Diese Neuigkeiten sorgen in Berlin gerade für jede Menge Diskussionsstoff: Nach jahrelangem Hin und Her steht fest, dass das frühere Sport- und Erholungszentrum (SEZ) in Friedrichshain dem Erdboden gleichgemacht werden soll. So lautet zumindest der Plan des Berliner Senats, das Grundstück gehört seit kurzem wieder der Stadt. Doch viele halten den SEZ-Abriss für den falschen Weg, immerhin würde so ein wertvolles Stück DDR-Geschichte aus dem Stadtbild verschwinden. Es ist eine verzwickte Lage.
SEZ soll 500 Wohnungen und einer Schule weichen

Das SEZ soll also plattgemacht werden. Wie konnte es so weit kommen, fragt man sich. Hinter dem einstigen DDR-Zentrum für Spiel, Spaß und Sport steckte bis vor kurzem noch ein Investor. Rainer Löhnitz hatte das Grundstück an der Ecke Landsberger Allee und Danziger Straße im Jahr 2003 vom Land Berlin gekauft, für nur einen Euro. Seit 2016 wurde dann vor Gericht verhandelt, ob der Käufer seine vertraglichen Pflichten eingehalten hat. Denn eigentlich sollte er den Badebetrieb wieder aufnehmen. Ende 2023 hat die Stadt schließlich gewonnen: Das SEZ ging nach rund sieben Jahren Rechtsstreit – und mehr als 20 Jahren Leerstand – wieder an Berlin.
Das Land Berlin könne nun wieder über das Grundstück (5,6 Hektar) „verfügen und dieses neu entwickeln“, verkündete Finanzsenator Stefan Evers (CDU) begeistert. Doch wer gedacht hat, dass dieser Schritt eine Wiedereröffnung des SEZ zur Folge haben würde, sollte enttäuscht werden. Im Gegenteil: Man will alles abreißen.
Der Abgeordnete Damiano Valgolio (Linke) hat sich beim Berliner Senat erkundigt, wie es um die Zukunft des SEZ bestellt ist. Im Antwortschreiben der Senatsverwaltung für Finanzen, das dem KURIER vorliegt, heißt es: „Der Senat beabsichtigt, den vom Abgeordnetenhaus am 13. Dezember 2018 beschlossenen und durch Frau Senatorin Lompscher festgesetzten Bebauungsplan umzusetzen.“
So sieht der Bebauungsplan konkret aus: „Es soll ein gemischt genutzter Standort mit hohem Wohnanteil entstehen, zudem werden Flächen für einen dringend erforderlichen Schulstandort mit gedeckten und ungedeckten Sportanlagen geschaffen. Zudem ist unter anderem der Bau von circa 500 Wohnungen vorgesehen.“ Der Bebauungsplan schreibt auch vor, dass mindestens 30 Prozent der zu errichtenden Wohnungen für einkommensschwächere Bevölkerungsgruppen vorzusehen sind.
Muss das SEZ wirklich abgerissen werden?
Das SEZ soll also Wohnungen und einer Schule mit Sportanlagen weichen. Aber könnte man nicht zumindest einen Teil des Geländes erhalten? „Die Umsetzung des Bebauungsplans wird den Abriss des gesamten Gebäudebestands erfordern.“ Deutliche Worte: Der Senat will tabula rasa machen. Dürfen die das, fragt man sich da. Immerhin ist hier die Rede von einem wahrhaftigen Tempel der DDR-Kultur, so heruntergekommen er auch sein mag. „Keines der Gebäude steht unter Denkmalschutz“, argumentiert der Senat.
Doch nur weil das SEZ theoretisch abgerissen werden darf, heißt das nicht, dass man es auch abreißen sollte, findet Damiano Valgolio. Der Sprecher für Arbeit und Wirtschaft der Linke-Fraktion kritisiert die Abriss-Entscheidung gegenüber dem KURIER deutlich: „Unsere Anfrage hat ergeben, dass der Senat die SEZ-Gebäude ohne Prüfung der Bausubstanz abreißen will. Das ist ein Fehler, das SEZ ist ein wichtiges Stück Ost-Berliner Stadtgeschichte“, stellt der Politiker klar.

Valgolio ist der Meinung: „Stattdessen muss der Senat nun als Erstes ein Baugutachten in Auftrag geben, um festzustellen, welche Teile des Gebäudes weiter für Sport- und Freizeitbetrieb genutzt werden können. Ziel muss es sein, einen möglichst großen Teil des historischen Ensembles zu erhalten und schnell ein Freizeitangebot zu schaffen, das der Tradition des SEZ gerecht wird.“
Bürger sollten beim SEZ mitreden dürfen
Wie denkt der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg eigentlich über den drohenden Verlust seines SEZ? Auf KURIER-Anfrage hin erklärt Florian Schmidt (Grüne), der Bezirksstadtrat für Bauen, Planen und kooperative Stadtentwicklung: „Mit der Rückübertragung ist der Bezirk um ein kommunales Grundstück reicher und kann wichtige Bedarfe für die Bevölkerung umsetzen. Neben Schulbau und Wohnungsbau muss dabei auch die baukulturelle und sportpolitische Bedeutung des SEZ berücksichtigt werden.“

