Minus 128.651 Einwohner

Volkszählung: Neue Statistik schrumpft Berlin – was DAS bedeutet

Nicht nur in der Hauptstadt, sondern in ganz Deutschland leben weniger Menschen als gedacht. Vor allem eine Million weniger Ausländer wurden erfasst.

Teilen
Die Bahnsteige auf dem U-Bahnhof Berlin-Alexanderplatz sind immer noch voll, es soll aber weniger Berliner geben als gedacht.
Die Bahnsteige auf dem U-Bahnhof Berlin-Alexanderplatz sind immer noch voll, es soll aber weniger Berliner geben als gedacht.Fabian Sommer/dpa

Bekommt Berlin jetzt weniger Geld im Länderfinanzausgleich? Denn die Hauptstadt hat viel weniger Einwohner als bisher angenommen. Das geht aus den Ergebnissen des Zensus 2022 hervor, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurden. Aber nicht nur Berlin ist geschrumpft. 

Die Bevölkerung Deutschlands ist in den vergangenen Jahren weniger stark gewachsen als bislang angenommen. Danach lebten am 15. Mai 2022 rund 82,7 Millionen Menschen in Deutschland – rund 1,4 Millionen  Einwohner weniger, als bislang auf Basis der amtlichen Bevölkerungsfortschreibung angenommen wurden, wie die Präsidentin des Statistischen Bundesamtes, Ruth Brand, erklärt.

Der Zensus ermittelt die Bevölkerungszahlen aller 10.786 Gemeinden Deutschlands. In 56 Prozent dieser Gemeinden habe es am 15. Mai 2022 mindestens ein Prozent weniger Menschen gegeben als vorher angenommen. Für die Volkszählungen wurden in Berlin mehr als 700.000 Menschen befragt. Sie gaben dabei Auskunft über Art und Größe ihrer Wohnung, die Zahl der Bewohner, über ihren Familienstand und ihre Herkunft.

Berlins Bevölkerung schrumpft um 3,5 Prozent

Besonders groß war den Angaben zufolge die Abweichung für Köln, wo zum Stichtag 5,6 Prozent weniger Menschen lebten als prognostiziert. Köln bleibe aber trotzdem Millionenstadt, sagte Thomas Gößl, der Präsident des Bayerischen Landesamtes für Statistik. In sieben Bundesländern waren die Abweichungen nach unten überdurchschnittlich, am deutlichsten mit jeweils minus 3,5 Prozent in den Stadtstaaten Berlin und Hamburg sowie in Mecklenburg-Vorpommern. Bremen und das Saarland wiesen gegenüber den bislang offiziellen Zahlen Abweichungen nach oben auf.

In Berlin ging man bisher am Stichtag im Jahr 2022 von 3.725.650 Einwohnern aus. Jetzt werden mit einem Statistik-Streich wieder 128.651 Berliner ausradiert. Die neue Einwohner-Zahl laut Zensus: 3 Millionen, 596 Tausend und 999.

Auch Brandenburg macht eine Schrumpfkur durch. Statt 2.565.733 Märkern gibt es jetzt nur noch 2.534.075. Das ist ein Minus von über 30.000. Der Landkreis Elbe-Elster rutscht wieder unter die 100.000er-Marke und hat nur noch 98.980 Einwohner, Cottbus schrumpft um 5,3 Prozent auf 93.926 Einwohner.   

Zum Stichtag im Mai 2022 wurden fast eine Million weniger Ausländer als bislang amtlich ausgewiesen

Die bundesweiten Abweichungen zur Bevölkerungsfortschreibung betreffen den Angaben zufolge besonders die ausländische Bevölkerung. Laut Zensus 2022 lebten am 15. Mai 2022 in Deutschland rund 10,9 Millionen Ausländer, fast eine Million weniger als bislang amtlich ausgewiesen. Als Gründe hierfür nannte die Statistikbehörde die Einflüsse von Fluchtbewegungen auf die melderechtliche Erfassung von Ausländern. So könnten diese später wieder in ihre Herkunftsländer zurückgezogen sein, ohne dass sie sich abgemeldet hätten. Umgekehrt waren Flüchtlinge, die am Stichtag in einer Gemeinde wohnten, vielleicht noch nicht gemeldet.

Absehbar ist, dass die neuen, niedrigeren Zahlen Proteste auslösen werden. Nach der letzten Volkszählung im Jahre 2011 legten mehr als 800 der bundesweit mehr als 11.000 Gemeinden Widerspruch gegen die neu festgesetzten Einwohnerzahlen ein, Dutzende klagten. 

Grund: Es geht um bares Geld. Denn von den Einwohnerzahlen hängt ab, wie viel Geld Berlin aus dem Länderfinanzausgleich bekommt, wie hoch die Zuweisungen sind, die Gemeinden vom Land und aus dem kommunalen Finanzausgleich bekommen. Und von der Einwohnerzahl hängt auch die Anzahl der Sitze in den Kommunalparlamenten oder das Gehalt der Bürgermeister ab.

Klar ist jetzt: Die neuen Zahlen verschärfen die Haushaltslage des Berliner Senats weiter. Weil die Hauptstadt dieser Statistik zufolge deutlich weniger Einwohner hat als bislang angenommen, erhält das Land deutlich weniger Geld aus dem bundesweiten Steuerverteilungssystem. Bis 2028 sind es nach und nach bis zu 550 Millionen Euro weniger pro Jahr, wie Finanzsenator Stefan Evers (CDU) am Dienstag mitteilte. Zwar habe der Senat finanziell vorgesorgt. Doch spätestens ab 2025 bleibt demnach eine Steuerlücke von mindestens 150 Millionen Euro. ■