„Drastisch und brutal“

Nach dem Senats-Sparhammer: Der Schaubühne droht der letzte Vorhang

Berlins Theater müssen im nächsten Jahr Millionen einsparen, sind jetzt in ihrer Existenz gefährdet. Kommt es zu Häuserschließungen und Entlassungen?

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Verpufft jetzt alles? Der Schauspieler Lars Eidinger spielt den „Peer Gynt“ in dem Stück von Henrik Ibsen in der Schaubühne.
Verpufft jetzt alles? Der Schauspieler Lars Eidinger spielt den „Peer Gynt“ in dem Stück von Henrik Ibsen in der Schaubühne.Britta Pedersen/dpa

Berlins Theater-Szene funkt S.O.S. Der Hauptstadt fehlen drei Milliarden Euro – und beim Spargipfel des schwarz-roten Senats wurde besonders das Kulturbudget zusammengestrichen. Berlins Bühnen müssen im kommenden Jahr bluten, mit vielen Millionen Euro weniger auskommen. Können die mit den Schrumpf-Etats überhaupt überleben? Das erste Berliner Theater droht jetzt mit Insolvenz.

Die am Dienstag verkündeten Zahlen sind für Berlins Bühnen niederschmetternd: Opernstiftung (Staatsoper, Deutsche Oper, Komische Opern, Staatsballett) minus 15 Mio. Euro, Deutsches Theater (minus 3 Mio.), Friedrichstadt-Palast (minus 1,6 Mio.), Volksbühne (minus 2 Mio.), Berliner Ensemble (minus 1,75 Mio.), Schaubühne (minus 1,8 Mio.) ...

Die Berliner Schaubühne rechnet wegen des milliardenschweren Sparprogramms für den Landeshaushalt mit gravierenden Folgen für das Theater. Die für die Schaubühne vorgesehenen Kürzungen von 1,8 Millionen Euro griffen das Haus in seiner Substanz an, heißt es in einer Mitteilung. Zudem sollen Tarifsteigerungen in Höhe von 700.000 Euro nicht ausgeglichen werden. „Das würde zu einer Insolvenz der Schaubühne bereits Ende 2025 führen.“

Schaubühne: Als erstes schließt die Studiobühne

Zu vermeiden wäre die Insolvenz nur, „wenn die Schaubühne sich einem massiven Abbau- und Umbauprogramm unterzieht und damit das verliert, wofür sie in Berlin und überall auf der Welt steht.“ Erste, bittere Konsequenz: die kleine, experimentelle Spielstätte Studio wird geschlossen.„Der Senat schlägt ein neues Kapitel in der Stadtgeschichte auf, in dem durch die Schwerpunkte im Haushalt abzulesen ist, welchen Stellenwert die Kultur zukünftig in Berlin haben wird“, kritisiert Thomas Ostermeier, seit 1999 der Künstlerische Leiter der Schaubühne.

Die Schaubühne am Kurfürstendamm 153 wurde 1962 gegründet und gehört zu den bekanntesten Theatern Deutschlands. Im Jahr 2023 gab es 495 Vorstellungen, pro Spielzeit kommen etwa zehn Neuproduktionen auf die Bühne, 30 Stücke sind im Repertoire. Zum festen Ensemble gehören 27 Schauspieler, das Haus hatte im vergangenen Jahr 135.000 Zuschauer und war zu 97 Prozent ausgelastet.

Die Welt tickt inzwischen anders ...  Berlin schrumpft den Kulturetat drastisch, der Schaubühne droht die Insolvenz.
Die Welt tickt inzwischen anders ... Berlin schrumpft den Kulturetat drastisch, der Schaubühne droht die Insolvenz.Martin Müller/imago

Zu den Stars des Theaters gehören das langjährige Ermittlerduo des Dortmunder ARD-„Tatorts“, Anna Schudt und Jörg Hartmann, sowie Lars Eidinger („Babylon Berlin“, „25 km/h“).

