Statt Entspannung am Nordseestrand gab es eine Woche Stress: Eine Berlinerin, die auf der Nordseeinsel urlaubte, hatte bei der Abreise in Berlin ihr Handy vergessen. Eine Bekannte schickte es ihr per Post-Einschreiben nach. Der Post zufolge kommt ein Einschreiben „in der Regel am nächsten Werktag“ an. Doch die Berlinerin musste sechs Tage warten. Das ist eine der Beschwerden, die im ersten Halbjahr über die Deutsche Post/DHL und ihre Konkurrenten eingingen. Insgesamt 22.981 Beschwerden zu Postdienstleistungen registrierte die Bundesnetzagentur in den ersten sechs Monaten – so viel wie nie zuvor.
Im Falle besagter Berlinerin kam das Einschreiben nach ihrer Aussage erst nach sechs Werktagen an – sie musste also viel länger auf ihr Handy verzichten als gedacht. Das Merkwürdige: Über die Sendungsverfolgung konnte sie sehen, dass ihr Handy schnell von Berlin auf die Nordsee-Insel transportiert worden war, dort aber tagelang liegenblieb.
Im ersten Halbjahr gab 22.981 Beschwerden bei der Bundesnetzagentur
Als der Zusteller endlich kam, fand er ihre Wohnung nicht und wollte schon wieder wegfahren – nur zufällig sah die Frau ihn und lief ihm nach. Der Postbote sei wohl nicht wirklich ortskundig gewesen, die Adresse sei eindeutig und andere Postboten hätten in der Vergangenheit keine Probleme gehabt, sagt die 82-Jährige verärgert. Auf die Frage, warum sie so lange auf das Einschreiben habe warten müssen, sei ihr gesagt worden, dass die Post vor Ort viel weniger Zustellpersonal habe als früher.
Aber die 82-jährige Berlinerin ist kein Einzelfall. Die Beschwerden über die Post und ihre Wettbewerber haben den nächsten Höchstwert erreicht. Wie die Bundesnetzagentur mitteilt, gingen bei ihr im ersten Halbjahr 22.981 Beschwerden zu Postdienstleistungen ein – 13 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.
Sollte sich das bisherige Beschwerdetempo fortsetzen, könnte in diesem Jahr der bisherige Jahreshöchstwert von 44.406 aus dem Jahr 2024 gerissen werden. Übrigens: 89 Prozent der Kritik richtet sich gegen Marktführer Deutsche Post/DHL. Lange hielten sich die Post-Beschwerdezahlen auf eher niedrigem Niveau, bevor es im Sommer 2022 deutlich nach oben ging und das Unternehmen das Thema zunächst kleinredete. Schließlich räumte es lokale Probleme ein und begründete diese mit Personalproblemen.
420.000 Beschwerden bei der Post
Als Reaktion auf die Halbjahreszahlen sagt ein Post-Sprecher, dass es im ersten Halbjahr phasenweise Einschränkungen in den betrieblichen Abläufen gegeben habe, etwa die Warnstreiks zu Jahresbeginn und Folgen der Hitzewelle im Juni, als das Arbeitspensum reduziert werden musste. Er weist zudem darauf hin, dass der Anteil der Beschwerden an den Milliarden an zugestellten Sendungen gering sei. Der Bonner Konzern stellte im vergangenen Jahr in Deutschland 12,2 Milliarden Briefe und 1,8 Milliarden Pakete zu.
Separat zu den kritischen Wortmeldungen bei der Bundesnetzagentur können sich Verbraucher auch direkt bei der Post melden. Im vergangenen Jahr waren es circa 420.000 Beschwerden (mit dpa).