Erinnern Sie sich?

Knaller der DDR zu laut! Westen schaffte beste Ost-Kracher ab

Der Power Cracker war einer der lautesten Knaller der DDR. Doch zur Wende sollte er vom Markt verschwinden, weil er den westdeutschen Normen nicht entsprach.

Author - Florian Thalmann
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Auch in der DDR wurde das neue Jahr mit Feuerwerk begrüßt. Die Kracher aus Silberhütte schepperten ordentlich - doch die DDR-Originale überlebten die Wende nicht.
Auch in der DDR wurde das neue Jahr mit Feuerwerk begrüßt. Die Kracher aus Silberhütte schepperten ordentlich - doch die DDR-Originale überlebten die Wende nicht.KI-Illustration, DDR Museum Berlin

Am Abend wird in ganz Deutschland ordentlich geknallt, denn die bösen Geister des alten Jahres werden verabschiedet, das neue Jahr begrüßt. Und da gehört Feuerwerk dazu! Auch wenn über den Sinn und Unsinn der Böllerei diskutiert wird, ist sie in vielen Familien doch ein Ritual, das es schon Jahrzehnte gibt. Auch zu Silvester in der DDR wurde geknallt. Wir stellten bereits die Knaller und Raketen aus der damaligen Zeit vor. Aber: Wussten Sie, dass der Westen dafür sorgte, dass der beste Knaller der DDR abgeschafft wurde? Der Grund ist irre: Er war zu laut!

Laute Kracher aus der DDR war zu laut für den Westen

Schon vor der Wende wurde ordentlich geknallt – und auch wenn das Angebot an Feuerwerk in der DDR längst nicht so groß war wie heute, gab es einige Parallelen: Am ersten Verkaufstag bildeten sich lange Schlangen an den Drogerien, wo die Kracher über die Theke gingen – und manch einer schaffte sein mühsam angespartes Geld in die Läden, damit es am Silvesterabend ordentlich knallte. Damit das gelang, wurde in mehreren VEB nach dem besten Kracher gesucht. Doch als er gefunden war, schaffte der Westen das gute Stück zur Wende wieder ab.

Gemeint ist der „Power Cracker“, an den sich viele noch heute gern erinnern. Aus mehreren Gründen: Der Reibeknaller, den man an einer Streichholzschachtel anzünden und dann schnell wegwerfen musste, schepperte ordentlich. Als frivole Zugabe lag in der Schachtel mit 20 Stück ein Bildchen einer nackten Frau. Den Knall und das besondere „Geschenk“ ließen sich die Silvester-Fans im Osten einiges kosten: Mit 8,80 Mark pro Schachtel war der „Power Cracker“ in seiner roten Faltschachtel der teuerste Kracher, den man sich in der DDR kaufen konnte.

Die Blitzknaller der Marke Filou gehörten zu den Klassikern beim Feuerwerk in der DDR. Sie würden später neu aufgelegt, in den 80er-Jahren stieg der Preis.
Die Blitzknaller der Marke Filou gehörten zu den Klassikern beim Feuerwerk in der DDR. Sie würden später neu aufgelegt, in den 80er-Jahren stieg der Preis.DDR Museum Berlin

Er hatte nur ein Problem: Er war zu laut für den Westen – und starb nach der Wende wie viele andere Dinge den Tod der Wiedervereinigung. Für jedes Pyro-Produkt aus der DDR stellte sich zur Wende die Frage, ob es auch auf dem gesamtdeutschen Markt zugelassen wird. Beim „Power Cracker“ war das etwas schwierig, denn der Knall, an dem man lange entwickelt hatte, war für die deutsche Norm zu laut. Das betraf übrigens auch andere Ost-Kracher – nämlich die beliebten Knaller „Blizzard“ und „Blitzschlag“.

DDR-Knaller waren zu laut für den gesamtdeutschen Markt

„Aus der zukünftigen deutschen Einheit ergibt sich für unser beliebtes Erzeugnis Powercracker das Problem: wird er zugelassen oder wird er nicht zugelassen“, sagte der damalige Betriebsdirektor des VEB Pyrotechnik Silberhütte in einem Interview. „Die Lautstärke unseres Knallers ist größer als 115 Dezibel. Zugelassen sind nur nach bundesdeutschem Recht genau 115 Dezibel.“ In einem alten TV-Beitrag ging er das Thema ganz pragmatisch an: Wer Knaller kauft, wolle auch einen laufen Knall hören und keinen Verpuffer. „Und wer keinen Knall hören möchte, oder in Bereichen, wo es nicht erwünscht, ist zu knallen, der darf keinen Knaller kaufen bzw. man darf in solchen Bereichen eh keinen Knaller anwenden.“

Auch die Blitzschläge sorgten zu Silvester für ordentlich Lärm auf den Straßen. Sie waren aber so laut, dass sie die Wende nicht überlebten.
Auch die Blitzschläge sorgten zu Silvester für ordentlich Lärm auf den Straßen. Sie waren aber so laut, dass sie die Wende nicht überlebten.DDR Museum Berlin

Auch eine Angestellte des VEB, die auf dem Testgelände von Silberhütte befragt wurde, wunderte sich über die Tatsache, dass die Ost-Knaller bedroht waren. „Bei uns war bisher die Forderung: Immer nach Möglichkeit so laut wie möglich“, sagte sie. „Und es konnte nicht laut genug sein. Wir waren ganz stolz, dass wir mit dem Power Cracker jegliche Schallgrenzen durchbrochen hatten.“ Der Power Cracker erreiche sogar zwischen 120 und 130 Dezibel.

Es konnte nicht laut genug sein. Wir waren ganz stolz, dass wir mit dem Power Cracker jegliche Schallgrenzen durchbrochen hatten.

Angestellte des VEB Pyrotechnik Silberhütte

Für den Power Cracker ging es nach der Wende übrigens weiter, für den Betrieb nicht – zumindest nicht so wie vorher. Der VEB Pyrotechnik Silberhütte wurde privatisiert und von der Firma Nico Pyrotechnik und der Umarex Sportwaffen übernommen. Es wurden aber etliche Mitarbeiter entlassen, später übernahm Rheinmetall den Betrieb. Es wurde immer weniger Feuerwerk hergestellt, stattdessen wurde Munition hergestellt. Die Ära des Feuerwerks ist nun aber schon lange beendet.

Power Cracker wurde neu aufgelegt, Blitzschläge überlebten die DDR nicht

Und was wurde aus den besten Krachern der DDR? Tatsächlich überlebte der Power Cracker dann doch die Wiedervereinigung: Mit etwas neuem Design erschien der Kracher neu – mit dem Qualitätslabel „Super Knaller aus Silberhütte/Harz“. Mit dem Original aus der DDR hatte der Kracher aber nichts mehr zu tun. Die Knaller hätten nicht der Produkt-Norm entsprochen, sagte Feuerwerks-Experte Ralf Heise in einem Interview im MDR. „Damit sind diese Produkte nicht mehr marktfähig gewesen.“ Die Knaller seien – wie vieles andere – abgeschafft worden.