Der klare KURIER-Kommentar

Weihnachts-Süßigkeiten bei 30 Grad: Ja, habt ihr sie denn noch alle?

Schon seit Tagen stehen Lebkuchen, Dominosteine und Co. in den Regalen. Geht es wirklich immer früher los – und warum gibt es die Naschereien schon jetzt?

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Lecker! Nichts geht über einen leckeren Schoko-Weihnachtsmann bei 30 Grad im Schatten. Die Weihnachts-Süßigkeiten sind bereits in die Supermärkte eingezogen.
Lecker! Nichts geht über einen leckeren Schoko-Weihnachtsmann bei 30 Grad im Schatten. Die Weihnachts-Süßigkeiten sind bereits in die Supermärkte eingezogen.Manfred Segerer/imago

Es gibt Probleme in unserem Alltag, über die man sich herrlich aufregen kann. Eines davon ist mir schon vor ein paar Tagen begegnet – und es dauerte etwas, bis ich meine Gedanken sortiert hatte. Tatsächlich sah ich schon in der vergangenen Woche die ersten Weihnachts-Süßigkeiten im Supermarkt meines Vertrauens. Große Schachteln warteten dort – mit Lebkuchen-Herzen, mit Plätzchen, mit Dominosteinen. Zugegeben: Dass die Produkte immer schon früh im Regal stehen, ist nichts Neues. Und doch frage ich mich jedes Jahr: Haben die sie eigentlich noch alle?

Lebkuchen bei 30 Grad: Warum gibt es die Weihnachts-Süßwaren schon jetzt?

In diesem Jahr habe ich mir noch ungläubiger die Augen gerieben als sonst. Was womöglich daran liegt, dass die Wetter-Experten gerade von der längsten Hitze-Welle des Jahres sprechen, weil es sein könnte, dass wir noch im September unter Temperaturen um die 30 Grad ächzen. Das vergangene Wochenende war, zumindest am Tag, eine Qual. Die Nacht auf Sonntag für mich der Horror! Schon um 4 Uhr am Morgen bin ich schweißgebadet aufgewacht. Ich weiß nicht, an was Sie so denken, wenn Ihnen das passiert – aber das letzte, an das ich denke, sind gebrannte Mandeln oder Schachteln mit der Aufschrift „Herzen, Brezeln, Sterne“.

Die Aufsteller mit den Süßwaren waren, obwohl im Supermarkt reger Betrieb herrschte, ziemlich verwaist. Ich bin kurz daran vorbeigeschlendert, habe mal hier, mal da geschaut. Habe mich kurz gefreut darüber, dass es jetzt Kekse in Form von Lebkuchenmännern gibt, die man auf den Rand der Teetasse stecken kann (gute Erfindung!) – doch dann fiel mir auf, dass es draußen 30 Grad hat. Und dass mein T-Shirt allein vom Spaziergang zum Supermarkt völlig durchgeweicht war. Denkt die Industrie wirklich, dass man um die Zeit Leute für Dominosteine und Spekulatius begeistern kann? Und – falls ja – was haben die geraucht? Tannennadeln?

Lieber Vollmilch oder Zartbitter? Laut Lebensmittel-Produzenten finden Lebkuchen und andere Weihnachts-Leckereien ab September reißenden Absatz.
Lieber Vollmilch oder Zartbitter? Laut Lebensmittel-Produzenten finden Lebkuchen und andere Weihnachts-Leckereien ab September reißenden Absatz.Sabine Gudath/imago

Der Handel selbst hat dazu übrigens eine ganz klare Meinung. Dort heißt es, der Zeitpunkt für die Süßigkeiten hätte sich in den vergangenen Jahren nicht verändert. Es kommt uns nur jedes Jahr so vor, als würde die Ware früher in den Märkten stehen. Und: Tatsächlich landen Lebkuchen, Schoko-Männer und Co. nur DESHALB so früh in den Läden, weil die Leute es auch wirklich kaufen. Wobei man differenzieren muss: Im August ist für Spekulatius und Marzipankartoffeln noch ein sehr schlechter Monat. Ab September aber, wenn die Urlaubszeit endet, steigt offenbar auch die Nachfrage nach Gemütlichkeit. Und damit sind auch Lebkuchen en vogue. „Viele unserer Kunden freuen sich schon das ganze Jahr über auf Weihnachten und wollen daher nicht nur in der Vorweihnachtszeit Plätzchen essen“, heißt es etwa von Aldi.

Warum gibt es schon im August Süßigkeiten für Weihnachten?

Was ich mich allerdings schon frage: Auch wenn der Handel beobachtet, dass das Kaufverhalten das frühe Anliefern der Weihnachts-Süßwaren rechtfertigt – muss es wirklich sein? Nicht alles, was gerechtfertigt ist, ist schließlich auch automatisch gut. Und zum Mysterium um die Weihnachtssüßigkeiten gehört auch die folgende Beobachtung: Wenn es kalt wird, greift man zu, dann futtert man von September bis Dezember Lebkuchen und Co. – und am Ende, wenn die Weihnachtszeit erst da ist, hat niemand mehr Lust darauf.

Gerade standen noch Freibad-Pommes auf der Speisekarte - und plötzlich gibt es gefüllte Herzen. Warum stehen die Weihnachts-Süßigkeiten so früh in den Regalen?
Gerade standen noch Freibad-Pommes auf der Speisekarte - und plötzlich gibt es gefüllte Herzen. Warum stehen die Weihnachts-Süßigkeiten so früh in den Regalen?Karina Hessland/imago

Noch schlimmer: Sobald die Weihnachtstage erreicht sind, hat eigentlich keiner mehr Lust auf Christstollen, Plätzchen und andere Leckereien. Was für eine Verschwendung. Wäre es nicht schöner, man könnte sich in Vorfreude üben, um dann, pünktlich zum ersten Advent, kräftig zuzulangen? Das würde die Weihnachtszeit schöner und besonderer machen. Aber klar: Es steht dem gewünschten maximalen Konsum entgegen - denn dann würden die Hersteller wesentlich weniger Geld verdienen. Ich werde in diesem Jahr jedenfalls versuchen, mich so lange wie möglich zu beherrschen. Machen Sie doch mal mit! 

Vielleicht ist es aber auch das Wetter, das in diesem Sommer der Extreme die Lust auf Weihnachts-Süßigkeiten in diesem Jahr unterdrückt. Und vielleicht rege ich mich auch eine Woche zu früh auf. „Die geäußerte Meinung und das tatsächliche Kaufverhalten klaffen in manchen Bereichen immer mal wieder deutlich auseinander“, sagt übrigens Philipp Hennerkes vom Bundesverbandes des Deutschen Lebensmittelhandels. Was er damit sagen will: Wir alle beschweren uns darüber, am Ende greift aber sowieso jeder zu. Ich kann das für mich nicht behaupten. Und was ist mit Ihnen? Kaufen sie aktuell schon Printen, Lebkuchen und Spekulatius? Schreiben Sie mir Ihre Meinung an leser-bk@berlinerverlag.com – ich freue mich auf Ihre Zuschriften.■