Nach Angriff auf Israel

Update: Verschärfte Sicherheitslage in Berlin: Hunderte versammeln sich

Israel-Hetze auf der Straße in Neukölln: Seit dem Angriff der terroristischen Hamas auf Israel hat die Polizei in Berlin über 30 Straftaten registriert - Tendenz steigend. 

Teilen
Polizisten stehen vor dem Ernst-Abbe-Gymnasium in der Sonnenallee im Berliner Stadtteil Neukölln. 
Polizisten stehen vor dem Ernst-Abbe-Gymnasium in der Sonnenallee im Berliner Stadtteil Neukölln. Jörg Carstensen/dpa

Nach dem Terrorangriff der palästinensischen Organisation Hamas auf Israel geht die Berliner Polizei von einer verschärften Sicherheitslage in der Hauptstadt aus. Aus Sorge vor antisemitischen Ausrufen, Gewaltverherrlichung oder Gewalttätigkeiten hat sie pro-palästinensische Demonstrationen verboten. Ungeachtet dessen versammelten sich am Mittwochvormittag laut Polizei 30 bis 40 Menschen vor einer Schule in Neukölln und später Hunderte auf den Straßen des Stadtteils. 

Bei der Versammlung an der Schule seien israelfeindliche Flugblätter verteilt worden, sagte ein Polizeisprecher. Am geplanten Versammlungsort einer weiteren verbotenen Demonstration verwiesen Polizisten am Nachmittag mögliche Demonstranten zunächst des Ortes.

Veranstalter kritisieren Demo-Verbot scharf

Ungeachtet des Demo-Verbots versammelten sich dann Hunderte Menschen in Neukölln. Die Polizei schritt immer wieder ein, um größere Ansammlungen an einer Stelle zu verhindern. Die Stimmung war angespannt. Es sei „ordentlich Potenzial auf der Straße“, sagte ein Polizeisprecher am Abend. Die Polizei habe die Situation aber bislang unter Kontrolle. Vor allem im Bereich Hermannplatz und Sonnenallee kam es ab dem frühen Abend immer wieder zu Rangeleien. Der Polizeisprecher erklärte, es habe ein paar Freiheitsentziehungen gegeben. Zur Anzahl konnte er zunächst keine Angaben machen.

Demonstranten und Einsatzkräfte der Polizei treffen am Mittwochabend im Stadtteil Neukölln aufeinander. 
Demonstranten und Einsatzkräfte der Polizei treffen am Mittwochabend im Stadtteil Neukölln aufeinander. Paul Zinken/dpa

Die untersagte Demo sollte unter dem Motto stehen „Demo in Solidarität mit Palästina“ und vom Richardplatz in Neukölln zum Kottbusser Tor in Kreuzberg ziehen. Ein Sprecher kritisierte die Entscheidung der Berliner Polizei und kündigte juristische Schritte an. Die Versammlung sei „mit rassistischer Begründung“ untersagt worden, schrieb die Initiative Palästina Kampagne im Internet. Das Verbot der Polizei verstoße gegen das Grundgesetz.

Das Verwaltungsgericht Berlin bestätigte jedoch am Abend im Eilverfahren das Verbot der Polizei. Die Entscheidung erfolgte weit nach dem geplanten Beginn der Versammlung. Aus Sicht der Polizei bestand die Gefahr, dass es dabei zu volksverhetzenden, antisemitischen Ausrufen sowie zu Gewaltverherrlichungen oder Gewalttätigkeiten kommt.

Am Mittwochvormittag hatte die Polizei auch mit Durchsagen darauf aufmerksam gemacht, dass die Kundgebung vor der Schule in Neukölln verboten worden ist. Nach Angaben des Polizeisprechers verließen aber nicht alle Menschen - überwiegend Schülerinnen und Schüler - freiwillig den Platz vor dem Gymnasium in der Sonnenallee, so dass von einigen die Personalien aufgenommen wurden.

