Plüschiger, schwarzer Teppichboden, ein niedriges Bett ohne Decken und Kissen, ein Ledersessel und gedämmtes Licht. Das kleine Zimmer in einem Berliner Bordell ist der Arbeitsplatz von Louise. Wir nennen sie so, weil sie ihren echten Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Der Grund: Die Berliner Prostituierte lebt seit Jahren ein geheimes Doppelleben. Nicht einmal der Mann, mit dem sie seit Jahren zusammen ist, weiß davon, dass sie ihren Körper gegen Geld verkauft. Im KURIER erzählt sie ihre Geschichte.
„Bitte setzt dich doch“, sagt Louise. Sie zeigt auf den Ledersessel. Für das Interview müssen wir der jungen Frau komplette Anonymität zusichern. Denn: „Bei mir weiß niemand, was ich mache“, sagt sie. Schon seit 13 Jahren übt sie diesen Beruf aus und lebt ein ausgetüfteltes Doppelleben. „Damals studierte ich BWL und Jura. Und brauchte schnelles Geld mit möglichst wenig Arbeitszeit.“ Vor ein paar Jahren lernte sie ihren Freund kennen, er weiß auch nichts von ihrem Beruf. „Ich würde ihn nie im Privatleben betrügen.“
Die Sonne wirft Schatten durch die herabgelassenen Jalousien. „Ich bin treu! Ich denke, mein Freund ist das auch. Es ist halt mein Job, ich verdiene damit mein Geld. Er kam nach dem Job … Ich trenne es ganz strickt, es ist mein zweites Leben, und es hat nichts mit meinem ersten Leben zu tun.“
Könntest du dir vorstellen, zum Männerbordell gehen?
Wie hat alles angefangen? „In einer Boulevardzeitung sah ich die Annonce, Modelle gesucht stand da … diskret war es. Ich kann mich an meinen ersten Auftrag erinnern, ich hatte keine Angst, war gespannt.“ Und wie ist der Alltag heute so? „Wir haben keine festen Arbeitszeiten. Die Arbeitstage fallen unterschiedlich aus, mal lang und mal kurz. Und grundsätzlich geht es natürlich darum, ob ich auch Lust habe, zur Arbeit zu fahren.“
Dann lacht sie: „Und wenn man gerade eine große Rechnung zu bezahlen hat, dann ist man motivierter.“ Sie lehnt sich zurück: „Ich kann gut davon leben und kann mir momentan auch keinen anderen Beruf vorstellen.“
Und andersherum? Könntest du dir vorstellen, in ein Männerbordell gehen? „Theoretisch schon. Aber gibt es solche?“ Sie lacht. „Der Grund, warum es keine gibt, könnte ja sein, dass Frauen zu verkopft sind, um sich eine derartige Illusion zu kaufen, wie Männer es im Puff tun.“ Sie erklärt: „Frauen könnten es nicht so gut ausblenden, dass der Mann, mit dem sie im Bett sind, es vorrangig für das Geld tut – und nicht, weil er Lust darauf hat.“
„Viele glauben, es ist ein Muss – aber es ist meine Berufswahl!“
In ihrem Beruf ist Louise auch mit vielen Vorurteilen konfrontiert, erzählt sie. „Viele glauben, dass ich dazu gezwungen werde, aber es ist doch meine Berufswahl. Wenn ich sowas in den Medien sehe, ärgert es mich. Denn für mich ist es befremdlich, wenn Leute diesen Beruf als Zwang oder Ausbeutung beschreiben, weil ich in meinen 13 Jahren Berufserfahrung nie so eine Erfahrung gemacht habe. Bestimmt gibt es das, aber ich habe es nicht erlebt.“

Und was denkt Louise über das Deutsche Prostitutionsgesetz? „Für mich ist es perfekt. Wenn die Politik vom schwedischen Modell redet, fühle ich, dass ich in meiner freien Berufswahl und in meinen Persönlichkeitsrechten begrenzt werden würde.“ 1999 war Schweden das erste Land der Welt, das den Kauf von Sexualdienstleistungen kriminalisierte. „Und rein gesellschaftlich wäre es eine Kehrtwende und ein Rückschritt. Für mich würde es bedeuten, dass ich heimlich arbeiten müsste, ohne Schutz, Rechte und Ansprüche. Aber ich habe ja Ansprüche!“
„Man merkt, wenn ein Bursche zu viele Pornos guckt ...“
Für eine halbe Stunde nimmt sie ungefähr 100 Euro, mehr wird es bei zusätzlichen Wünschen und Extras und Zeit – und das natürlich nur gegen Absprache. „Was die Leute in Pornos sehen, ist kein Standard im Bordell. Lustig, oder? Man merkt schon, wenn ein Mann zu viele Pornos guckt ...“ Warum? „Weil man sofort merkt im Umgang, dass er so ’ne Porno-Nummer abzieht, und erwartet, dass wir wie eine Pornodarstellerin agieren. Das machen wir aber nicht standardmäßig. Keine Stellungsakrobatik und so.“
„Ich mag nicht kuscheln und küssen, das ist mir zu intim“
Sie erklärt: „Auch mag ich nicht kuscheln und küssen, das ist mir zu intim. Und die emotionale Ebene bedienen wir auch nicht, weil man eine Grenze ziehen und eine Distanz zum Gast wahren muss.“
Besonders mag sie an ihrem Beruf die unterschiedlichen Menschen, mit denen sie es zu tun hat – es sei manchmal wie eine kleine Sozialstudie, sagt sie. Man erlebe jeden Tag andere Menschen und Dinge.
Nur eines bliebe immer gleich: Die Stöckelschuhe, die sie bei der Arbeit trägt. „Barfuß haben die meisten es ja Zuhause“, sagt sie. Und was macht einen guten Liebhaber aus? „Das spielt keine Rolle in meinen Beruf. Ich erwarte Höflichkeit.“ Sie guckt auf die Uhr, es ist kurz nach halb neun. Dann klingelt es an der Tür, der nächste Gast, Louise muss zurück an die Arbeit.