Richtig oder frech?

DDR ist ihm zu hässlich! Student will „Haus des Reisens“ abreißen

Das Haus des Reisens am Alex wurde 1969 gebaut, ist ein Stück DDR-Geschichte. Ein Münchner Student würde das DDR-Erbe am liebsten platt machen.

Author - Florian Thalmann
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Der Alexanderplatz mit dem berühmten Haus des Reisens im Hintergrund. Wenn es nach einem Studenten aus München geht, sollte das Gebäude abgerissen werden.
Der Alexanderplatz mit dem berühmten Haus des Reisens im Hintergrund. Wenn es nach einem Studenten aus München geht, sollte das Gebäude abgerissen werden.Marco Bertram/imago

Berlin ist voller Bauwerke, in denen ein Stück Stadtgeschichte steckt – darunter auch viele Relikte aus der DDR. Ob sie immer wirklich schön sind, ist sicherlich Geschmackssache. Aber: Ist es fair, wenn immer mehr vom Erbe der DDR abgerissen wird? Ein Student aus München sorgt aktuell mit einer besonderen Website für Wirbel: Das Projekt „Tear Down Berlin“ („Reißt Berlin ab“) benennt zehn Bausünden in der Hauptstadt, die nach Ansicht des 25-Jährigen unbedingt abgerissen werden sollte. Darunter auch das „Haus des Reisens“ am Alexanderplatz, ein besonderes Baudenkmal aus der DDR.

Münchner Student: Haus des Reisens am Alexanderplatz muss abgerissen werden!

Die Idee für sein Abriss-Projekt kam dem Studenten laut Berichten, als er Anfang des Jahres vier Monate in Berlin lebte. Die Stadt habe viele schöne Ecken, aber auch viele hässliche, sagte er in einem Interview. Dazu gehören für ihn die zehn Gebäude, die er auf der Website „Tear down Berlin“ für den Abriss vorschlägt. Darunter das Pallasseum über der Pallasstraße in Schöneberg, die „Schlange“ in der Schlangenbader Straße, das Gropiushaus in Neukölln, das Neue Zentrum Kreuzberg am Kottbusser Tor und der Mehringplatz am Halleschen Tor.

„Diese Stadt braucht keine Denkmalpflege für Hässlichkeit, sondern den Mut zur radikalen Veränderung“, heißt es auf der Website. „Wir fordern Abriss – konsequent und kompromisslos.“ Die zehn Gebäude auf der Abriss-Liste seien „zehn Mahnmale städtebaulichen Versagens, die weniger Teil der Lösung als Teil des Problems sind“. Es folgt eine Ode an die „ästhetische Stadt“, die Berlin an diesen Stellen offenbar nicht ist. „Eine ästhetische Stadt steigert die Lebensqualität. Sie versteckt ihre Vielfalt nicht hinter grauen Fassaden. Sie lässt sich nicht dauerhaft von Bausünden prägen, sondern hat den Mut, sich neu zu erfinden.“

Blick in die Welt: Ein Schaufenster im Haus des Reisens am Alexanderplatz, fotografiert zu DDR-Zeiten im Jahr 1988.
Blick in die Welt: Ein Schaufenster im Haus des Reisens am Alexanderplatz, fotografiert zu DDR-Zeiten im Jahr 1988.Rolf Zöllner/imago

Eines dürfte viele Menschen im Osten überhaupt nicht freuen: Auf die umstrittene Abriss-Liste hat es auch das „Haus des Reisens“ am Alexanderplatz in Mitte geschafft, ein Bauwerk der DDR, das den Platz schon früher prägte. Das berühmte „HdR“ wurde von 1969 bis 1971 gebaut, besteht aus 18 Geschossen und ist 67 Meter hoch. Es beherbergte zu DDR-Zeiten die Generaldirektion des VEB Reisebüro der DDR und außerdem die Bürus der DDR-Fluggesellschaft Interflug. Außerdem befanden sich hier Schalter für Flug- und Eisenbahnverkehr.

Erinnerungen an das Haus des Reisens: DAS war in dem Gebäude zu finden!

Außerdem war im Haus der Ausländer-Meldedienst der Volkspolizei untergebracht – und es gab ein Café mit 60 Plätzen und eine Bar. Und: Auch die historischen Ereignisse der Wende spielten sich zum Teil in unmittelbarer Nähe ab. Als auf dem Alexanderplatz 1989 unzählige Menschen auf die Straße gingen, war zum Abschluss der Demonstration am 4. November hier das Rednerpult aufgebaut. Nach der Wende wurde das Gebäude anderen Zwecken zugeführt: Das Haus ist die Heimat des „Skyclub“, des Club „Week End“ und eines Fitnesstudios.

Künstler Walter Womacka schuf nicht nur das berühmteste DDR-Gemälde Am Strand, sondern auch ein Kunstwerk am Haus des Reisens. Hier steht er vor dem berühmten Fries am Haus des Lehrers.
Künstler Walter Womacka schuf nicht nur das berühmteste DDR-Gemälde Am Strand, sondern auch ein Kunstwerk am Haus des Reisens. Hier steht er vor dem berühmten Fries am Haus des Lehrers.Christian Ditsch/imago

DDR-Künstler Walter Womacka gestaltete ein Kunstwerk am Haus des Reisens

Auch eine künstlerische Besonderheit findet sich hier: Der berühmte Künstler Walter Womacka schuf an der östlichen Fassade das Werk „Der Mensch überwindet Zeit und Raum“. Womacka war nicht nur auch für die Gestaltung des Brunnens der Völkerfreundschaft am Alexanderplatz zuständig, er malte auch eines der in der DDR am meisten verbreiteten Gemälde. „Am Strand“ ist das am meisten reproduzierte Bild in der Geschichte der DDR, war und ist in unzähligen Wohnzimmern im Osten Deutschlands zu finden. Und: Auch das Fries am in der Nähe liegenden Haus des Lehrers gestaltete Womacka.

Das „Haus des Reisens“ sollte eigentlich bereits vor Jahren abgerissen werden, um Platz für ein neues Hochhaus zu machen. Im Juli 2015 wurde das Gebäude allerdings unter Denkmalschutz gestellt – dadurch wurden die Pläne für den Abriss aufgegeben. Doch wenn es nach dem 25 Jahre alten Studenten aus München geht, wäre das Haus längst nicht mehr da. „Manche Gebäude lassen sich nicht retten – sie müssen weg. Nicht aus Verbitterung, sondern aus Liebe zur Stadt“, heißt es auf der Website.

Soll das Erbe der DDR abgerissen werden? Schicken Sie uns Ihre Meinung per Mail!

Was halten Sie von der Idee, das Haus des Reisens abzureißen? Liegt der Student aus München richtig oder nicht? Wird zu viel DDR-Erbe ausgelöscht? Und: Welche Gebäude sind aus Ihrer Sicht überflüssig? Schicken Sie uns Ihre Meinung an wirvonhier@berlinerverlag.com – wir freuen uns auf Ihre Zuschriften!