Gefährliche Salpetersäure

Säure-Angriffe in Marzahn: Einbrecher haben es auf Plattenbauten abgesehen

Üblicherweise gehen Einbrecher mit Gewalt vor, doch Lärm kann in Mietshäusern auffallen. Eine andere Methode ist lautlos und kann zu Verletzungen führen.

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Die Säure-Einbrecher bevorzugen Berliner Plattenbauten in den Bezirken Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg und Friedrichshain.
Die Säure-Einbrecher bevorzugen Berliner Plattenbauten in den Bezirken Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg und Friedrichshain.Gambarini/imago

Vor gut einem Jahr schrieb der KURIER über die neuen Tricks der Einbrecher. Die Polizei warnte damals vor einer lautlosen Methode: vor konzentrierter Salpetersäure, mit denen Profi-Einbrecher die Schlösser von Wohnungstüren knacken, die sie dann lautlos öffnen können. Es ist eine perfide und zugleich gefährliche Methode von Einbrechern, die für ahnungslose Mieter Risiken birgt. Seit zwei Jahren sind solche Fälle von professionellen Einbrüchen in Berlin bekannt. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Thema.

Wie viele Säure-Einbrüche gab es zuletzt? 
Insgesamt 318 Taten mit Säure zählte die Polizei in der Hauptstadt von 2022 bis in den Frühsommer 2024, darunter waren 151 Versuche, die nicht zum Erfolg führten. Es gibt kaum Fotos, die die Zerstörungen durch Säure dokumentieren. Zuletzt wurden in diesem April 21 derartige Einbrüche angezeigt. Im Vergleich zu der Gesamtzahl von zuletzt 8300 Einbrüchen im Jahr 2023 ist das nicht sehr viel. Allerdings kann die Säure auch zu Verletzungen führen.

Säure-Einbrecher bevorzugen Plattenbauten in Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf und Friedrichshain

Was macht Salpetersäure so gefährlich?
Setzen Einbrecher Säure am Türschloss ein, wird es auch körperlich gefährlich. „Die mitgeführte Salpetersäure ist hoch ätzend und kann somit zur Verätzung der Hautoberfläche und Schleimhäute führen“, warnt die Polizei. „Berühren Sie die Flüssigkeit nicht, auch nicht mit Handschuhen“, hieß es in einem Beitrag auf der Plattform X zu einem Foto einer giftig grün schimmernden Flüssigkeit vor einer Tür.

Eine Flasche mit Salpetersäure: Mit der gefährlichen Flüssigkeit zerstören Einbrecher Schlösser von Wohnungstüren, die sie dann fast lautlos öffnen können.
Eine Flasche mit Salpetersäure: Mit der gefährlichen Flüssigkeit zerstören Einbrecher Schlösser von Wohnungstüren, die sie dann fast lautlos öffnen können.Sben Hoppe/dpa

Verwendet werde „reine, hochkonzentrierte Salpetersäure“, die eine der stärksten Mineralsäuren sei und besonderen Sicherheitsvorkehrungen unterliege, antworteten Senat und Polizei 2023 auf eine Anfrage der CDU. Die Säure reagiere mit den meisten Metallen, etwa Eisen und Kupfer in Schließzylindern. Dabei entstehe giftiges Gas wie Stickstoffdioxid mit einem stechenden Geruch. Angegriffen würden auch organische Materialien wie das Holz von Türen oder Fußböden. „Salpetersäure unterliegt der Chemikalien-Verbotsverordnung sowie dem Ausgangsstoffgesetz und ist nicht frei verkäuflich“, erklärt die Polizei.

Welche Wohnungen haben die Banden vor allem im Blick? 
Die ersten Einbrüche in Berlin mithilfe von Salpetersäure wurden im 3. Quartal 2022 festgestellt worden. Im Visier der Banden sind nach den Ermittlungen der Polizei „ausschließlich Wohnungen in meist mehrstöckigen Wohnhäusern“. Vor allem sanierte Plattenbauten aus der DDR mit zehn bis elf Stockwerken in den Stadtteilen Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf und Friedrichshain seien betroffen. Dort gebe es viele Mieter, häufige Wechsel der Bewohner, dadurch sei „eine gewisse Anonymität gegeben, die sich begünstigend für solche Taten auswirken kann“.

Wie gehen die Täter vor? 
Zwischen Tür und Türrahmen befestigen die Einbrecher „spinnwebenartige Klebefäden“, die „für das bloße Auge kaum zu erkennen und nur unter Taschenlampenlicht sichtbar“ seien, so die Polizei. Ein oder zwei Tage später kontrollieren sei die Fäden, um festzustellen, ob die Tür geöffnet wurde oder ob die Bewohner länger abwesend sind. Dann spritzen sie die Säure in den Schlosszylinder aus Metall, das teilweise zerstört wird. „In der Folge können die Täter die Wohnungstüren ohne großen Aufwand und Lärmentwicklung öffnen und die Wohnung betreten“, so die Polizei.

Das von der Berliner Polizei veröffentlichte Foto zeigt die ätzende, grünliche Flüssigkeit, die nach einem Einbruch auf dem Boden zurückblieb.
Das von der Berliner Polizei veröffentlichte Foto zeigt die ätzende, grünliche Flüssigkeit, die nach einem Einbruch auf dem Boden zurückblieb.Polizei Berlin/dpa

Wie erkennt man einen Säure-Einbruch an der Tür? 
Von außen sind an der Tür Spuren einer Flüssigkeit und Beschädigungen am Holz zu erkennen, wie Fotos von Betroffenen im Internet zeigen. Eine Wohnungsbaugenossenschaft in Berlin-Friedrichshain warnte 2023: „Wenn Sie auffällige Verfärbungen (meist gelb, grün oder bräunlich) oder einen beißenden Geruch im Türschlossbereich von Haus-, Keller- oder Wohnungstüren wahrnehmen, vermeiden Sie jeglichen Hautkontakt und halten Sie Abstand, um mögliche Dämpfe nicht einzuatmen.“

Die genaue Zahl der Verdächtigen und ihre Nationalität verrät die Polizei nicht

In welchen Regionen kommt es zu diesen Einbrüchen? 
Die Einbrecher schlagen mit Säure nicht nur in Berlin zu. „In Deutschland konnten bisher vereinzelt Taten in Hamburg und Dresden festgestellt werden“, teilt die Polizei mit. Das Phänomen sei auch in Belgien, Frankreich und Österreich bekannt. Nach den ersten Festnahmen der Berliner Polizei habe sich der Schwerpunkt der Säure-Einbrüche erneut nach Wien und Paris verlagert, einzelne Fälle seien im Anschluss auch in Portugal aufgefallen.

Inzwischen konnten die Einbruchsfahnder im Landeskriminalamt (LKA) bereits mehrere Verdächtige identifizieren, von denen über internationale Haftbefehle auch einige gefasst werden konnten und in Untersuchungshaft sitzen. Nach weiteren Einbrechern wird gefahndet. Die genaue Zahl der Verdächtigen und ihre Nationalität will die Polizei wegen der laufenden Ermittlungen nicht verraten.

Kann man sich gegen diese Einbruchart schützen? 
Spezielle Schutzmaßnahmen gegen die Säure gibt es nicht. Die Polizei rät unter Umständen zu einem zweiten Türschloss mit anderer Bauart. Im Internet verweist ein Nutzer auf Wasser und Basen wie Natronlauge, um stark ätzende Salpetersäure zu neutralisieren. Chemiekenntnisse schaden also nicht. ■