Spitze verlief, bei der EM sein Können ins große Schaufenster stellen kann. Völlig überraschend kam die Nominierung nicht, denn Nationalcoach Rossi , einst Spieler in Brescia, beim FC Turin und bei Sampdoria Genua, hält große Stücke auf den vielseitig einsetzbaren Marton. „Ich habe Marton oft beobachtet, auch bereits in der Ersten Bundesliga“, sagt Rossi, „ich habe großes Vertrauen in ihn. Er kann in einer Dreier-oder Vierer-Abwehrkette spielen oder auch im zentralen Mittelfeld. Er besitzt großes Potenzial.“
Die Ungarn spielen in einer Vorrunden-Gruppe A mit Gastgeber Deutschland, der Schweiz und Schottland und treffen am 19. Juni in Stuttgart auf das Team von Bundestrainer Julian Nagelsmann.
25-mal spielte Marton Dardai für den DFB
Der Weg von Marton ins Nationalteam der Ungarn verlief zuletzt blitzschnell. Sechs Jahre lang durchlief er zuvor die Jugend-Auswahlmannschaften des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), kam insgesamt zu 25 Einsätzen von der U16 bis zur U21. Marco Rossi persönlich war nach Berlin gekommen, um Dardai von einem Verbandswechsel zu überzeugen, auch weil Marton bei den Magyaren größere Chancen besitzt ins Nationalteam zu gelangen, als in Deutschland. Im Januar dieses Jahres war es dann soweit. Marton sagte dem DFB ab und den Ungarn zu. „Ich habe mir ausgiebig Zeit genommen für die finale Entscheidung und es versteht sich von selbst, dass mir der Entschluss nicht leichtgefallen ist“, gab der Abwehrmann bekannt. „Ich weiß, dass ich meine Karriere auch den deutschen Jugend-Nationalmannschaften zu verdanken habe und dafür sage ich Danke!“ Weiter begründete er seinen Weg so: „Die Entscheidung ist aber auch eine absolute Herzensangelegenheit und deshalb freue ich mich unglaublich, in Zukunft für das Heimatland meiner Eltern aufzulaufen.“

Das passierte schon am 22. März. Beim 1:0-Sieg der Ungarn vor 67.000 Zuschauern in der Puskas-Arena von Budapest wurde Marton in der 67. Minute eingewechselt. Vier Tage später spielte er 90 Minuten beim 2:0-Erfolg gegen den Kosovo.
Hertha BSC: Marton der erste Dardai bei einer EM
Nun also die Europameisterschaft. Bald wird der einsatzstarke Linksfuß ein Alleinstellungsmerkmal besitzen. Er ist der erste Spieler aus der Dardai-Dynastie, der an einer Europameisterschaft teilnehmen wird.
Pal Dardai Senior, der Vater von Hertha-Rekordspieler Pal, der 2017 verstarb, war einst auch eine Legende beim Klub Pecsi MFC im südungarischen Städtchen Pecs (140.000 Einwohner). Der ehemalige zentrale Mittelfeldspieler ist auch nach seinem Tod noch immer der Torschützenkönig des Vereins in Liga eins (76 Treffer) und auch in Liga zwei (50 Treffer) und kam auf 296 Einsätze in der höchsten Spielklasse. Er schaffte es bis in die B-Auswahl von Ungarn.
Bence Dardai spielt noch für Deutschland
Sohn Pal, Ungarns Fußballer des Jahres 1999, absolvierte 61 Länderspiele, konnte sich aber nie für eine EM oder WM qualifizieren. Und Martons älterer Bruder Palko (25) bestritt im November 2022 beim 2:1 gegen Griechenland ein Länderspiel für Ungarn, gehört aber derzeit nicht zum Kreis der Nationalelf. Nur Bence Dardai (18), 2023 mit der deutschen Mannschaft U17-Europameister, hat sich noch nicht für eine Zukunft in Ungarns Verband entschieden. Er spielt ab sofort für den VfL Wolfsburg.
Nationaltrainer Marco Rossi, der einst auch Honved Budapest coachte, besitzt seit 2023 neben der italienischen auch die ungarische Staatsbürgerschaft. Seit 2018 ist er im Amt und sagte, bei der EM wolle er in seiner Gruppe zuerst einmal die Schweiz und Schottland schlagen. Vor der deutschen Mannschaft besteht der größte Respekt. Rossi will auf Dardai setzen. Dessen bei Hertha immer wieder gezeigten präzisen Diagonalbälle aus der Defensive heraus passen zum Umschaltfußball, den Rossi meist spielen lässt.
Pal Dardai ist bei jedem EM-Spiel von Marton dabei
Die Ungarn starten die unmittelbare EM-Vorbereitung am 27. Mai in einem Trainingscamp nahe Budapest und treffen bei Tests noch auf Irland und Israel. Am 10. Juni bezieht die Mannschaft ihr EM-Quartier im Hotel Tannenhof in Weiler im Allgäu und trainiert auf dem Platz des Verbandsligisten FV Rot-Weiß Weiler.
Pal Dardai nennt seinen Sohn Marton einen „Kombi-Spieler“, der variabel einsetzbar ist. Er hofft, dass Marton gesund bleibt und für Ungarn bei der EM möglichst viele Spiele bestreiten kann. Pal sagt: „Das wäre eine Riesensache – für Ungarn, für Hertha und auch für uns als Familie.“ Reichlich Tickets für die drei Vorrundenspiele der Ungarn hat sich das Familien-Oberhaupt besorgt und je zehn Karten vom ungarischen Verband erhalten.
Im nächsten Teil zur EM lesen Sie alles über Maximilian Mittelstädts kometenhaften Aufstieg zum Nationalspieler. ■