Museum schließt

„Welt der DDR“ unterm Hammer - Sammlung von Alltagsgegenständen wird versteigert

In den 1990er Jahren entstanden umfangreiche Sammlungen von DDR-Alltagsgegenständen. Privatpersonen und kleine Vereine stellten sie aus. Die Landschaft dieser DDR-Museen, die mit Nostalgie warben, ist dünner geworden – das Interesse bleibt.

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Auktionator Stefan Günther hält ein 1,20 Meter großes DDR-Emblem im DDR-Museum im Simmel Markt am Albertplatz. Nach der Schließung des Museums „Welt der DDR“ im April 2023 werden am 8. Juli 2023 die Ausstellungstücke versteigert. 
Auktionator Stefan Günther hält ein 1,20 Meter großes DDR-Emblem im DDR-Museum im Simmel Markt am Albertplatz. Nach der Schließung des Museums „Welt der DDR“ im April 2023 werden am 8. Juli 2023 die Ausstellungstücke versteigert. Robert Michael/dpa

Ein legendärer „Klappfix“-Wohnanhänger, Erika Schreibmaschinen, ein Ruder-Einer-Sportboot oder Teile einer Schulturnhallen-Ausstattung – sechs Jahre nach dem Neuanfang in Dresden kommt die „Welt der DDR“ nun unter den Hammer. „Junge Menschen haben kein Interesse an der DDR, die Älteren kommen meist nur einmal“, befand Einzelhandelsunternehmer Peter Simmel – und schloss sein DDR-Museum. Die Besucherzahl sei von anfangs 80.000 auf unter 15.000 pro Jahr abgerutscht, eine Weitergabe der Sammlung von Alltagsgegenständen an einen neuen Betreiber leider nicht gelungen.

Das Interesse an der Versteigerung am Samstag (8. Juli) ist enorm, wie der Chef des Dresdner Auktionshauses, Stefan Günther, berichtet. Es gebe bisher fast 870 Anmeldungen, um live oder via Internet mitzubieten. Unter den Interessenten sind acht Museen – und „mindestens 25“ speziell für die sieben Fahrzeuge: je zwei Trabis und Wartburgs sowie zwei Ladas und ein Saparoshez aus Sowjetproduktion.

Im Angebot sind um die 70.000 Einzelstücke, zusammengefasst zu 940 Konvoluten – von zehn Bananenkisten mit Büchern oder einem 400er Pack Schallplatten über Schreibmaschine, Blauhemd oder 100 Kinder-Plastik-Nachttöpfe bis zum Konsum-Laden samt Verkäuferin-Puppe und Spee-Waschmittel, Sekt und Schnaps und Brechbohnen in den Regalen. Es sind insgesamt 949 Lose zu je zehn Euro Aufruf-Preis.

Das Sammelsurium ist eines von nicht mal mehr einem Dutzend privater Ausstellungen dieser Art vor allem im Osten unter dem Label „DDR-Museum“. Einige der privat oder von Vereinen getragenen Ausstellungen sind inzwischen verschwunden. „Aber nicht mangels Besuchern“, wie Conny Kaden vom DDR-Museum im sächsischen Pirna sagt. Es ging vielmehr um Lokalitäten oder Nachfolge.

Ausstellung gibt Einblicke ins DDR-Alltagsleben

In Thüringens Landeshauptstadt Erfurt gar wurde vor etwa einem Jahr eine neue Ausstellung eröffnet, die Einblicke ins DDR-Alltagsleben gibt. Anfassen und Ausprobieren ist ausdrücklich erwünscht, wie Initiator und Leiter Klaus Horn kürzlich sagte. Viele Stücke könnten in die Hand genommen werden. Kinder dürfen sich in einen Trabi setzen, in den Campinganhänger „QEK Junior“ kriechen oder sich mit DDR-Spielzeug beschäftigen. Ihm gehe es nicht um Nostalgie, sondern darum, „das kulturelle Erbe zu pflegen und es der Öffentlichkeit zugänglich zu machen“, sagt der einstige Veranstaltungsmanager, der mit einem Freundeskreis rund 15 000 Objekte zusammengetragen hat.