Nach einer Auseinandersetzung zwischen Lehrer und Schüler wegen Palästina-Flaggen wurde eine Versammlung der Elternvertretung gegen Gewalt und Rassismus an Schulen vor dem Gymnasium verboten.
Die Polizei war mit einem riesigen Aufgebot vor Ort. Es hatten sich etwa  30 Schüler und Eltern versammelt. 
Nach einer Auseinandersetzung zwischen Lehrer und Schüler wegen Palästina-Flaggen wurde eine Versammlung der Elternvertretung gegen Gewalt und Rassismus an Schulen vor dem Gymnasium verboten.Die Polizei war mit einem riesigen Aufgebot vor Ort. Es hatten sich etwa 30 Schüler und Eltern versammelt. Gerd Engelsmann

An der Schule war es am Montag zu einem Vorfall im Zusammenhang mit dem Israel-Konflikt gekommen. Ein Schüler war mit einer Palästina-Fahne erschienen, woraufhin es eine gewaltsame Auseinandersetzung mit einem Lehrer gab. Eltern planten daraufhin die Demonstration, die von der Polizei verboten wurde.

Hetze an Neuköllner Schule geht weiter

Für diesen Freitag rief die Hamas Muslime in der ganzen Welt zu Aktionen und Unterstützung auf. Für Donnerstag und Sonnabend sind weitere Demonstrationen von Palästinenser-Organisationen angekündigt: einmal von der Gemeinde der Palästinenser in Berlin mit 200 Teilnehmern und dem Titel „Solidarität mit der Zivilbevölkerung“ am Potsdamer Platz. Und am Sonnabend vom Zentralrat der Palästinenser in Deutschland am Brandenburger Tor unter dem Motto „Frieden in Nahost“.

Laut Polizeipräsidentin Barbara Slowik wird noch geprüft, ob diese Demonstrationen problematisch sein könnten mit Blick auf möglichen Antisemitismus oder Unterstützung von Gewalttaten.

Diese pro-palästinensischen Flyer wurden vor der Schule gezeigt. 
Diese pro-palästinensischen Flyer wurden vor der Schule gezeigt. Gerd Engelsmann

Direkte Auswirkungen der Lage in Nahost auf Berlin

Seit Sonnabend, dem Tag des Angriffs aus Israel, zählte die Berliner Polizei bislang mehr als 30 Straftaten wie verbotene Symbole, Plakate und Hetzreden. Hinzu kamen mehr als 30 Ordnungswidrigkeiten bei Demonstrationen. Bei allem gelte: „Tendenz steigend“. Auch das Verteilen von Süßigkeiten bei einer Freudenfeier von Palästinensern auf der Straße am Samstagabend in Neukölln erfülle den Anfangsverdacht für die Billigung von Straftaten, hieß es weiter.

Grundsätzlich gilt aus Sicht der Polizei, je schlimmer die Lage im Nahen Osten eskaliere, desto schwieriger werde es auch in Berlin mit einem nicht ganz kleinen Anteil an arabischstämmiger und besonders palästinensischer Bevölkerung. Bilder und Videos von Gegenschlägen der israelischen Armee und ihren Opfern finden über Internetportale und Chatgruppen in großer Menge und hoher Geschwindigkeit ihren Weg nach Berlin.

Polizisten setzten das Verbot einer pro-palästinensischen Demo am Richardplatz durch.
Polizisten setzten das Verbot einer pro-palästinensischen Demo am Richardplatz durch.John MACDOUGALL / AFP

Propaganda in sozialen Medien

Insbesondere die Propaganda in sozialen Medien bereite ihm große Sorge, sagte der Autor und Psychologe Ahmad Mansour der Deutschen Presse-Agentur. Er sieht große Herausforderungen für die Schulen: Lehrerinnen und Lehrer müssten in der Ausbildung und durch entsprechende Lehrpläne befähigt werden, das Thema zu behandeln. In der aktuellen Situation empfahl er Lehrenden, Dialogplattformen zu schaffen, auf denen das Thema besprochen werden könne. „Außerdem sollten sie empathisch auf die Emotionen der Schülerinnen und Schüler reagieren, aber klare Grenzen ziehen, wenn es in Antisemitismus umkippt“, sagte Mansour.

Sympathien für die Terroristen von Hamas und Hisbollah

Nach Einschätzung der Integrationsbeauftragten von Berlin-Neukölln, Güner Balci, haben weite Teile der arabischsprachigen Bevölkerung dort Sympathien für die Terroristen von Hamas und Hisbollah. Das wisse sie aus zahlreichen Gesprächen, sagte Balci dem Magazin Spiegel. Nur unter Polizeischutz habe die Flagge Israels als Zeichen der Solidarität vor dem Neuköllner Rathaus gehisst werden können.

Balci forderte ebenso wie Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) ein Verbot der palästinensischen und israelfeindlichen Organisation Samidoun. „Die Gruppe ist in den sozialen Netzwerken sehr aktiv und erreicht so vor allem junge Menschen“, sagte Balci.