Mit Ärger ging es 1972 los

Drei Väter und eine Mutter: So kam „Ein Kessel Buntes“ ins DDR-Fernsehen

Anfang 1972 startete die erfolgreichste Show des DDR-Fernsehens, die sogar den SED-Staat überlebte. Ihr Dasein verdankte sie vor allem jemanden, der damals gerade an die Macht kam.

Author - Norbert Koch-Klaucke
Teilen
Mit diesem Auftaktbild startete am 29. Januar 1972 die Unterhaltungsshow „Ein Kessel Buntes“ im DDR-Fernsehen.
Mit diesem Auftaktbild startete am 29. Januar 1972 die Unterhaltungsshow „Ein Kessel Buntes“ im DDR-Fernsehen.RBB

Anfang der 70er-Jahre war das Fernsehen schon knallig bunt. Aber nicht bunt genug – vor allem in der DDR. Die besten Unterhaltungsshows liefen im Westfernsehen. Das sollte sich am 29. Januar 1972 ändern. An diesem Tag startete das DDR-Fernsehen „Ein Kessel Buntes“. 21 Jahre lief die Kultsendung auf dem Bildschirm, die gleich drei Väter, aber nur eine Mutter hatte.

Ob im Osten oder im Westen unseres Landes: Geht es um das DDR-Fernsehen, fällt einem stets der „Kessel Buntes“ ein. Man glaubt, vieles über die Kult-Show zu wissen. Doch allein die Frage, wem wir es zu verdanken haben, dass der „Kessel Buntes“ überhaupt in das DDR-Fernsehprogramm kam, ist nicht ganz so leicht zu beantworten. Denn der Tat: Der Erfolg des „Kessel Buntes“ hatte drei Väter, aber nur eine Mutter!

Man mag es nicht glauben: Einer der „Väter“ war Erich Honecker. Am 3. Mai 1971 hatte er das Amt des SED-Parteichefs von Walter Ulbricht übernommen und war damit der neue, mächtige Mann im DDR-Staat.

Doch was hatte damals Honi mit dem „Kessel“ zu tun? Ganz einfach, er schuf die politische Grundlage dafür. Es war sogar sein Wunsch, dass das DDR-Fernsehen bunter werden sollte. So wie die Programme der Westsender, die man auch in der DDR heimlich sah, vorausgesetzt man, wohnte nicht in Dresden oder in Teilen Sachsens, wo der Empfang fast unmöglich war.

Die DDR sollte bunter werden: 1971 übernahm Erich Honecker die Macht von SED-Chef Walter Ulbricht.  Der neue Mann an der Spitze wünschte sich auch mehr Glamour und Show im DDR-Fernsehen.
Die DDR sollte bunter werden: 1971 übernahm Erich Honecker die Macht von SED-Chef Walter Ulbricht. Der neue Mann an der Spitze wünschte sich auch mehr Glamour und Show im DDR-Fernsehen.Werner Schulze/imago

Also Honecker gab damals den Anschein, das DDR-Leben etwas liberaler machen zu wollen. Das galt auch für die Kultur. Plötzlich war Rockmusik nicht mehr das olle „Yeah, yeah“ aus dem bösen Westen wie einst bei Ulbricht.

Ein Kessel Buntes: Erich Honecker gab den Anstoß für die Kultshow in der DDR

Mehr Unterhaltung für die Massen sollte es geben. Darum forderte Honecker auf dem VIII. SED-Parteitag im Juni 1971:  Das DDR-Fernsehen sollte sich verstärkt bemühen, „eine bestimmte Langeweile zu überwinden“.

„Ein Kessel Buntes“: Das Finale der Sendung im November 1972, als in der Show Katja Ebstein und Rex Gildo als Stars aus dem Westen auftraten.
„Ein Kessel Buntes“: Das Finale der Sendung im November 1972, als in der Show Katja Ebstein und Rex Gildo als Stars aus dem Westen auftraten.United Archives/imago

Damit wären wir beim zweiten „Kessel“-Vater. Heinz Adameck, der damals im Chef-Sessel des DDR-Fernsehens in Berlin-Adlershof saß. Er musste natürlich den Parteiauftrag von Honecker erfüllen und umsetzen lassen.

