Fußball-Fans können sehr nachtragend sein, manchmal spöttisch, oft erfinderisch, aber auch sogar gehässig. So geschehen voriges Wochenende im Max-Morlock-Stadion zu Nürnberg. Die Anhänger des „Clubs“ entrollten ein Banner mit der Aufschrift: „Das Beste an Dir war das Preisschild beim Abschied“. Gerichtet war die Botschaft an Cristian Fiel (44), dem ehemaligen Coach der Franken, aber seit Juni dieses Jahres der neue Cheftrainer von Hertha BSC. Sein Wechsel im Sommer nach Berlin war nicht geräuschlos von statten gegangen, da der Deutsch-Spanier noch einen Vertrag beim „Club“ besaß. Hertha BSC aber zahlte eine stattliche Ablöse von rund 400.000 Euro – eine erstaunliche Summe angesichts der finanziellen Nöte des Vereins.
Fiel stieg damit erst zum zweiten Cheftrainer in der Hertha-Geschichte auf, für den die Klub-Chefs tief in die Tasche griffen und eine Ablöse überwiesen. Das war zuvor nur im Jahr 2007 der Fall, als Dieter Hoeneß, der damalige Vorsitzende der Geschäftsführung, den Schweizer Meistertrainer Lucien Favre mit 200.000 Euro aus seinem laufenden Kontrakt beim FC Zürich herauskaufte.

Hertha BSC wollte einst Favre und jetzt Fiel jeweils unbedingt
Wenn ein Klub viel Geld investiert, um einen Trainer zu verpflichten, muss man diesen Coach unter allen Umständen wollen, um die Spielweise der Mannschaft deutlich zu verändern. Und um die sportlichen Ziele schneller zu erreichen, als mit dem Fußballlehrer zuvor. Das war 2007 beim Favre-Transfer so und auch in diesem Sommer. „Wir haben einen Trainer gesucht, der mutigen, dominanten, offensiven Fußball spielen lässt“, erklärte Sportdirektor Benjamin Weber unter anderem zur Entscheidung pro Fiel.
Auch 2007 sollten neue Prioritäten gesetzt werden. Hertha hatte sich von Falko Götz getrennt, wollte einen neuen Stil und einen Mann mit internationalem Flair. Dieter Hoeneß erklärte: „Favre soll dem Hertha-Jahrgang neue Hierarchien und neue Impulse geben.“
Das Getöse samt Ärger um den Trainer-Transfer war seinerzeit in Zürich deutlich größer als vor Monaten in Nürnberg. Favre holte zuvor zweimal den Meistertitel mit dem FC Zürich und war längst Kult.
Mit dem Zahlen von Ablösesummen für Trainer liegt Hertha voll im Trend – allerdings im Vergleich zu anderen Bundesligaklubs beinahe mit „Peanuts“.
Die Ablösesumme von Hertha BSC für Fiel ist Kleingeld im Vergleich zur Bundesliga
Ein paar Beispiele gefällig? 2021 zahlte Borussia Dortmund fünf Millionen Euro Ablöse an Borussia Mönchengladbach für Marco Rose. Gladbach wiederum investierte erstaunliche 7,5 Millionen Euro, um Adi Hütter von Eintracht Frankfurt loszueisen. Natürlich ist der FC Bayern auch in dieser Entwicklung ganz vorn: Für Julian Nagelsmann gingen 2021 unglaubliche 25 Millionen Euro an RB Leipzig und in diesem Sommer immerhin 12,5 Millionen Euro für Vincent Kompany an den FC Burnley in der Premier League.
Nicht alle Investitionen haben sich gelohnt, was man beim nachträglichen Lesen der alten Liga-Tabellen sehen kann. Bei Lucien Favre aber schon, auch wenn man sich im September 2009 vom ihm trennte. In der Saison 2008/09 spielte die Mannschaft bis zuletzt sogar um die Meisterschaft mit. Platz 4 sprang am Ende heraus. So weit oben stand Hertha seitdem nie wieder.
Und Cristian Fiel? Ich glaube inzwischen, dass er das Zeug hat, in nicht allzu ferner Zukunft als „Aufstiegstrainer“ gefeiert zu werden. Anfang Oktober ist er 100 Tage im Amt. Spielerische Erfolge sind sichtbar. Aus einer Umschalt-Mannschaft ist eine Ballbesitz-Truppe mit hoher Dominanz geworden. Das Team wirkt immer stabiler, kann sogar die Ausfälle vieler verletzter Profis kompensieren und wird immer klarer in den Abläufen. Bislang – so die Statistik – gab es kein Spiel, in dem Hertha weniger als 59 Prozent Ballbesitz aufwies. Dass dieser Fakt noch nicht genügend in Tore und vor allem in Siege umgewandelt wurde, bleibt die Hauptaufgabe. Mein Fazit: Die Ablöse für Lucien Favre vor nunmehr 17 Jahren hatte sich gelohnt, die für Cristian Fiel ist – zumindest bislang – gerechtfertigt. ■