Ein Missverständnis, ein Gespräch am Rande und plötzlich steht der Ost-Sänger Tino Eisbrenner mitten in einer juristischen Auseinandersetzung, die er nie wollte. Sein Fall zeigt, wie schnell man vom Unterstützer zum Zeugen wird. Und das ganz ohne eigenes Zutun.
Als Tino Eisbrenner (62, „Mama“, „Ich beobachte Dich“) im Januar 2024 gefragt wird, ob er zu den ersten 400 Gründungsmitgliedern des neu entstandenen BSW gehören möchte, empfindet er das als Ehre – doch er lehnt ab. „Mein politisches Engagement speist sich ausschließlich aus meinen Überzeugungen“, sagt er rückblickend in einem Text für die Berliner Zeitung. Karriereambitionen in der Politik, die hat er nicht wirklich. Er ist Künstler.
In einem persönlichen Gespräch mit Sahra Wagenknecht erklärt er also seine privaten Vorbehalte – offen, ehrlich, auf Augenhöhe. Auf seine Frage, warum der Musiker und Musikproduzent Diether Dehm nicht ins BSW aufgenommen werde, antwortet Wagenknecht: „Wir haben das lange diskutiert und es uns dabei nicht leicht gemacht. Aber im Moment dieser sensiblen Gründungsphase, wo man uns von rechts bis links für jeden kleinen Fehler köpfen möchte, um uns loszuwerden, ist uns ein Diether Dehm einfach zu unberechenbar.“
Wie Eisbrenner sich diese zwei Sätze bis auf den Punkt merken konnte, erklärt er in dem Text für die Berliner Zeitung nicht. Der Autor dieser Zeilen hier weiß, wie schwer man sich Zitate merken kann, und hat deshalb immer ein Notizbuch zur Hand, für alle Fälle. Aber das soll nichts heißen und steht natürlich auf einem anderen Blatt. Es spielt jetzt erst mal keine Rolle.
Wagenknecht wundert sich, was Eisbrenner bezeugen könne
Jedenfalls trifft Eisbrenner Monate später, so erinnert er sich, Dehm auf einem Friedenskongress. Als sich das Gespräch auf dessen gescheiterten Aufnahmeantrag richtet, wiederholt Eisbrenner das Wagenknecht-Zitat in der Annahme, Dehm damit trösten zu können. Was folgt, ist eine Verkettung von Missverständnissen, die für Eisbrenner schließlich außer Kontrolle gerät.
Ein halbes Jahr später klingelt das Telefon. Sahra Wagenknecht wundert sich, was Eisbrenner „angeblich bezeugen“ könne. Der Sänger, der im Wahlkampf mehrfach auf der Wagenknecht-Bühne gespielt hatte, ist fassungslos. Er ruft Dehm an, versucht zu vermitteln, erinnert ihn an den Unterschied zwischen „unberechenbar“ und „geistesgestört“. Dehm entschuldigt sich später – doch da ist der Schaden bereits angerichtet.

„Und plötzlich finde ich mich nun in der Zeitung wieder als Zeuge für etwas, was ich nie gehört und also auch nicht weitergetragen haben kann“, schreibt Eisbrenner. Ohne es zu wollen, steht er mitten in einem Streit, der nicht seiner ist – quasi als Symbolfigur in einem Klima, das immer härter, lauter und spalterischer wird.
Eisbrenners Appell: Mehr Sanftmut, mehr lyrischer Widerstand
Am Ende bleibt Eisbrenners Appell: Mehr Sanftmut, mehr lyrischer Widerstand, weniger Wut, bitte! Denn wer einmal erlebt hat, wie schnell man zum Zeugen wider Willen werden kann, weiß: Worte sind Waffen und Missverständnisse können treffen wie Geschosse.


