Es geschah am 22. Februar 1960

Schlimmstes Grubenunglück der DDR: 123 Tote! Bergleute erstickten in den Tunneln

Vor 65 Jahren ereignete sich in Zwickau das schlimmste Grubenunglück der DDR. Eine Explosion sorgte dafür, dass etliche Bergleute erstickten.

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Mehr als 400 Retter waren im Einsatz, als es im Steinkohle-Bergbau in Zwickau zum schlimmsten Grubenunglück der DDR kam. 123 Bergleute starben.
Mehr als 400 Retter waren im Einsatz, als es im Steinkohle-Bergbau in Zwickau zum schlimmsten Grubenunglück der DDR kam. 123 Bergleute starben.ZUMA/Keystone/imago

Sie arbeiteten im Untergrund des Steinkohlewerks „Karl Marx“ in Zwickau – und sie bezahlten ihren Einsatz mit ihrem Leben: Am 22. Februar 1960 kamen 123 Bergleute ums Leben, als sich tief im Untergrund eine schreckliche Kohlestaubexplosion ereignete, die zu einem Grubenbrand führte. Der Vorfall ging als schlimmstes Grubenunglück in die Geschichte des Bergbaus der DDR ein. Was ereignete sich an jenem Tag im Untergrund – und wie erinnern sich Zeitzeugen heute an das Unglück, bei dem so viele Arbeiter ihr Leben verloren?

Schlimmstes Grubenunglück der DDR: Das geschah am 22. Februar 1960 in den Tunneln

Im VEB Steinkohlenwerk Karl Marx in Zwickau wurde damals, wie es der Name sagte, Steinkohle gefördert. Das Werk wurde bereits im Jahr 1855 gegründet, blickte also schon auf eine lange Geschichte zurück, als es am 1. Januar 1949 zum VEB wurde. Der Betrieb wurde 1859 aufgenommen und 1973 eingestellt. Rund 30.750.000 Tonnen Steinkohle wurden hier laut Berichten gefördert. Doch leider ging das Unternehmen nicht nur mit dem Abbau von Steinkohle in die Geschichte der DDR ein – sondern auch mit dem schlimmsten Grubenunglück.

Es ereignete sich am 22. Februar 1960 gegen 8.20 Uhr in der 1. Abteilung des Steinkohlewerks. Am Morgen hatten insgesamt 178 Bergleute in jener ihren Dienst angetreten, verteilten sich an den entsprechenden Arbeitsstellen. Dann soll es zu einer sogenannten Schlagwetterexplosion gekommen sein: Unter dem Begriff „schlagende Wetter“ versteht man im Bergbau ein Gemisch aus Methan und Luft, das in den Schächten zu finden ist. Unter bestimmten Umständen kann sich dieses Gemisch entzünden. Das passierte beim Grubenunglück von Zwickau laut Untersuchungen durch eine Sprengung.

Kohlenstaub-Explosion: Bergleute in den Tunneln erstickten blitzartig

In der Folge wurde Kohlenstaub aufgewirbelt, der sich entzündete – auf die sogenannte Schlagwetterexplosion folgte also eine Kohlenstaubexplosion. Die Folgen waren für die Bergleute in den Schächten verheerend: Die meisten hatten keine Chance, sich zu retten, weil die Explosion schlagartig fast den kompletten Sauerstoff in den Schächten verbrauchte. Sie erstickten also sofort. Nur ein Teil der Arbeiter konnte sich noch retten – mithilfe sogenannter „Selbstretter“. Atemschutzmasken, die das tödliche Gas Kohlenmonoxid aus der Luft binden, nur den Sauerstoff durchlassen.

Nur wenige Bergleute konnten aus den Stollen gerettet werden. 123 von mehr als 170, die an jenem Tag zur Arbeit aufgebrochen waren, starben. Foto: Ein Rettungsteam macht sich bereit.
Nur wenige Bergleute konnten aus den Stollen gerettet werden. 123 von mehr als 170, die an jenem Tag zur Arbeit aufgebrochen waren, starben. Foto: Ein Rettungsteam macht sich bereit.ZUMA/Keystone/imago

Rainer Leister, damals 20 Jahre alt, gehörte zur Elektrobrigade. Er erinnerte sich in einem Beitrag des „Spiegel“ daran, dass es zweimal geknallt habt. „Und dann gab es eine unheimliche Ruhe - plötzlich stand alles still“. Auch er rettete sich mit einem der Selbstretter. Das Problem: Die Masken werden heiß, weil Filter und Luft durch die chemische Reaktion stark erhitzt werden. „Man dörrt aus in der Kehle, das ist unglaublich schmerzhaft. Aber mir war klar: Wenn ich den Filter absetze, dann war es das“, sagte er.

460 Einsatzkräfte waren an der Rettung der Bergleute von Zwickau beteiligt

Die Meldung, dass es eine Explosion und einen Brand gegeben hatte, schaffte es schnell an die Oberfläche, ein riesiger Rettungseinsatz begann. Bis zum Abend sollen insgesamt 460 Grubenwehrleute im Einsatz gewesen sein, die von verschiedenen Standorten nach Zwickau kamen. Sie lösten sich bei den Rettungs- und Bergungsarbeiten ab, versuchen, den Brand unter Tage unter Kontrolle zu bekommen und eingeschlossene Bergleute zu retten.

Nur wenige Bergleute konnten gerettet werden. Hier: Der damalige Gesundheitsminister und der Bürgermeister von Zwickau besuchen einen Überlebenden im Krankenhaus.
Nur wenige Bergleute konnten gerettet werden. Hier: Der damalige Gesundheitsminister und der Bürgermeister von Zwickau besuchen einen Überlebenden im Krankenhaus.ZUMA/Keystone/imago

In einem Interview mit der „Freien Presse“ erinnerte sich einer der Retter, die damals im Einsatz waren, an den denkwürdigen Tag. „Ich bin an dem Tag umgezogen. Mein Junge war gerade drei Wochen alt“, sagt Hans Joachim Brattke. „Da kam die Nachricht vom Grubenunglück. Ich habe alles stehen und liegen gelassen und bin her.“ Die Rettungskräfte hätten und anderem an den Rohren gehorcht, ob es Klopfzeichen von Überlebenden gibt. „Als ich am zweiten Tag eingefahren bin, habe ich die ersten Toten gesehen. Ich habe elf Einsätze gefahren“, sagt er.

Das Unglück löste eine Welle der Trauer und lange Untersuchungen aus. Für den 27. Februar 1960 wurde etwa durch die Regierung der DDR Staatstrauer ausgerufen – im gesamten Land ruhte um 12 Uhr für zwei Minuten die Arbeit, in Zwickau läuteten damals alle Kirchenglocken. Und das Unglück hatte auch weitergehende Folgen: Einige Sicherheitsmaßnahmen wurden geändert – die Selbstretter mussten nach dem Grubenunglück von 1960 von den Bergleuten etwa am Mann mitgeführt werden. ■