Immer höhere Zuzahlungen

Teuermieten-Alarm! Berliner Bürgergeld-Beziehern geht das Geld aus

In der Hauptstadt fehlt bezahlbarer Wohnraum. Im Schnitt knapp 160 Euro müssen deshalb Berliner Bezieher von Bürgergeld zu den Mieten zuzahlen, damit sie nicht aus ihren Wohnungen fliegen.

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Blick auf Wohngebiete in Marzahn-Hellersdorf: Auch hier werden die Mieten immer teurer.
Blick auf Wohngebiete in Marzahn-Hellersdorf: Auch hier werden die Mieten immer teurer.Sabine Gudath

Die Teuermieten treiben immer mehr Berliner in die Armut. Wer Bürgergeld bekommt, wird zusätzlich bei Miete und Heizung unterstützt. Doch vor allem bei Familien reicht das oft nicht, weil die Kosten über den festgelegten Grenzen liegen. Gerade in Berlin. Denn hier gibt es kaum noch Wohnungen, die den Vorgaben der Behörden entsprechen.

Hunderttausende Bürgergeld-Empfänger müssen deutschlandweit bei Miete und Heizkosten draufzahlen, weil ihre Wohnung nicht als angemessen gilt. Im vergangenen Jahr betraf das rund jeden neunten Haushalt mit Bürgergeld, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Gruppe Die Linke im Bundestag hervorgeht. Im Schnitt mussten sie jeden Monat 103 Euro aus der eigenen Tasche finanzieren.

Die höchsten Zuzahlungen gibt es für Bürgergeld-Haushalte in Berlin. Sie müssen jeden Monat im Schnitt fast 160 Euro aus der eigenen Tasche stemmen und bleiben so auf mehr als einem Fünftel ihrer Wohnkosten sitzen. Denn das Amt übernimmt die Miete für Bürgergeld-Empfänger nur unter bestimmten Bedingungen in voller Höhe. Pro Person gibt es vorgeschriebene Miet-Höchstgrenzen. Werden die überschritten, müssten die Betroffenen in billigere Wohnungen umziehen. Doch wohin, wenn es kaum noch Wohnungen gibt, die den Vorgaben entsprechen.  

Die aktuellen Zahlen: So teuer dürfen Wohnungen in Berlin sein

In Berlin gelten laut Daten vom Serviceportal Berlin und der Senatsverwaltung für Soziales seit dem 1. Oktober 2023 folgende Richtwerte: Für Ein-Personen-Haushalte (50 Quadratmeter) liegt der Richtwert für die monatliche Bruttokaltmiete bei 449 Euro. Für zwei Personen (65 Quadratmeter) sind es 543,40 Euro, für drei Personen (80 Quadratmeter) 668,80 Euro und für vier Personen (90 Quadratmeter) 772,40 Euro. Doch wo gibt es noch Neuvermietungen, die diesen Preis-Vorstellungen entsprechen?  

Sozialverbände kritisieren seit langem, dass die festgelegten Mietgrenzen vielerorts unrealistisch seien. Oft hätten Betroffene überhaupt keine Chance, eine günstigere Wohnung zu finden. Sie müssten dadurch immer höhere Beträge zuzahlen – und das Geld fehle dann für Lebensmittel, Kleidung und Bildung. „Wer im Bürgergeld überhaupt noch eine Wohnung in Innenstädten bekommt, zahlt drauf und spart sie sich vom Munde ab“, sagt die Linken-Abgeordnete Caren Lay.

Im vergangenen Jahr bekamen laut Arbeitsministerium deutschlandweit fast 320.000 Bürgergeld-Haushalte nicht die kompletten Wohnkosten erstattet. Bei der Miete mussten sie im Schnitt rund 111 Euro monatlich selbst tragen – mehr als ein Fünftel der Kosten. Wer bei den Heizkosten zuzahlen musste, zahlte im Monat rund 55 Euro aus der eigenen Tasche. Besonders viel mussten Haushalte mit Kindern drauflegen – im Schnitt rund 124 Euro jeden Monat.

In Brandenburg gibt es vergleichsweise viele günstigere Wohnungen

Regional gibt es dabei große Unterschiede. Am größten war der Anteil der Bürgergeld-Haushalte mit Zuzahlung zuletzt in Rheinland-Pfalz (17 Prozent), gefolgt von Baden-Württemberg (15 Prozent), dem Saarland (14,5 Prozent) und Niedersachsen (14 Prozent). Am seltensten draufzahlen mussten Bürgergeld-Empfänger in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Bremen, wo es noch vergleichsweise viele günstige Wohnungen gibt.

„Wer im Bürgergeld überhaupt noch eine Wohnung in Innenstädten bekommt, zahlt drauf und spart sie sich vom Munde ab“, sagt die Linken-Abgeordnete Caren Lay.
„Wer im Bürgergeld überhaupt noch eine Wohnung in Innenstädten bekommt, zahlt drauf und spart sie sich vom Munde ab“, sagt die Linken-Abgeordnete Caren Lay.dts/imago

Trotz der Einführung einer Karenzzeit sei die Wohnkostenlücke im letzten Jahr noch einmal größer geworden, beklagt die Linken-Abgeordnete Heidi Reichinnek. Seit dem Start des Bürgergelds wird die Kaltmiete neuer Empfänger ein Jahr lang nicht auf Angemessenheit überprüft, sondern immer voll übernommen.

Langzeit-Bezieher dagegen, darunter viele Alleinerziehende, pflegende Angehörige und Aufstocker, würden allein gelassen, sagt Reichinnek. „Sie müssen den Fehlbetrag weiterhin aus dem Regelsatz ausgleichen, der eigentlich für Essen und Kleidung gedacht ist. Das finde ich unerträglich.“ Die Kostengrenzen müssten so weit erhöht werden, dass davon eine Wohnung gemietet und geheizt werden könne. ■