Nach Krebserkrankung

Wo willst du denn mit diesem Super-Mobil hin, kleiner Ahmad (5)?

Eine Krebserkrankung erfordert manchmal ein keimfreies Umfeld. In der Charité gibt es ein Spezialmobil für Kinder, die damit am Leben draußen teilhaben können.

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Ahmad steuert das Super-Mobil mit einem Joystick selber.  Das Ein-Personen-Fahrzeug ist mit einer transparenten Haube und HEPA-Filtern ausgestattet und wurde von einem Startup in Berlin konzipiert. Es bietet Sicherheit und ermöglicht dennoch den direkten Austausch zwischen Patienten und ihren Angehörigen sowie dem Klinik- und Pflegepersonal.
Ahmad steuert das Super-Mobil mit einem Joystick selber. Das Ein-Personen-Fahrzeug ist mit einer transparenten Haube und HEPA-Filtern ausgestattet und wurde von einem Startup in Berlin konzipiert. Es bietet Sicherheit und ermöglicht dennoch den direkten Austausch zwischen Patienten und ihren Angehörigen sowie dem Klinik- und Pflegepersonal.Hannes P. Albert/dpa

Wochenlang, monatelang und im Extremfall sogar ein Jahr lang das Zimmer im Krankenhaus nicht verlassen dürfen. Kein direkter Kontakt zu Freunden oder Familie. Nur im Schutzanzug dürfen die Eltern die kleinen Patienten besuchen. Wer wie der kleine Ahmad an einem potenziell tödlichen Immundefekt leidet, muss sich von jeglichen Keimen schützen. In der Berliner Charité gibt es für solche Fälle ein neuartiges Fahrzeug, das den Aktionsradius der kleinen Testfahrer deutlich erweitert.

Über die Gänge der Kinderstation für Stammzelltransplantation flitzt ein futuristisch aussehendes Fahrzeug mit einer durchsichtigen Haube, das ein bisschen an das Papamobil erinnert. Darin sitzt aber nicht der Papst, sondern Ahmad, fünf Jahre alt. Der Junge winkt fröhlich und streckt den Daumen nach oben. Wie gefällt ihm das Umhersausen? „Gut“, sagt Ahmad schüchtern.

Rettende Knochenmarktransplantation

Der Fünfjährige hat einen angeborenen und potenziell tödlichen Immundefekt, der zu einem schweren Knochenmark-Versagen führt. An der Charité erhielt er im Herbst Dank eines Spenders die rettende Knochenmark-Transplantation. Nach dem Eingriff musste er für mehrere Wochen in einem Zimmer isoliert werden. Patienten dürfen es in der Regel nicht verlassen. Die Isolierung soll Kinder vor einer Ansteckung schützen, ermöglicht aber kaum Nähe zu Familien und Freunden.

Gerät befindet sich noch in Testphase

Hier kommt das kleine Fahrzeug ins Spiel, das Ahmad mit einem kleinen Joystick geschickt lenkt. Das Ein-Personen-Mobil funktioniert ähnlich wie ein elektrischer Rollstuhl und ist mit speziellen Filtern ausgestattet. Ahmad kann sein Zimmer gefahrenlos verlassen, eine Spazierfahrt vor dem Klinikgebäude machen oder seine Großeltern draußen sehen. In dem Gerät ist außerdem ein Gummihandschuh eingebaut, der Körperkontakt ermöglicht. Er finde es richtig toll, dass er andere auch anfassen und ihnen die Hand geben könne, sagt seine Mutter, Batoul Kanjo.

Entwickelt wurde das Fahrzeug, mit dem Namen „Moby“ vom Berliner Startup Sphaira. Bisher gibt es nur einen Prototypen, der seit Herbst an der Charité getestet wird.

Batoul Kanjo, Ahmads Mutter, richtet die Maske ihres Sohnes bevor er in das Ein-Personen-Fahrzeug „Moby“ einsteigt.
Batoul Kanjo, Ahmads Mutter, richtet die Maske ihres Sohnes bevor er in das Ein-Personen-Fahrzeug „Moby“ einsteigt.Hannes P. Albert/dpa

Isolation ist für Kinder große Belastung

„Kinder und Eltern freuen sich sehr über die Möglichkeit, diese Isolation zu verlassen und auch draußen sein zu können“, sagt Angelika Eggert, Direktorin der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Onkologie und Hämatologie. Es sei schon vorgekommen, dass Kinder bis zu einem Jahr ihr Zimmer nicht verlassen durften. Nur die Eltern dürfen das Kind mit Schutzausrüstung in dieser Zeit besuchen.

„Man kann sich vorstellen, dass das natürlich für die allgemeine Verfassung, für die Psyche nicht gut ist und die Kinder depressiv werden, gerne rauswollen, das dann aber quasi lebensgefährlich ist wegen der Keime.“ In einer Studie werde nun untersucht, welchen Effekt das Mobil auf die Psyche und körperliche Verfassung der Kinder habe. Bei den Kindern komme es sehr gut an und sei täglich im Einsatz. Vor einem Wechsel werde es gründlich gereinigt und desinfiziert.

Corona-Pandemie brachte Erfinder auf die Idee

Der Gründer von Sphaira, Janis Münch, erklärt: „Die Idee ist grundsätzlich während der Pandemie entstanden, im März, April 2020, als die Bilder aus Bergamo kamen und wir gesehen haben, wie Menschen in Einsamkeit litten und starben, ohne, dass Familien sich verabschieden konnten.“ Hier solle „Moby“ helfen. Er hoffe, dass das Fahrzeug irgendwann zur Standardausrüstung in jedem Krankenhaus gehören werde. Übrigens: Ahmad ist inzwischen entlassen und muss nur noch zur ambulanten Betreuung an die Charité. Sein Leben darf er nun in vollen Zügen und mit beiden Händen anpacken. ■