Auch in andere Präsentationen dieser Art in Thale (Harz), im alten Kino von Malchow (Mecklenburg-Vorpommern), in Pirna, in Leipzig (N'Ostalgie-Museum) oder in Berlin kommt nicht nur die DDR-Generation. Auch deren Nachkommen oder Gäste aus dem In- und Ausland sind unter den Besuchern. Diese etablierten DDR-Museen und die in kleineren Orten seien auch ein Tourismusfaktor, sagt Anna Kaminsky, Direktorin der Bundesstiftung Aufarbeitung. „Es gibt ganz offensichtlich einen Bedarf nach solchen Präsentationen und wenn nicht mehr, dann überleben diese Museen nicht.“

Das DDR-Museum Pforzheim, das einzige dieser Art im Westen, hat nach eigenen Angaben jährlich über 4000 Besucher. Es wurde 1998 von einem aus der DDR Geflohenen gegründet. „Er hat viel gesammelt, ehrenamtlich und privat, um im Westen darüber aufzuklären, was die DDR für ein Land war“, sagt Kaminsky. Seit 2012 wird das Museum von einer gemeinnützigen Stiftung geführt, mit Schwerpunkt deutsch-deutsche Geschichte und Diktatur in der DDR.

DDR auch museal aufarbeiten

Der Bedarf, sich an die Produktwelt der DDR zu erinnern, sei noch da, findet die Direktorin im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig, Uta Bretschneider. „Die Faszination dieser Wunderkammern wird mindestens noch eine Generation anhalten.“ Es seien Schatzgruben von Objekten, die in den 1990er Jahren vielfach weggeworfen wurden, aber es fehle die Einordnung in geschichtliche Zusammenhänge, die Basisarbeit, die ein Museum leiste. „Die größte Sammlung der Welt soll es übrigens in Kalifornien geben, von einem Historiker.“

Es sei sinnvoll, den Staat DDR auch museal aufzuarbeiten „und aber eben auch das Alltagsleben einzuordnen, zu zeigen, so haben die Leute gelebt, und erklären, was bedeutete das, dass man auf die Schrankwand fünf Jahre gewartet hat oder für einen Fernseher drei Monatsgehälter hinlegen musste“, sagt auch Kaminsky. Die Hoch-Zeit dieser Präsentationen sei während der Nostalgiewelle in den 1990er Jahren gewesen. „Aber dadurch, dass auch viele Regional-, Heimat- und Stadtmuseen sich dem Kapitel DDR zugewandt haben, kann man das mittlerweile fast überall sehen, mit Einordnung.“

Dauerausstellung „Alltag in der DDR“ in Berliner Kulturbrauerei

Das DDR-Museum Pirna besteht seit 2005 und hat sich in der Fläche inzwischen verzehnfacht. „Das Interesse lässt nicht nach“, sagt Gründer und Inhaber Conny Kaden, der die Besucherzahl pro Jahr auf 15.000 bis 20.000 schätzt. „Aber man muss einen Fundus haben, umgestalten, denn Museum lebt von Veränderung“, sagt der 59-Jährige. „Die Leute kommen immer wieder, auch Jugendliche interessieren sich für das Leben damals.“

Das Museum in der Kulturbrauerei in Berlin-Prenzlauer Berg beherbergt die Dauerausstellung „Alltag in der DDR“. Museumsdirektor Mike Lukasch sagt: „Es gibt in Ostdeutschland zahlreiche Ausstellungen zur DDR und Heimatmuseen, die von Privatpersonen eröffnet wurden in dem Wunsch Dinge, die man noch hat zu zeigen und das Thema zu verorten.“ In seinem Haus gehe es aber darum, sich anhand der Dinge mit der DDR-Geschichte auseinanderzusetzen. „Viele Menschen schwelgen in solchen Präsentationen in Erinnerungen, aber es gibt auch ein neueres Interesse der Nachwendegeneration, die sich fragt, welche Rolle spielen Dinge für sie, die sie auf Dachböden finden.“

Die Erlebnisgeneration schwinde langsam, „die Thematik ist aber nach wie vor da, weil die Gegenstände auch in Haushalten noch erhalten sind, funktionieren und weitergegeben werden oder Möbel im Retro-Chic in Studenten-WG’s stehen“, berichtet Lukasch. Die Faszination dieser Alltagsdinge habe nicht nachgelassen. Anders als in bloßen Objektkollektionen seien diese in seinem Museum ein guter Einstieg, Menschen für Geschichte zu interessieren. Das gelinge bei Jugendlichen, aber auch in der Generation derer, die die DDR noch miterlebt habe. „Da muss darüber gesprochen werden, dass DDR nicht etwas Kurioses war.“