Na, sind Sie schon auf die Jagd nach bunten Scheinchen gegangen? In Berlin liegt das Geld nämlich neuerdings auf der Straße – im wahrsten Sinne des Wortes. Es gibt einen neuen Trend in den sozialen Netzwerken, der vor allem junge Menschen zu Schatzsuchern macht: Die einen verstecken Geldscheine in der Öffentlichkeit, die anderen suchen danach – und wer die Kohle findet, darf sie behalten. Klingt verrückt, ist aber eine tolle Idee. Denn sie lässt uns wieder zu Entdeckern und Abenteurern werden. Ein Gefühl, das wir im grauen Alltag viel zu selten bekommen.
Berliner verstecken Bargeld in öffentlichen Parks – und andere dürfen danach suchen
Erst in der vergangenen Woche wurde ich darauf aufmerksam, dass es auf Instagram Seiten mit klangvollen Namen wie „Geocash“ und „Free Cash Berlin“ gibt. Zu sehen sind dort kurze Videoclips, oft nur wenige Sekunden lang. Zum Beispiel dieser: Die Hand eines anonymen Berliners stopft einen 20-Euro-Schein in das Astloch eines Baumes. Es folgt ein Kameraschwenk, der den Park zeigt – wer die Gegend erkennt, kann herkommen, den Baum suchen, sich das Geld schnappen.
Minuten nach dem Auftauchen solcher Videos, so berichtete es der RBB, kommen aus allen Himmelsrichtungen junge Menschen angerannt, auf der Suche nach dem Geld. Etliche Male passiert das jeden Tag, denn nachdem die erste dieser Geldverstecker-Seiten das Licht der Welt erblickt hatte, wurde das Spiel schnell zum Phänomen. Mehr als 40.000 Menschen hoffen etwa auf der Seite „Geocash Berlin“ darauf, sich so mal einen Zehner oder einen Zwanziger zu schnappen. Und das, obwohl es ihnen laut dem RBB-Bericht gar nicht ums Geld geht. Sondern um das Gefühl, ein kleines Abenteuer zu erleben und den Schatz zu finden.
Ich liebe diese Idee, denn das Bedürfnis, Abenteuer zu erleben, kenne ich schon lange. Seit mehr als zehn Jahren gehe ich dem Geocaching nach, einer modernen Schnitzeljagd, bei der kleine Behälter mit Logbüchern gesucht werden, in die man sich einträgt – ähnlich wie beim Gipfelbuch der Bergsteiger. Zum ersten Mal kam ich damit in Kontakt, nachdem ich mit einer Kollegin 2014 in einer Kneipe war. Es gab besonders günstige Schnäpse in der Spelunke irgendwo in der Frankfurter Allee – und als wir angeheitert den Laden verließen, sagte sie: „Komm‘, wir suchen noch ’ne Dose!“ Ich wusste erst nicht, was sie meinte, und folgte ihr zu einer Parkbank in der Nähe. Darunter hing, mit einem Magneten befestigt, eine kleine Filmdose mit dem Büchlein.

In dem Moment öffnete sich für mich eine Welt. Jemand hatte dieses kleine Döschen dort befestigt, damit andere es finden konnten. Schon mehrfach war ich hier vorbeigegangen, ohne es zu bemerken. An wie vielen Orten in dieser Stadt, in diesem Land, auf dieser Welt war ich bereits gewesen, ohne auch nur zu ahnen, dass diese solche kleinen Geheimnisse bergen? Also ging ich unter die Geocacher. Seitdem finde ich jede Woche solche Schätze, in dieser Woche kommt der 4000. auf mich zu. Und ich liebe es, dieses Gefühl, nach etwas zu suchen – und dann die Entdeckung zu machen.
Dass viele das wollen, zeigt der Hype um die Escape-Rooms – mit Rätseln gespickte Räume, aus denen man entkommen muss, ein Freizeit-Trend seit Jahren. Ende 2023 überraschten die TV-Stars Klaas Heufer-Umlauf und Joko Winterscheidt Fernseh-Deutschland mit einer Schatzsuche: Wer mehrere Rätsel löste, hatte die Chance, einen Koffer mit einer Million Euro zu entdecken. Und auch wenn schnell klar war, in welcher Region der Schatz versteckt ist, knobelten alle bis zum Schluss mit. Es war eben ein Abenteuer.
Die Beispiele zeigen: Der Wunsch, zum Entdecker zu werden, steckt tief in uns. Ich finde, dass wir uns das häufiger gönnen sollten in unserem Alltag, der oft vor allem aus Routinen besteht. Denn könnte der nicht ab und zu ein kleines Geheimnis vertragen? Auch deshalb hoffe ich, dass den Geld-Versteckern die Knete so schnell nicht ausgeht. Dass sie weiterhin Scheinchen in Astlöchern, hinter Plakatwänden und an Bushaltestellen deponieren. Damit andere suchen können – und für einen Augenblick die Chance bekommen, sich wie Indiana Jones zu fühlen. Auch wenn der Grund dafür nur ein Zehner in der Astgabel ist.
Florian Thalmann schreibt eigentlich jeden Mittwoch über Tiere – aber manchmal auch über Berliner Befindlichkeiten. Kontakt per E-Mail: wirvonhier@berlinerverlag.com ■