
Dienstagmorgen am Alexanderplatz in Berlin: Pendler reiben sich die Augen, als plötzlich neben Blumenladen und Rolltreppe eine Ikone thront – Marilyn Monroe, bunt und schrill verewigt von Andy Warhol. Rund 300.000 Euro wert, streng bewacht von Bodyguards. Passanten zücken die Handys, filmen das Spektakel, und nach kaum einer Viertelstunde ist alles vorbei. Die BVG-Security räumt die Bühne.
Hinter dieser Blitz-Aktion steckt das Berliner Start-up JMES World, berichtet die Berliner Zeitung. Die Gründer wollen den Kunstmarkt auf den Kopf stellen: Werke sollen nicht länger komplett gekauft werden müssen, sondern in kleinste Stücke teilbar sein – schon ab wenigen Euro. Dieses Modell der geteilten Besitzrechte, „Fractional Ownership“, soll mehr Menschen ins Spiel bringen und Kunst demokratisieren.
Geschäftsführerin Vanessa Romano kündigt gleich zum Start ein stattliches Programm an: 20 Künstler, rund 120 Werke. In der Factory Berlin soll es sogar einen eigenen Showroom geben, exklusiv für Anteilseigner. Das Unternehmen selbst behält rund dreißig Prozent – weniger als bei üblichen Galeriedeals.
Wer investiert, darf zudem auf exklusive Events hoffen. Die erste Einladung geht schon an Halloween raus. Die Botschaft: Kunst soll nicht länger nur ein Vergnügen der Reichen bleiben, sondern auch Menschen mit schmalem Budget Teilhabe ermöglichen. Künstler wiederum sollen Anteile behalten, um die Kontrolle über ihre Werke nicht zu verlieren.

Doch die Szene am Alexanderplatz wirft Fragen auf, so die Berliner Zeitung. Offiziell will JMES World Unbekannte fördern, doch präsentiert wurde ausgerechnet Warhols Monroe – ein Werk aus dem Privatbesitz der anonym bleibenden Gründer. Romano ist das Gesicht nach außen, betont aber, das Projekt solle unabhängig von ihnen bestehen.
Kunst soll endlich für alle da sein
Und noch etwas könnte den Idealismus dämpfen: In Absprache mit Künstlern können Werke auch komplett verkauft werden. Das schwächt die Vision dauerhafter Teilhabe. Kritiker erinnern sofort an den NFT-Hype: Auch dort lockte man mit Versprechen von Gemeinschaft und Zugänglichkeit, doch am Ende dominierten Spekulanten. Preise explodierten und krachten ebenso rasant wieder zusammen.
JMES World grenzt sich ab: Hier gehe es nicht um digitale Token, sondern um reale Kunstwerke, die tatsächlich an Wänden hängen. Greifbarer, vertrauenswürdiger – und dennoch bleibt das Risiko, dass Anteile wie Aktien gehandelt und so zum Spielball des Marktes werden.