„Sei doch bitte nicht so pessimistisch!“ Diesen Satz musste ich mir in den zurückliegenden Tagen mehrmals anhören, als ich mit Freunden über die kritische Lage bei Hertha BSC diskutierte. Seit Sonntagnachmittag und der unerhörten „Leistung“ der Mannschaft nach der 0:4-Klatsche bei der SV Elversberg fühle ich mich allerdings bestätigt.
Als Reporter habe ich alle vier Abstiege der Hertha seit 1991 erlebt und erkenne die Symptome einer nahenden Krise schnell, weil sie sich meist wiederholen. So wird der Gedanke an einen drohenden Abstieg immer von Spiel zu Spiel vor sich hergeschoben. Die Verantwortlichen sind empfänglich für Lob der gegnerischen Trainer (z.B. „Ihr habt eine hohe individuelle Qualität“) und sind deshalb oft geneigt, die Fähigkeiten der eigenen Mannschaft zu überschätzen.
Elversberg zeigt Hertha BSC, wie es geht
Was sagt es aber über eine hochbezahlte Mannschaft aus, die durch die tapfere SV Elversberg aus einem 12.800-Einwohner-Örtchen im Saarland in dieser Spielzeit zweimal heftig vermöbelt wurde – zu Hause mit 1:4 unter Trainer Cristian Fiel unterlag und nun in Elversberg mit 0:4 unterging und ihren neuen Coach Stefan Leitl zum einsamsten Mann in der kleinen Arena machte? Rund 9 Millionen Euro Spieleretat (SVE) stehen 30 Millionen (Hertha) gegenüber. Der Gesamtmarktwert der SVE-Profis umfasst 21,88 Millionen Euro, der von Hertha 53,23 Millionen Euro.
Doch es geht im Fußball nicht nur um solche Eckdaten, vielmehr zählen eine starke sportliche Führung mit Visionen, ein gut komponierter Kader und möglichst Kontinuität auf der Trainerposition. Während Horst Steffen (56) seit Oktober 2018 in Elversberg glänzende Arbeit leistet, hat Hertha in dieser Zeitspanne acht Fußballlehrer verschlissen.
Hertha BSC drohen triste Zweitliga-Jahre
Sollte unter Stefan Leitl der Super-Gau vermieden werden und Fußball-Berlin die Dritte Liga erspart bleiben – dort agierte Hertha zuletzt 1987/88 in der Amateur-Oberliga Berlin (damals die dritthöchste Spielklasse) – drohen angesichts der finanziellen Rahmenbedingungen, die gravierende Auswirkungen auf das Personal haben werden, triste Jahre in Liga zwei.

Der Spieleretat muss drastisch reduziert, dazu Transferüberschüsse in zweistelliger Millionenhöhe erwirtschaftet werden. Das bedeutet den Verlust der besten Profis, die nur mit durchschnittlich begabten Kickern aus den Ligen zwei und drei ersetzt werden können. Zum ersten Mal wird Hertha seit 2014 ohne das Geld eines Investors auskommen müssen. Nach „KKR & Co.“ (investierte 2014 61,2 Millionen Euro), Lars Windhorst (steckte ab Herbst 2019 sagenhafte 374 Millionen Euro in Hertha) und zuletzt „777“ (ab März 2023 mit 75 Millionen Euro dabei) ist kein neuer Investor oder Strategischer Partner in Sicht. Insgesamt hat Hertha BSC rund 450 Millionen Euro verschleudert und ist dabei sportlich ins Niemandsland abgerutscht. Die aktuell sportlich Verantwortlichen haben die Geldverschwendung natürlich nicht zu verantworten, aber andere Fehler begangen – toleriert von den Gremien des Vereins. Dazu zählen die Verpflichtung des unerfahrenen Cristian Fiel, die Kaderzusammenstellung, auch der zu späte Trainerwechsel. Und die Tatsache, keinen Ersatz für Torjäger Haris Tabakovic verpflichtet zu haben.
Hertha BSC kommt laut KI auf 43 Punkte
Ältere Hertha-Anhänger werden sich fragen: Droht vielleicht eine lange Durststrecke in Liga zwei – so wie einst von 1991 bis 1997? Damals wurden vier Trainer abgelöst (Bernd Stange, Günter Sebert, Uwe Reinders, Karsten Heine), ehe mit Jürgen Röber der Aufstiegscoach kam. Dazu durften sich zwei Sportdirektoren (Stange und Jürgen Sundermann) und drei Manager (Reinhard Roder, Wolfgang Levin und Carl-Heinz Rühl) versuchen, ehe Dieter Hoeneß das Heft in die Hand nahm.
Hoffnung macht im Moment ein Phänomen namens KI. Kurz vor dem Duell der Hertha in Elversberg hatte das Global Soccer Network (GSN) für den Norddeutschen Rundfunk mithilfe der Künstlichen Intelligenz (KI) die Abschlusstabelle der Zweiten Liga für Mai 2025 errechnen lassen. Hertha landete dort auf Rang 12 mit 43 Punkten! Verlassen auf die KI würde ich mich allerdings nicht. ■