Der Bezirksstadtrat will ganz deutlich machen: „Einen Kahlschlag des SEZ kann es nicht geben. Es braucht eine breit angelegte Bürgerbeteiligung, um zu klären, wie dieser Standort nun entwickelt werden soll. Der Bebauungsplan verpflichtet jedenfalls nicht, das SEZ abzureißen. Über die baukulturelle Bedeutung des SEZ erwarte ich eine spannende Debatte in der Öffentlichkeit.“
So denken die Berliner über den geplanten SEZ-Abriss
Der Plan des Senats für das SEZ polarisiert die Berliner. Das zeigt sich auch bei den KURIER-Lesern, die den Abriss aktuell fleißig auf Facebook diskutieren. „Macht wütend und traurig zugleich. Da wird einfach ohne Wenn und Aber für viele Ost-Berliner ein Stück Kindheit und Jugend abgerissen für ein paar Wohnungen. Anstatt mal darüber zu diskutieren, ob es nicht wieder ein außergewöhnliches Spaßbad werden könnte, was es mal war“, zeigt sich ein Leser betroffen. „Das ist ein Skandal!“, betont ein anderer.
Das andere Lager jedoch sagt ganz klar: „Überflüssige Immobilie, haben in Berlin andere Probleme. Richtige Entscheidung.“ Eine weitere Leserin ergänzt: „Wir brauchen die Wohnungen. Man muss auch realistisch sein: Das SEZ wieder in Schwung zu bringen, wäre einfach zu teuer.“
SEZ ist DDR-Geschichte, darum sind viele so traurig

Warum das SEZ den Berlinern am Herzen liegt: Es ist ein ehemaliger DDR-Prachtbau, auf den viele stolz waren, bis heute stolz sind. 1981 wurde das Sport- und Erholungszentrum als Meisterwerk schwedischer Baukunst mit viel Tamtam von DDR-Staatschef Erich Honecker eröffnet. Entworfen wurde das SEZ von Ehrhardt Gißke, der auch an der Planung für den Palast der Republik beteiligt war. Das SEZ war ein absoluter Publikumsmagnet: Allein im ersten Jahr kamen fünf Millionen Besucher, nach fünf Jahren waren es bereits 16 Millionen Gäste.
Kein Wunder, die Ausstattung war sensationell: Im Gebäude befanden sich unter anderem ein Schwimmbad mit sieben Becken, eine Sporthalle, eine Sauna mit 60 Plätzen, ein Bowlingcenter mit 16 Bahnen, ein Polarium (Schlittschuhe oder Rollschuhe) und verschiedene Sportstudios (Ballett, Gymnastik und mehr). Absolutes Highlight war natürlich das Wellenbad. Kurzum: Das SEZ war DIE Anlaufstelle für Familien und Hobbysportler. Viele ehemalige Ost-Berliner haben hier etliche glückliche Stunden verbracht.
Hat die Stadt keine andere Wahl?

Doch so prachtvoll und spaßig das SEZ mal gewesen sein mag, heute ist es heruntergekommen. Es lässt sich nicht schönreden, der Anblick ist traurig: Die Fassade ist mit Graffitis vollgeschmiert, die Fenster sind mit Brettern zugenagelt. Vor dem früheren Haupteingang steht ein hässlicher, zuplakatierter Bauzaun. Dass hier über Dekaden nichts passiert ist, ist dem SEZ deutlich anzusehen. Die Gründe für den langen Stillstand sind vielfältig. Zum einen waren dem bisherigen Besitzer Rainer Löhnitz aufgrund seines langen Streits mit der Stadt die Hände gebunden: Er konnte seine Pläne seit dem Kauf 2003 nie umsetzen.
Doch die Pechsträhne des SEZ reicht noch viel weiter zurück: Nach der Wende wurde der einst so erfolgreiche Betrieb zu teuer. Zunächst ging der DDR-Tempel in den Besitz des Senats über, 1999 übernahmen die Berliner Bäderbetriebe das Haus. Doch die nötigen Sanierungsmaßnahmen für Spaßbad und Co konnte man sich nicht leisten. Anfang der 2000er hieß es noch, der Senat würde Millionen in das Gebäude pumpen, doch dazu sollte es nie kommen. 2002 musste das SEZ schließen. Seither herrscht Stillstand.
Seit mehr als 20 Jahren zerfällt der Bau langsam, aber sicher. Eine vollständige Sanierung des SEZ und die Wiederherstellung des Spaßbadebetriebs würden Schätzungen zufolge einen zweistelligen Millionenbetrag kosten. Ein Fass ohne Boden also. Finanziell betrachtet, lässt sich die Entscheidung des Senats somit nachvollziehen.