Mehr buntes Unterhaltungsprogramm: Adameck schaute da vor allem, was das befreundete Fernsehen der Sowjetunion da so veranstaltete. Dieses sendete sonnabends ihre beliebten „Estrada“-Shows. Die Mischung aus Musik, Tanz, Artistik und Komik funktionierte, auch wenn keine West-Stars auftraten.

DDR-Fernsehchef Heinz Adameck in einer TV-Sendung von 1962 mit der TV-Kritikerin Irma Zimm vom KURIER-Vorgänger BZ am Abend
DDR-Fernsehchef Heinz Adameck in einer TV-Sendung von 1962 mit der TV-Kritikerin Irma Zimm vom KURIER-Vorgänger BZ am AbendARD-Mediathek/DRA Archiv

Die Shows kamen oft ohne einen Stamm-Moderator aus. Das Prinzip der Estraden-Sendungen hatte sich das sowjetische Fernsehen vom italienischen TV-Programm abgeschaut.

Dies alles sollte nun für das DDR-Fernsehen umgesetzt werden. Damit sind wir bei Vater Nummer drei und der einzigen Mutter vom „Kessel Buntes“. Adameck beauftragte den Produzenten Günter Steinbacher und die TV-Redakteurin Evelin Matt damit, mehr Show-Glanz ins DDR-Fernsehen zu bringen.

Es gelang. Viel Musik, Tanz, dazu Artistik und Komik: Mit diesen Zutaten „erfanden“ Matt und Steinbacher „Ein Kessel Buntes“. Stolz konnte Fernseh-Chef Adameck dann Anfang Januar 1972 im Neuen Deutschland grandiose Veränderungen im Unterhaltungsprogramm ankündigen. Am Sonnabend, dem 29. Januar 1972, lief dann um 20 Uhr die erste „Kessel“-Show im DDR-Fernsehen.

Evelin Matt gilt als Erfinderin der Sendung „Ein Kessel Buntes“
Evelin Matt gilt als Erfinderin der Sendung „Ein Kessel Buntes“Härtel Press/imago

Die Sendung war auf Anhieb ein „Straßenfeger“. Zwei West-Stars waren dabe. Der Franzose Danyel Gérard, der seinen damaligen Mega-Hit „Butterfly“ sang. Der zweite Star brauchte nicht so weit anzureisen: Die Sängerin Manuela aus West-Berlin, die in den 60er-Jahren mit „Schuld war nur der Bossa Nova“ einen Riesen-Erfolg hatte.

DDR-Show „Ein Kessel Buntes“: Die erste Sendung war alles andere als bunt

Der erste „Kessel Buntes“: Er wurde aus dem alten Friedrichstadt-Palast live und NICHT in Farbe gesendet. Und daher sorgte der Show-Titel im Vorfeld für Ärger bei den Kulturfunktionären. „Wir hatten damals nämlich noch gar kein Farbfernsehen, die ersten vier Folgen liefen in Schwarz-Weiß“, sagte einmal Evelyn Matt (starb im August 2024 im Alter von 89 Jahren).

Schlagersängerin Manuela: Sie war der erste West-Star im „Kessel Buntes“.
Schlagersängerin Manuela: Sie war der erste West-Star im „Kessel Buntes“.United Archives/imago

Das stimmt so nicht ganz. Es gab zu jener Zeit schon das Farbfernsehen in der DDR. Zwei Jahre nach der Bundesrepublik wurde am 3. Oktober 1969 auch das TV-Leben im Osten bunter – allerdings nur im gerade gegründeten 2. Programm des DDR-Fernsehens. Anlass war der 20. Geburtstag der DDR.

Welt-Stars im „Kessel“: ABBA trat 1974 gleich nach ihrem Grand-Prix-Sieg in der DDR-Kultshow auf.
Welt-Stars im „Kessel“: ABBA trat 1974 gleich nach ihrem Grand-Prix-Sieg in der DDR-Kultshow auf.United Archives/imago

Im ersten Programm wurde erst ab Mitte 1972 die ersten Sendungen in Farbe ausgestrahlt. Und damit wurde auch „Ein Kessel Buntes“ wirklich bunt. Die Stars aus der DDR und die Stars aus dem Westen hatte ihre gemeinsame Bühne: Puhdys, Smokie, Karat, ABBA, Caterina Valente, Dagmar Frederic, Frank Schöbel, Udo Jürgens …

Der „Kessel Buntes“ überlebte die DDR und auch das DDR-Fernsehen. Der letzte „Kessel“ lief am 19. Dezember 1992 in der ARD.