Den unbändigen Willen eines Pal Dardai, dazu die Raffinesse und Torgefährlichkeit eines Marcelinho und als wichtige Zutat die Schnelligkeit eines Marko Rehmer – so würde der perfekte Unterschiedsspieler von Hertha BSC wohl aussehen. Tatsächlich spielten aber alle drei Protagonisten einst gemeinsam in einer lange erfolgreichen Hertha-Mannschaft.
Der Begriff des Unterschiedsspielers taucht nun auch bei Hertha BSC auf – stets im Zusammenhang mit Fabian Reese. Der 26-Jährige hat ja überraschend seinen Vertrag bis 2028 verlängert, was in Berlin riesengroße Freude und woanders Frust ausgelöst hatte. „Schalke: Rückkehr-Traum geplatzt – Fans müssen ganz stark sein“ schrieb das Online-Portal DerWesten.de. Die Schalker hatten Reese einst für den Spottpreis von 100.000 Euro Ablöse an Holstein Kiel abgegeben und träumten wohl von einer Rückholaktion. Sein neuer, sehr gut dotierter Vertrag garantiert aber nicht, dass Reese in der neuen Spielzeit in Liga zwei in Berlin bleibt. Von einer Ausstiegsklausel kann man sicher ausgehen.
Fabian Reeses Auftreten – auf und auch außerhalb des Platzes – hat ihn schnell in die Kategorie „Unterschiedsspieler“ katapultiert. Vor allem sein unbändiger Siegeswille, seine Leidenschaft haben ihn zum wichtigsten Spieler der jungen Mannschaft gemacht. Selten zuvor war ein Hertha-Team so abhängig von einem einzelnen Profi. Allein sechsmal wurde er bisher im Fachmagazin Kicker zum „Spieler des Spiels“ ernannt – ein enormer Wert.
Ausnahmespieler bei Hertha BSC gab es so einige
Natürlich gab es bereits Ausnahmespieler, von denen das Wohl und Wehe der Mannschaft abhing. In meinem persönlichen Ranking thront dabei der Brasilianer Marcelinho ganz oben, gefolgt vom Serben Marko Pantelic. Das Duo aus dem schlitzohrigen Pantelic mit dem wuchtigen Ukrainer Andrej Woronin bestimmte 2008/09 maßgeblich den Erfolg der Mannschaft. Unter dem ehemaligen Hertha-Trainer Falko Götz erlebten Marcelinho und auch Pantelic große Zeiten. Götz sagte mir: „Marcelinho war einige Jahre überragend, seine Torquote Wahnsinn, ein positiv Verrückter.“ Auf dem Gipfel stand Marcelinho 2004/05 mit 18 Toren und 13 Assists! Auch Götz sieht Pantelic als absoluten Unterschiedsspieler an: „Ein ganz besonderer Mittelstürmer mit großer Klasse!“
Und wie passt nun Fabian Reese in diese Riege der Super-Profis? Der größte Unterschied ist wohl, dass die ehemaligen Stars über mehrere Jahre ihr Klasse-Niveau hielten, aus einem starken Team explizit herausragten und in der Ersten Liga agierten. Marcelinho oder Pantelic galten zudem als internationale Größen.
Reese’ gigantischer Pokal-Abend beim Drama-Sieg über den HSV ist Hertha-Kult
Wie einst diese beiden animiert auch Fabian Reese das Publikum und reißt die Fans mit. Sein gigantischer Abend beim Pokal-Drama gegen den Hamburger SV am 6. Dezember vorigen Jahres, als er wie ein Berserker um den Sieg kämpfte und wohl das größte Spiel seines bisherigen Fußballer-Daseins ablieferte, erinnerten mich etwa an einen Auftritt von Marcelinho im November 2004. Bei einem 3:2-Sieg beim VfL Wolfsburg erzielte er alle drei Treffer in unnachahmlicher Manier. Und Woronin riss von den Sitzen, als er im März 2009 bei einem 3:1-Erfolg bei Energie Cottbus für alle drei Tore sorgte. Das waren Sternstunden für Hertha.
Pal Dardai brachte die Unterschiede zwischen den Stars von einst und Reese kürzlich ganz nebenbei auf den Punkt, als er die „Gemeinsamkeit“ als größte Stärke seiner Mannschaft nannte. „Wir haben keinen Marcelinho, keinen Pantelic, keinen Woronin. Wenn Pal Dardai einst einmal Scheiße gespielt hatte, hat Marcelinho vorne die Tore gemacht und alle haben vergessen, dass Dardai Scheiße gespielt hatte. Heute braucht ein Reese auch die Pässe, die Unterstützung von hinten. Bei uns geht Erfolg nur zusammen.“
Wenn Fabian Reese auch in Liga zwei in Berlin bleiben sollte, kann er den unumschränkten Anführer einer jungen und hoffentlich aufstiegstauglichen Mannschaft geben. Vielleicht werden dann seinetwegen viele Kinder und Jugendliche zu Hertha-Fans – so wie einst durch Marcelinho.