Viele Filme haben sich mit der Geschichte der DDR beschäftigt – nun kommt ein weiteres Mal ein Streifen in die Kinos, der sich auch um die Zeit vor der Wende dreht: Am Donnerstag startet „Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße“, der die Geschichte eines unfreiwilligen Helden aus der DDR erzählt. Es geht um eine spektakuläre Massenflucht aus der DDR – und um den Besitzer einer Videothek, der plötzlich zum Helden stilisiert wird. Aber: Wie viel Wahrheit steckt in der Ost-West-Story, in der Schauspiel-Star Charly Hübner die Hauptrolle spielt?
„Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße“: Story ist ein Märchen
Die Geschichte der DDR kennt viele spektakuläre Geschichten, doch keine scheint so unfassbar wie diese Flucht in den Westen: Am 12. Juli 1983 stellte ein Bahn-Mitarbeiter am Bahnhof Friedrichstraße eine Weiche falsch um – eine Tat mit Folgen. Eine S-Bahn mit 127 Passagieren ratterte darüber – und landete im Westen. Die größte Massenflucht in der Geschichte der DDR, die für die Menschen an Bord mehr oder weniger freiwillig im goldenen Westen endete. Spannend? Ja, und leider erfunden.
Die Story, um die sich der neue Film „Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße“ dreht, hat so nicht stattgefunden. Schriftsteller Maxim Leo hat sie für sein gleichnamiges Buch geschrieben, nun wurde sie verfilmt.
Allerdings geht es in dem Streifen, der am Donnerstag in die Kinos kommt, nur am Rand um die eigentliche Flucht, sondern um einen Videothekenbesitzer namens Micha. Ein Reporter erkennt ihn 30 Jahre nach der Wende als Michael Hartung, den Bahn-Mitarbeiter, der die Weiche umstellte. Und macht ihn zum Helden. Der Film soll dabei auch zeigen, was in der kollektiven Erinnerung aus bestimmten Ereignissen werden kann.

Aber: Steckt in dem Film „Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße“ nicht einmal ein Fünkchen Wahrheit? Doch. Denn: Auch wenn die Story ein Märchen ist, erfunden für den Film, gab es eine Massenflucht mit einem Zug. Sie ereignete sich im Dezember 1961, in der Zeit des Mauerbaus. Zum Helden wurde hier ein Lokführer namens Harry Deterling, der mit seiner Frau Ingrid und den vier Kindern nicht in der DDR leben wollte. Als die Mauer gebaut wurde, erfuhren die Mitarbeiter der Bahn davon, dass die letzte Verbindung zwischen dem Osten und dem Westen gekappt werden sollte.

Deterling fasste einen spektakulären Plan: Er wollte die Grenze mit einer Dampflok durchbrechen! „Heute um 19.33 Uhr fährt der letzte Zug in die Freiheit“, teilte er Familie und Freunden am 5. Dezember 1961 mit. Ursprünglich sollte die Flucht erst später stattfinden, doch die schnellen Streckensperrungen ließen den Lokführer seine Pläne ändern. An jenem Abend meldete er sich für eine Zusatzschicht, übernahm in Oranienburg den Zug. In Falkensee stiegen die letzten Menschen ein, die mit dem Zug in die Freiheit fliehen wollten.

Harry Deterling: Mit dem Dampfzug durchbrach er die Grenze
Dann beschleunigte Deterling den Zug auf die Höchstgeschwindigkeit, umfuhr den Bahnhof Albrechtshof auf einem Nebengleis. Dann durchbrach er auf dem Gebiet von West-Berlin einen Gitterzaun. Zwar waren Polizisten im Zug, doch diese hatten keine Chance: Deterling hatte in Oranienburg die Notbremse manipuliert, sodass sie den Zug nicht anhalten konnten. Die Bilanz: 25 Menschen blieben im Westen, sieben kehrten freiwillig nach Ost-Berlin zurück.




