Sie waren das Traumpaar der Schlagerszene in der DDR. Mit ihrem Lied „Hätt‘ ich nochmal die Wahl“ hatten Jan Gregor und Sandra Mo 1976 über Nacht die Hitparade gestürmt. Die Auftritte der beiden waren besonders, sie brachten orientalisches Flair auf die Bühne. Ihre größten Erfolge hatten sie mit Schlagern, ihre Leidenschaft aber gehörte dem Chanson und der Folklore. Nach einem guten Jahrzehnt trennten sich Sandra Mo und Jan Gregor. Und mit der Wende wurde sowieso vieles anders. Wie geht es dem Sänger heute?
Seit weit über zwanzig Jahren lebt Jan Gregor in der Türkei. Erst war er auf Urlaub in dem malerischen Ort zwischen Meer und Gebirge. Dann ist er einfach geblieben. Als er das erste Mal in das Fischerdorf an der türkischen Riviera nahe von Antalya gekommen war, wusste er sofort: Hier gehöre ich hin. Hier bin ich zu Hause. Ein Gefühl, das er in Deutschland nie wirklich hatte.
Damals, in den 90er Jahren, ging es Jan Gregor nicht gut, er hatte schwere Depressionen, Panikattacken. Medikamente halfen ihm, er braucht sie noch heute. Befreit hat seine Seele aber seine neue Heimat. Das Leben hier, die Leute, das habe ihn gerettet, sagt er. „Die ganze Atmosphäre ist lockerer, man ist offener, hilfsbereit unter Nachbarn, man wird so angenommen, wie man ist.“ Deutschland empfand er oft als zu streng, als erdrückend.

Die Schlager-Hits waren für Jan Gregor oftmals ein Kompromiss
Im Januar wird Jan Gregor 80. In jungen Jahren habe er sich oft angepasst, anpassen müssen, sagt er. Was er und Sandra Mo sangen, sei ihnen häufig vorgeschrieben worden. „Mit den Tralala-Schlagern konnten wir uns nicht wirklich identifizieren“, erinnert sich Jan Gregor. „Wir kamen ja vom Chanson, hatten jahrelang Gesang studiert.“ Viele ihrer eingängigen Hits hatte ihnen Arndt Bause auf den Leib geschrieben, der bekannteste Schlager-Komponist der DDR. Er machte den jungen Künstlern klar, dass es ohne Kompromisse nicht gehe. Schließlich wolle ja auch Geld verdient werden.

Nicht nur mit ihrem Liedern, auch mit ihrer exotisch-orientalischen Aufmachung begeisterten Sandra Mo und Jan Gregor auf Bühnen und in Fernsehshows. Sie erfassten die Sehnsucht ihres Publikums nach fernen Ländern. „Heute ist mir klar, dass ich mit dem Styling auch viel kompensiert habe“, sagt der 79-Jährige. „Ich habe das, was ich nicht sein konnte, auf die Bühne geholt. Dass mich das Slawische so anspricht, hat auch mit meiner Geschichte zu tun.“
Seine Geschichte, seine Lebensgeschichte ist geprägt von einer oftmals nicht leichten Kindheit. Jan Gregor, der eigentlich Peter Scharper heißt, wächst in einem Dorf in Brandenburg auf. Er ist noch ein kleiner Junge, als ihm andere Kinder übel mitspielen. „Russki“ rufen sie ihm hinterher, verkloppen ihn. Seine Mutter tröstet ihn, versucht ihm zu erklären, was er noch nicht verstehen kann. Es war in den letzten Kriegstagen 1945, russische Truppen hatten die Gegend eingenommen. Vier Soldaten hatten die Mutter überfallen und vergewaltigt.
Für andere im Dorf ist Jan Gregor das „Russenkind“
In der Familie wächst Jan auf wie seine Geschwister. Für seine Mutter kam nie in Frage, das Kind wegzugeben. Seine Herkunft verheimlichte sie nicht. In der Geburtsurkunde steht „Vater: russische Besatzungsmacht“. Jans Verhältnis zu seinem Stiefvater aber ist angespannt. Und mit dem Stigma „Russenkind“ muss er in dem Dorf leben. Wer sein leiblicher Vater ist, weiß Jan Gregor bis heute nicht. Doch er erfuhr: Die vier Soldaten kamen von der Krim. „Von wegen russki, wenn schon, dann bin ich osmanisch“, sagt er lakonisch.
Dieses schwere Erbe prägte Jan Gregor. Er nahm es an, ohne Hass. Das hatte ihm seine Mutter vorgelebt. Dass er sich in der Türkei so wohl fühle, habe auch damit zu tun. „Die Gene melden sich“, meint er. Hier passe er einfach besser hin. Seit 15 Jahren lebt Jan Gregor mit seinem Freund Tolga zusammen. Den Kontakt nach Deutschland hält er vor allem über seinen früheren Lebensgefährten Ralf Buchholz, auch er ist Schlagersänger. Sie verbindet eine enge Freundschaft. Seine einstige Gesangspartnerin Sandra Mo hat Jan Gregor seit über zwanzig Jahren nicht mehr gesehen. Doch das wird sich bald ändern. Im Herbst wird sie ihn in der Türkei besuchen.

Nach Deutschland zieht Jan Gregor nichts mehr zurück. Und auch das Musik machen fehlt ihm nicht. Sein altes Leben hat er abgestreift. „Ich pflanze Tomaten, pflücke die Oliven von den Bäumen in meinem Garten – daran habe ich jetzt Freude. Es ist wichtig, sich selber zu finden.“ Er bedauert nur ein wenig, dass er dieses unbeschwerte Leben in der Türkei nicht schon früher gewählt hat.