Auch Lars Eidinger sieht bei den drastischen Kürzungen die Gefahr einer drohenden Insolvenz. „Das klingt dramatisch, ist aber tatsächlich so, weil 90 Prozent feste Ausgaben sind und mit zehn Prozent werden die Neuproduktionen bezahlt“, sagt er in einem NDR-Interview. „Entweder könnte man nicht Neues mehr produzieren, oder man müsste anfangen, im großen Rahmen Mitarbeitende zu entlassen.“ Das umfangreiche Programm wäre nur noch über einen geringen Zeitraum aufrechtzuerhalten, so die Schaubühne.

In Berlin müssen sich viele Kulturbetriebe kommendes Jahr auf erhebliche Einsparungen einstellen. Insgesamt sollen bei ihnen rund 130 Millionen Euro wegfallen, etwa zwölf Prozent ihres Budgets. Grund dafür ist ein milliardenschweres Sparprogramm für den Landeshaushalt, das Vertreter der Regierungskoalition am Dienstag vorgestellt haben. Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) sagt, die Entscheidungen schmerzten. „Wir müssen jetzt schauen, und das hoffe ich auch von den Häusern, auch im Gespräch mit unseren Kultureinrichtungen, wie wir es hinbekommen, dass hier noch wirtschaftlicher gearbeitet wird.“

DT-Intendantin fragt: Was soll Berlin in Zukunft sein?

Betroffen: auch das Berliner Ensemble: Der 20-Millionen-Zuschuss schmilzt um 1,75 Millionen Euro zusammen. „Die jetzige Summe wäre in unserem Fall allein durch das Weglassen von bis zu fünf Produktionen nicht zu leisten“, sagt Oliver Reese der Berliner Zeitung. „Es müssten zusätzlich Stellen nicht wiederbesetzt werden, Probenbedingungen drastisch eingeschränkt werden – aber ob die genannten Einsparsummen so überhaupt zu erreichen sind, ist mehr als fraglich.“

Berlins Kultursenator Joe Chialo (CDU) will noch Änderungen bei den geplanten Streichungen im Kulturbereich erzielen, er nennt sie „drastisch und brutal“. Für ihn sei der Kampf noch nicht vorbei, sagte er dem RBB. „Die nächsten Tage werde ich nutzen, um weiter zu kämpfen, um einzelne Härten abzuwenden und die kulturfachliche Expertise stärker zum Tragen kommen zu lassen.“

Dass das Sparen alle betrifft und auch die Kultur einen ihr möglichen Beitrag leisten muss, versteht auch Iris Laufenberg, die Intendantin des Deutschen Theaters (DT). Sie sagt aber auch zum KURIER: „Es braucht Zeit und Vorbereitungen, um einen Betrieb gründlich zu durchleuchten und die Wirkungen sind nicht immer sofort messbar. Und: Ganz klar ist, auch das DT kann nicht ad hoc und sofort in 2025 drei Millionen Euro einsparen.“

Für wie viele Neuproduktionen reicht das Geld noch? Maren Eggert und Ulrich Matthes feierten im Deutschen Theater gerade eine Premiere: mit dem Stück das "Das Dinner" nach dem Roman von Herman Koch.
Für wie viele Neuproduktionen reicht das Geld noch? Maren Eggert und Ulrich Matthes feierten im Deutschen Theater gerade eine Premiere: mit dem Stück das "Das Dinner" nach dem Roman von Herman Koch.M Popow/imago

Laufenberg, die seit der Spielzeit 2023/204 Chefin des Hauses ist, kritisiert die Art der Budget-Kürzungen. „Die radikale und planlose Rasenmäher-Kürzung von Kulturförderung seitens der Regierung sendet eindeutig das Signal, dass kulturelle Werte und Errungenschaften in der politischen Prioritätensetzung zurückstehen“, erklärt sie. „In einer Zeit, in der Zusammenhalt, Kreativität und Bildung wichtiger denn je sind, ist das ein fatales, unverantwortliches Zeichen: für die Bundeshauptstadt, Kulturmetropole und den Tourismusmagnet Berlin. Fragen wir es direkt: Was soll diese Stadt in Zukunft sein?“ ■