Interview

Karoline Preisler über Antisemitismus, Hass im Netz und den Kampf für israelische Geiseln

Die Dauergegendemonstrantin hat sich in einem Interview dazu geäußert, ob sie weiterhin protestieren will - obwohl die Geiseln der Hamas nun frei sind.

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Karoline Preisler (FDP) bei einer Gedenkveranstaltung vor der Botschaft von Israel in Berlin
Karoline Preisler (FDP) bei einer Gedenkveranstaltung vor der Botschaft von Israel in BerlinBernd von Jutrczenka

Zwei Jahre lang stand Karoline Preisler mit einem Schild auf Berliner Straßen: „Until the last hostage“. Zwei Jahre, in denen die FDP-Politikerin unermüdlich auf das Schicksal der israelischen Geiseln im Gazastreifen aufmerksam machte. Im Gespräch mit der Berliner Zeitung zieht sie Bilanz – und spricht über Antisemitismus, Hass im Netz und ihre Sorge um die Zukunft ihrer Töchter.

„Mit dem Slogan ‚Until the last hostage‘ hatte ich vor allem mir selbst ein Versprechen gegeben“, sagt Preisler. „Insofern: The job is done, ja. Andererseits fehlen noch sehr viele tote Geiseln.“ Für die Angehörigen gehe es um Gewissheit, um einen Ort zum Trauern. Auch die sterblichen Überreste deutscher Staatsbürger seien noch nicht gefunden.

Auch Juden haben Menschenrechte

Dass das Thema in Deutschland kaum Beachtung fand, hält Preisler für bezeichnend. „Ich glaube, die Dinge, die wir auf den Demonstrationen seit zwei Jahren erleben, füttern die Rechten, so dass dieser rechte Mainstream irgendwann kaum noch aufgelöst werden kann – auch nicht mit einer Demo gegen rechts.“ Viele der Teilnehmer solcher Veranstaltungen hätten ein Problem damit, anzuerkennen, „dass auch Juden Menschenrechte haben und jüdische Frauen ein Recht auf sexuelle Selbstbestimmung“.

Besonders scharf kritisiert Preisler die Doppelmoral im Umgang mit Antisemitismus: „Früher hat man Antisemiten mit Glatze und Springerstiefeln erkannt und klare Kante gezeigt. Seitdem Antisemiten Hornbrille tragen, im feinen Zwirn auftreten oder migrantisch sind, hat niemand Probleme damit. Man kann nicht gegen Rechtsextremismus sein und Islamismus hierbei ausblenden.“

Die Begegnungen mit Angehörigen und Überlebenden der Geiseln hätten sie tief geprägt. „Ich schäme mich bis heute, weil ich immer denke: Ich stehe mit meinem Bürohintern auf, hole mein Din-A4-Blatt in Klarsichtfolie und sage, es ist nicht in Ordnung, Frauen zu vergewaltigen. Und dann sagen die Überlebenden: ‚Vielen Dank dafür!‘ Das ist schwer auszuhalten.“

In Israel besuchte Preisler ein Zentrum für Opfer sexueller Gewalt. „Nichts konnte mich auf das vorbereiten, was ich dort gesehen habe“, sagt sie. „Diese Täter werden nie begreifen, wo unser Problem ist, wenn sie Frauen die Brüste abgeschnitten, in die Körper geschossen oder Metallteile in Vulva und Vagina gerammt haben. Das war kein Zufall, sondern eine Strategie.“

Preisler wird regelmäßig von der Polizei geschützt. Im Netz erlebt sie massive Anfeindungen. „Das antisemitische Grundrauschen war auch vor dem 7. Oktober da“, sagt sie. „Aber Vergewaltigungsdrohungen habe ich von Rechten nie bekommen.“ Die Bedrohungen kämen heute „von Islamisten und von Linken“. Besonders verstörend sei, dass sich auch Frauen beteiligen: „Gerade beim Thema Nova Festival waren es oft Frauen, die sagten, diese jüdischen Schlampen hätten es verdient. Meine Töchter kommen in feministischer Hinsicht in ein viel schlechteres Leben als ich es hatte.“

Trotz allem erfährt Preisler auch Unterstützung. „Ich bekomme ganz viel Wertschätzung – auch aus der Politik, parteiübergreifend“, sagt sie. Katrin Göring-Eckardt habe ihr Blumen geschickt, der israelische Botschafter in Georgien ihr auf X geschrieben. „Die Leute, die mich filmen wollten, um mich einzuschüchtern, haben das Gegenteil erreicht.“

Dass sie selten als Gesicht der FDP wahrgenommen wird, stört sie nicht. „Menschen wählen Menschen. Parteien müssen wieder auf Personal setzen, das authentisch ist.“ Preisler sieht sich als Stimme der Zivilgesellschaft: „Es ging zuletzt um alles – Menschenrechte, Sicherheit, Migrationspolitik, Terrorismusbekämpfung, Bildung. Wenn man was will, muss man es vormachen. Ich habe es vorgemacht.“