Keiner weiß, wo sie sind

Vermissten-Rätsel in Berlin: Hunderte Azubis aus Berufsschulen verschwunden

An einer Berufsschule in Weißensee ist ein Drittel der vietnamesischen Schüler betroffen. Sie verschwanden einfach aus dem Schulleben.

Author - Berliner KURIER
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Immer wieder verschwinden vietnamesische Schüler aus der Berufsschule. Sie sollten hier für einen Job im Gastgewerbe lernen.
Immer wieder verschwinden vietnamesische Schüler aus der Berufsschule. Sie sollten hier für einen Job im Gastgewerbe lernen.Olaf Döring/imago

Es klingt nach einer einfach unglaublichen Geschichte: Laut einem Bericht des RBB verschwinden in Berliner Berufsschulen immer wieder vietnamesische Auszubildende spurlos – einfach so. An einer Berufsschule in Berlin betrifft das jährlich etwa ein Drittel der Schüler aus Vietnam. Die Gewerkschaft spricht bereits von „modernem Menschenhandel“. Was steckt hinter dem Phänomen?

Auszubildende an Berufsschulen lösen sich scheinbar in Luft auf

Immer wieder lösen sich Auszubildende scheinbar in Luft auf, verschwinden aus dem Schulleben: An der Brillat-Savarin-Schule in Berlin-Weißensee mit mehreren tausend Berufsschülern betreffe das rund ein Drittel der etwa 700 Schüler aus Vietnam, heißt es in aktuellen Berichten. „Niemand weiß, wo die abgeblieben sind“, sagte der Gewerkschafter Sebastian Riesner, der auch Mitglied der Schulkonferenz ist. Möglich sei ein Abgleiten in Schwarzarbeit, zum Beispiel in Nagelstudios oder gar in die Prostitution.

Viele der Jugendlichen, die aus Vietnam kommen, würden kaum Deutsch sprechen, obwohl sie ein Sprachzertifikat vorweisen müssen, hieß es. Die Lehrer seien überfordert, die Schüler selbst verunsichert – und es sei schwer, den Schulbetrieb aufrechtzuerhalten, sagte Gerrit Buchhorn, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) in Berlin, der ebenfalls Mitglied der Schulkonferenz ist. Brisant: Ein ähnliches Phänomen soll es auch in anderen Bundesländern geben. Laut offiziellen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit absolvieren 16.000 Vietnamesen eine Ausbildung in Deutschland.

Verschwundene Schüler an der Berufsschule: Was steckt hinter dem Phänomen?

Nur: Was steckt hinter dem Vermissten-Rätsel an den Berufsschulen? Die Anwerbung von Auszubildenden für Deutschland laufe in Vietnam über private Vermittlungsagenturen. Sie verlangten für Verträge, Sprachnachweise und Visa hohe Summen. Viele junge Vietnamesen würden sich verschulden und in extreme Abhängigkeiten geraten, sagt die Migrationsexpertin Mimi Vu. Sie warnt vor einem internationalen Netzwerk Organisierter Kriminalität, das mit gefälschten Zertifikaten arbeitet und Menschen in ausbeuterische Beschäftigungsverhältnisse zieht.

Laut der Gewerkschaft NGG agierten viele Vermittlungsagenturen wie Schlepperorganisationen. Von „modernem Menschenhandel“ ist die Rede. Die Gewerkschaft verlangt klare gesetzliche Rahmenbedingungen. Die Anwerbung solle ausschließlich über die Bundesagentur für Arbeit laufen. (dpa)