Wer heute etwas über Liebe und Sex wissen will, der schaut im Internet nach. Nur: Was hat man zu Zeiten gemacht, als das Geschehen im Schlafzimmer noch ein größeres Tabuthema war – und man nicht einfach bei Google nachsehen konnte? Richtig: Es blieb nur der Griff ins Bücherregal! Ein absoluter Knaller im Bereich der Aufklärungsliteratur ist für viele noch heute „Mann und Frau intim“. Erinnern Sie sich? Das Sex-Buch war in der DDR ein echter Hit, das nahezu jeder im Schrank hatte. Wir erinnern an das besondere Buch – und an Autor Siegfried Schnabl und seinen Verdienst für die Schlafzimmer des Ostens.
„Mann und Frau intim“ wurde in der DDR zum Millionen-Bestseller
Warum es ein Buch über Sex brauchte, ergibt sich schon aus der Einführung, die Autor Siegfried Schnabl in seinem Buch „Mann und Frau intim“ zu Papier brachte. „Keineswegs ist die Sexualität das Wichtigste in unserem Leben“, betont er dort zwar. Aber: Lasse man die Sexualität „allzu unbekümmert ins Kraut schießen“, dann könne sie schnell den „tiefen Inhalt und Sinn unseres Daseins“ überwuchern. Wer sie allerdings zu sehr einenge oder sie „mit Vorstellungen der Sündhaftigkeit“ belaste, der mache auch einen Fehler. Denn: „So verkümmert sie, und wir berauben uns vieler schöner, ja erhebender Erlebnisse.“
Dass Sex ein erhebendes Erlebnis sein kann, wusste man im Osten. Und wie geht's richtig? In allen Details legte Autor Siegfried Schnabl das in seinem Buch dar. Denn: „Die Sexualität muß in unsere gesamten Lebensbeziehungen eingeordnet sein. Ihre Bedeutung für das Wohlbefinden ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich je nach den individuellen Bedürfnissen“, schrieb er. Für alle sollte sein Buch „Mann und Frau intim“ sein. Die einen sollten darin Aufklärung finden, die anderen erfahren, wie sie ihr Eheleben noch etwas aufpeppen können.
Siegfried Schnabl war einer der führenden Sex-Fachmänner in der DDR
Das Wissen dafür hatte Schnabl: Er war einer der führenden Sex-Fachmänner der DDR, arbeitete als Psychotherapeut, häufte ein breites Wissen an und gab es in Beiträgen in Fernsehen und Radio, in Zeitungen und Zeitschriften und eben im Buch „Mann und Frau intim“ weiter. Nur: Wie wurde er zum „Sexperten“ der DDR? Siegfried Schnabl wurde in Limbach geboren und besuchte eine Oberschule in Glauchau. Nach dem Krieg arbeitete er erst als Grundschullehrer, studierte dann ab 1948 klinische Psychologie in Leipzig. 1955 promovierte er – und arbeitete danach als Psychotherapeut.

Sex-Experte Siegfried Schnabel wusste, was in den Schlafzimmern der DDR geschah
Hier konnte er viel Wissen aus dem Bereich sammeln. „Aus erster Hand erfuhr ich bei Gesprächen mit Patienten, was hinter geschlossenen Schlafzimmertüren zwischen Ahlbeck und Zinnwald geschah oder nicht geschah“, sagte er anlässlich seines 80. Geburtstages in einem Interview. Männer hätten sich meist mit Potenzproblemen an ihn gewandt, Frauen kamen nicht zum Orgasmus.
Schon 1969 brachte er dann sein Buch „Mann und Frau intim“ auf den Markt, das mit dem Untertitel „Fragen des gesunden und gestörten Geschlechtslebens“ zum erfolgreichsten Ratgeber für Sex und Ehe in der DDR wurde. Allein die Zahlen sind unglaublich: Das Buch erschien in 18 Auflagen, verkaufte sich mehr als eine Million Man. Außerdem wurde es in verschiedene Sprachen übersetzt.
DDR fürchtete, Schnabl könnte die „intime Sphäre“ der Bürger ausspähen
Einmal hätte ihm die DDR bei seinen Forschungen übrigens beinahe einen Strich durch die rEchnung gemacht. 1973 wollte Siegfried Schnabl für seine Habilitation an der Karl-Marx-Universität in Leipzig 3500 Personen nach ihrem Sexualverhalten befragen. Doch er hatte vermieden, dafür eine Genehmigung zu beantragen, sagte er im Interview. Die DDR-Bürokratie vermutete deshalb, er könne die „intime Sphäre“ ihrer Bürger Ausspähen. Die Folge: Er musste die Untersuchung beenden, die Weiterführung seiner wissenschaftlichen Arbeit wurde untersagt. „Niemand hatte mir aber gesagt, dass ich die bereits ausgewerteten mehrere tausend Fragebogen vernichten sollte“, sagte er. So wurde aus den bis dahin gewonnenen Erkenntnissen doch ein Buch.

Von 1973 bis 1993 leitete Schnabl später die Ehe- und Sexualberatungsstelle in Karl-Marx-Stadt in Chemnitz, war auch danach als Sexualberater in Aue tätig. Zu seinen Verdienten gehört auch, dass er die Ansicht vertrat, Homosexualität sei keine sexuelle Störung, sondern eine normale sexuelle Orientierung. Zuletzt wohne der Sexperte der DDR in Hohenstein-Ernstthal. Zuletzt war er in einem Pflegeheim in Berlin untergebracht, wo Siegfried Schnabl am 4. August 2015 starb.
700 Exemplare von „Mann und Frau intim“ wurden auf der Buchmesse in Leipzig geklaut
Dafür, dass sein Werk in der DDR zum Bestseller wurde, hatte Schnabl selbst übrigens eine simple Erklärung: „Im SED-Politbüro dachte man vielleicht: wenn die Menschen miteinander und im Bett glücklich sind, dann kommen sie nicht auf dumme politische Gedanken“, sagte er. Die Begeisterung zeigte sich übrigens bereits bei der Vorstellung des Buches auf der Leipziger Buchmesse: 700 Exemplare von „Mann und Frau intim“ seien dort geklaut worden, berichtete Siegfried Schnabl später. Eine bessere Werbung hätte es für das Buch wohl auch nicht geben können.