Hertha-Kolumne

Wiederaufstieg? Für etwas „Schönes machen“ ist Hertha voll im Punktesoll

Über die Rückkehr in die Bundesliga spricht bei den Bau-Weißen niemand, aber ein Ziel ist es doch.

Teilen
Pal Dardai klatscht Fabian Reese nach dem Sieg gegen Paderborn ab und sieht Hertha BSC voll im Soll. 
Pal Dardai klatscht Fabian Reese nach dem Sieg gegen Paderborn ab und sieht Hertha BSC voll im Soll. Andreas Gora/imago

Pal Dardai eilt der Ruf voraus, als Trainer vor allem ein Bauchmensch zu sein, als einer, der seiner Eingebung folgt und von seiner enormen Erfahrung zehrt, da er einst als Profi „beinahe alles erlebt hat“, wie er gern sagt. Das, was seine Spieler Woche für Woche durchmachen – bittere Niederlagen verarbeiten oder verdiente Siege feiern –, all das kennt Dardai aus seiner langen Karriere aus dem Effeff. Das verleiht ihm eine hohe Glaubwürdigkeit.

Wer den 47-jährigen Ungarn zuvorderst als einen emotionalen Bauchmenschen tituliert, wird ihm nicht voll gerecht und unterschätzt ihn vielleicht sogar ein wenig. So, wie einst als Profi geschehen, wo er vor allem als unbändiger Kämpfer mit einem straffen Schuss galt, als absoluter Teamplayer auffiel und weniger als Künstler. Letzteren, wie dem Brasilianer Marcelinho, hielt er den Rücken frei.

Als Trainer aber ist er auch ein glasklarer Realist und hat stets einen genauen Plan – einen Matchplan sowieso, aber gern auch einen längerfristigen Plan, eine exakte Vorgabe als Motivation für seine Schützlinge.

Die Zweite Liga muss für Hertha BSC kein Dauerzustand sein

Dardai, dessen Wirken ich seit seinem ersten Tag in Berlin im Januar 1997 verfolge, hat erst vor eineinhalb Wochen ganz vorsichtig Hoffnung verbreitet, dass der bittere Abstieg in Liga zwei kein Dauerzustand sein muss. Der Trainer arbeitet gern mit Zielstellungen und Punktforderungen in „Blöcken“, also in Abschnitten von vielleicht vier, fünf Wochen. Er habe einen Plan ausgegeben, der machbar und der im engen Dialog zwischen Trainerstab und Mannschaft entstanden sei. Bis Weihnachten möchte er auf den Plätzen vier, fünf oder auch sechs stehen, damit man am Ende des Tunnels noch ein kleines Licht sieht. Und vielleicht etwas Schönes machen kann. „Jeder kann nachdenken, was ich mit Schönes meine …“

Nach dem jüngsten 3:1-Sieg gegen den SC Paderborn habe ich den Trainer gefragt, wie gut er in seinem Plan denn liege? „Wir sind exakt im Soll!“ lautete die Antwort, „bei einer Niederlage wären wir im Minus gewesen“. Wie viele Punkte Dardai in den letzten sechs Partien bis zur Winterpause sammeln will, damit man danach an „etwas Schönes“ – vielleicht den Vorstoß in die erweiterte Spitzengruppe – denken kann, sagt er nicht. Man kann es sich aber ausrechnen. Vielleicht gelingt es, in den drei schweren Auswärtsspielen (Rostock, Hannover, Kaiserslautern) und den drei vermeintlich leichteren Duellen im Olympiastadion (Karlsruhe, Elversberg, Osnabrück) zehn bis zwölf Punkte zu sammeln?

Wiederaufstieg klappte bei Hertha in der jüngeren Zeit zweimal

Wie waren eigentlich in den Zweitliga-Spielzeiten 2010/11 und 2012/13 die Voraussetzungen, um den sofortigen Wiederaufstieg feiern zu können? Beide Male blieben die Teams in großen Teilen zusammen und hatten überdurchschnittlich starke Profis in ihren Reihen, etwa Adrian Ramos, Raffael, Lewan Kobiaschwili oder Fabian Lustenberger. Später auch Ronny, Sami Allagui und auch Peter Pekarik. „Das waren alles gestandene Typen“, sagt Dardai nun.

Ein Vergleich mit der aktuellen Zweitligatruppe, die nun auf einem einstelligen Tabellenplatz steht, verbietet sich allerdings ganz entschieden. Die ersten vier Ligaspiele gab es bis zum Ende der Transferperiode ein turbulentes Kommen und Gehen im Team, ehe Sportdirektor Benjamin Weber einen notwendigen Transferüberschuss von gut 30 Millionen Euro erwirtschaftet hatte. „Das Team war ein Torso“, sagt der Trainer, Improvisieren war seine Hauptaufgabe.

Reese und Tabakovic machen Hertha BSC stark

Aber jetzt hat er einige Unterschiedsspieler beisammen, etwa Turbo Fabian Reese oder Torjäger Haris Tabakovic. Reese unterschrieb schon im Winter bei Hertha, als er noch für Holstein Kiel stürmte. Er wollte Erstligaprofi werden und musste tatenlos zusehen, wie Hertha abstieg. Jetzt tut er alles dafür, dass sein Traum möglichst bald Wirklichkeit wird.

Mit solchen Typen kann Trainer Dardai seine Planungsziele vielleicht sogar übererfüllen. Ich hoffe es und möchte nach der Winterpause und im Frühjahr „etwas Schönes“ träumen. Was genau, verrate ich aber nicht.