Lebkuchen und Co. sind da

O, du fröhliche! Warum es in Läden jetzt schon weihnachtet

Seit Tagen füllen sich die Regale in den Supermärkten mit Lebkuchen, Dominosteinen oder Stollen. Dabei ist noch Sommer. Der KURIER erklärt, warum in den Läden schon jetzt die Weihnachtszeit begonnen hat.  

Author - Norbert Koch-Klaucke
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Man mag es kaum glauben: Es ist noch Sommer und in den Berliner Supermärkten gibt es schon Weihnachtsstollen zu kaufen.
Man mag es kaum glauben: Es ist noch Sommer und in den Berliner Supermärkten gibt es schon Weihnachtsstollen zu kaufen.Norbert Koch-Klaucke

Die Mehrheit der Deutschen will es nicht. Und dennoch füllen sich alle Jahre wieder noch im Sommer die Regale der Supermärkte mit Lebkuchen, Dominosteinen, Baumkuchen und Stollen. Vor wenigen Tagen ging es damit wieder los, als wir in Berlin noch Temperaturen von über 30 Grad Celsius hatten. Warum es in den Läden schon jetzt weihnachtet? Der KURIER ging der Frage nach.

Einer, der es wissen müsste, ist Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbandes Berlin-Brandenburg. Er lacht. „Alle Jahre wieder muss ich zu dieser Zeit die Frage beantwortet. Und ich sage dann stets: Weil die Kunden schon seit Jahren zum Sommerende beim Weihnachtsgebäck gerne zugreifen.“

Der Einzelhandelsverbandschef findet es auch gar nicht schlimm, dass es in den Supermärkten recht verfrüht diese weihnachtlichen Leckereien gibt. In der Londoner Oxford Street etwa biete ein Warenhaus das ganze Jahr über Weihnachtsprodukte an, meint Busch-Petersen. „Und in Belgien gibt es das ganze Jahr lang Spekulatius.“

Nun gut, Spekulatius ist auch irgendwie das Nationalgebäck der Belgier. Aber in Deutschland? Der Einzelhandelschef erzählt von einem Erlebnis: „Als ich die aktuelle Ausgabe der Kirchenzeitung aufschlug, fand ich einen Prospekt, der für Fair-Trade-Schokoladennikoläuse warb. Und die Zeitung lag bei mir schon am 28. August im Briefkasten. Das nenne ich einen Rekord.“

Vor über drei Jahrzehnten war das alles noch anders. Da gab es im Osten wie im Westen des Landes die Weihnachtsnaschereien meist erst ab November. Also, wer kam denn nun auf die Idee, schon im Sommer Festtagsgebäck zu verkaufen?

Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg
Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Berlin-BrandenburgSabine Gudath

Eine Frage, deren Antwort offenbar niemand so richtig kennt. Egal wo man nachfragt, ob bei den Discountern und Supermärkten von Aldi bis Rewe, immer wieder heißt es: „Die Nachfrage nach diesen Produkten ist schon jetzt besonders groß, so ist es seit über 25 Jahren“, heißt es etwa.

Kaufland erklärt: „Viele unserer Kunden freuen sich schon das ganze Jahr über auf Weihnachten und wollen daher nicht nur in der Vorweihnachtszeit Plätzchen essen.“ Die Supermarkt-Kette Norma argumentiert: „Grundsätzlich stellen wir fest, dass das Weihnachtssortiment in ganz Deutschland bereits jetzt bei den Kunden gut ankommt.“

Weihnachtsgebäck im Sommer: Lieben das die Kunden wirklich?

In den Supermarktregalen herrscht schon Weihnachtsstimmung.
In den Supermarktregalen herrscht schon Weihnachtsstimmung.Henning Kaiser/dpa

Doch stimmt das wirklich? Laut einer aktuellen Yougov-Umfrage lehnen Zweidrittel der deutschen Kunden einen Verkaufsstart von Weihnachtsgebäck ab dem August ab (65 Prozent). Dabei ist die Ablehnung unter Frauen (70 Prozent) größer als unter Männern (60 Prozent).

Ebenso ist die Zahl der Kunden hoch, die Lebkuchen oder Plätzchen erst im November (41 Prozent) oder Dezember (22 Prozent) kaufen. 14 Prozent würden schon im Oktober nach den Produkten greifen. Aber nur jeder Zehnte kauft Weihnachtsgebäck früher. Nur drei Prozent seien es im August.

Die Yougov-Meinungsforscher fanden bei ihrer Umfrage heraus, dass die Deutschen am liebsten Lebkuchen (41 Prozent) essen. Es folgen Spekulatius oder Plätzchen (jeweils 33 Prozent) sowie Dominosteine (25 Prozent). Plätzchen sind bei Frauen begehrter, Männer essen lieber Stollen.

In einigen Supermärkten sind auch schon die Schoko-Weihnachtsmänner im Angebot.
In einigen Supermärkten sind auch schon die Schoko-Weihnachtsmänner im Angebot.Henning Kaiser/dpa

Glaubt man der Umfrage, bei der 2027 Deutsche Ende August befragt wurden, kommt der Verdacht auf: Die Industrie will uns schon recht verfrüht das weihnachtliche Gebäck schmackhaft machen, um womöglich damit auch für einen längeren Zeitraum daran zu verdienen als nur bei dem Verkauf in der kurzen Weihnachtszeit.

Die Lager sind voll: Darum gibt es Lebkuchen im Sommer

Die Produktion läuft auf vollen Touren: Frisch gebackene Lebkuchen aus dem Ofen liegen hier in einer Fabrik auf einem Band.
Die Produktion läuft auf vollen Touren: Frisch gebackene Lebkuchen aus dem Ofen liegen hier in einer Fabrik auf einem Band.Daniel Karmann/dpa

Kein Wunder: Denn in den Süßwarenfabriken läuft die Herstellung von Stollen, Lebkuchen und Co. im Hochsommer auf Hochtouren. Über 86.800 Tonnen Lebkuchen wurden allein vergangenes Jahr in Deutschland produziert, wie das Statistische Bundesamt mitteilt. Auch wenn vieles davon ins Ausland geht, bleibt der Großteil der Ware im Herstellerland. Und die muss weg. Denn die Lager sind voll.

Damit das festliche Gebäck noch im Sommer seinen Weg zum Kunden findet, lassen sich die Produzenten allerlei einfallen. Und so wirbt ein Hersteller aus Nürnberg, dass Lebkuchen keine weihnachtliche Saisonware sei.

„Ursprünglich waren Lebkuchen das ganze Jahr über erhältlich und zu genießen. Der 30-jährige Krieg brachte auf einmal Rohstoffmangel und genau der führte dazu, dass die köstlichen Lebkuchen nur noch im Winter bzw. zur Weihnachtszeit zu bekommen waren“, heißt es vom Hersteller.

Warum also diese Aufregung? Schließlich sieht auch der Bundesverband der Süßwarenindustrie Lebkuchen und Co. gar nicht als Weihnachtsnaschwerk an, sondern bezeichnet es einfach als Herbstgebäck, wie es auf der Internetseite des Verbands steht. Wen wundert es da noch, wenn das weihnachtliche Zeug schon jetzt im Supermarkt angeboten wird? ■