Hertha-Kolumne

Fabian Reese lebt bei Hertha BSC den Berliner Weg von Kay Bernstein

Fan-Party am Lietzensee: Der Unterschiedsspieler geht als Anführertyp voran – emotional, ehrlich, bodenständig und kreativ.

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Herthas Fabian Reese (M) unterhält sich mit Freundin Johanna Grünewald (M von hinten) mit Fans im Lietzenseepark.
Herthas Fabian Reese (M) unterhält sich mit Freundin Johanna Grünewald (M von hinten) mit Fans im Lietzenseepark.Christoph Soeder/dpa

Was haben der im Januar dieses Jahres viel zu früh verstorbene Kay Bernstein und Fabian Reese gemeinsam? Bernstein, der am zurückliegenden Sonntag 44 Jahre alt geworden wäre, war der etwas andere Präsident von Hertha BSC und Reese ist der etwas andere Profi in der oft glatt polierten Fußball-Welt. Beide – der eine als gewählter Funktionär, der andere als Unterschiedsspieler, gingen und gehen als Anführertypen voran – emotional, ehrlich, bodenständig und kreativ.

Und – das ist meine feste Überzeugung – beide haben mit ihrem Auftreten und ihren Taten außerhalb und auf dem Rasen mehr für ein positives Image des Vereins getan, ihn nahbarer und sympathischer gemacht als viele teure Kampagnen zuvor, die Hertha ins rechte Licht rücken sollten.

Bernstein, einst Capo der heißesten Hertha-Fans in der Ostkurve, einte mit seiner Strahlkraft, seiner unkonventionellen Art, seiner Fähigkeit zuzuhören, die unterschiedlichsten Interessengruppen im Verein, besaß großen Anteil, dass Mannschaft und Anhängerschaft eine starke Einheit geworden sind.

Drei Polizisten verfolgen mit Abstand das Treffen von Fabian Reese mit Fans von Hertha BSC im Lietzenseepark.
Drei Polizisten verfolgen mit Abstand das Treffen von Fabian Reese mit Fans von Hertha BSC im Lietzenseepark.Christoph Soeder/dpa

Das Treffen von Fabian Reese mit den Fans von Hertha BSC eröffnet eine ganz neue Dimension

Als vor einigen Tagen Fabian Reese (26) über Instagram die Fans aufrief, in der Länderspielpause ein paar Stunden mit ihm und seiner Freundin locker am Ufer des Lietzensees während eines Picknicks zu verbringen, bekam ich große Augen. „Hunde willkommen, Getränke und Essen mitbringen“, schrieb Reese und weiter: „Bitte hinterlasst keinen Müll!“ Hunderte Fans kamen und plauderten angeregt mit dem Publikumsliebling. Kay Bernstein hätte sicherlich Beifall geklatscht. Hat es das jemals bei Hertha gegeben, dass ein Profi selbst die Anhänger einlädt? Ich kann mich nicht erinnern und habe deshalb altgediente Fans gefragt.

Manfred Sangel, 30 Jahre der kreative Chef des ehemaligen Fan-Radios „Hertha-Echo“, sagt: „Ich habe regelmäßig Spieler zu uns ins Studio eingeladen, aber das ein Profi selbst Fans zum Beisammensein einlädt, ist neu. Bislang haben Fanclubs ab und an Spieler zu besonderen Anlässen geholt und es gab auch offizielle, vom Verein organisierte Fan-Treffen. Das ist jetzt eine neue Zeit mit den sozialen Netzwerken. Was Reese tut, macht unseren Verein sympathisch.“

Natürlich gab es auch in der Vergangenheit nahbare Publikumslieblinge, etwa Gabor Kiraly oder Zecke Neuendorf. Doch die hatten noch kein Facebook oder Instagram zur Verfügung.

Hertha BSC gibt seit vielen Jahren viel Geld für Image-Kampagnen aus

Hertha gab seit dem Jahr 2000 viel Geld aus, um mit Hilfe bekannter Werbeagenturen das Bild eines bodenständigen, aber modernen Vereins in die Öffentlichkeit zu tragen. Es gab teils originelle Ideen, aber auch Slogans, die Spott fabrizierten. „Play Berlin“ (2003), „Aus Berlin. Für Berlin.“ (2008) hießen einige Botschaften. 2018 warb man mit „In Berlin kannst du alles sein. Auch Herthaner“ um Aufmerksamkeit. Dabei standen die Fans im Zentrum. 2016 hieß es: „Berliner Startup – seit 1892.“ Und man erfand den Spruch „We try, we fail, we win“ (wir versuchen, wir scheitern, wir gewinnen), der vor allem auf Ablehnung stieß.

Fakt ist, Fabian Reese fliegen nicht nur wegen seiner Fannähe und Offenheit die Herzen zu, sondern weil er zuerst auf dem Platz alles gibt. Neun Tore und sagenhafte 18 Assists schaffte der Flügelstürmer in der Vorsaison. Als er im Februar 2024, kurz nach dem Tod von Kay Bernstein und in einer schwierigen sportlichen Situation, seinen Vertrag bis 2028 verlängerte, war das vor allem auch eine symbolische Aktion, die Aufbruch im Kampf um den Aufstieg erzeugen sollte. In die Erste Liga, das ist klar, will Reese unbedingt. Am liebsten mit der Hertha. Und so schnell als möglich. Dass solche Aktionen wie der spontane Treff am Lietzensee auch seine eigene Marke stärkt, ihn auch für Werbepartner interessant macht, ist legitim.

Ich freue mich auf den Tag, wenn er endlich nach seiner heftigen Sprunggelenks-Verletzung wieder auf dem Platz steht – vielleicht mit der Botschaft: „Alles für den Aufstieg!“