Weihnachtsstimmung ade?

Musik zu teuer: Berliner Weihnachtsmärkte bleiben stumm!

Weihnachtsmärkte ohne festliche Musik sind unvorstellbar, aber bald traurige Realität in Berlin. Die Gema verlangt einfach zu hohe Gebühren ...

Author - Sharone Treskow
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Auch der beliebte Weihnachtsmarkt am Roten Rathaus ist betroffen: Hier wird in dieser Saison keine Musik gespielt.
Auch der beliebte Weihnachtsmarkt am Roten Rathaus ist betroffen: Hier wird in dieser Saison keine Musik gespielt.Sabine Gudath

Man mag von „Last Christmas“ und Co. halten, was man will ... aber zu Weihnachtsmärkten gehören die modernen und alten Klassiker einfach dazu! Glühwein schlürfen ohne Michael Bublé oder Frank Sinatra wäre halb so schön. Doch genau diese Erfahrung werden die Berliner in dieser Saison leider machen müssen: Der Großteil der Weihnachtsmärkte wird keine Musik spielen können! Wie soll denn da bloß Stimmung aufkommen?

Gema macht Weihnachtsstimmung einen Strich durch die Rechnung

Es klingt wie ein schlechter Scherz, entspricht aber der bitteren Realität: Etliche Marktbetreiber sind dieses Jahr gezwungen, ohne Weihnachtsmusik auszukommen! Der Grund: Wie rbb berichtet, müssten die Veranstalter für die beliebten Songs einfach zu tief in die Tasche greifen.

Denn die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (Gema) ist zuletzt strenger geworden und hat ihre geltenden Regelungen härter durchgesetzt: Die Gesellschaft rechnet für gebührenpflichtige Songs nicht mehr nur die räumliche Größe der Beschallung rund um die Bühne oder den jeweiligen Lautsprecher an – sondern die Größe des gesamten Veranstaltungsbereichs. Im Falle größerer Weihnachtsmärkte kommt da ganz schön was zusammen! So haben etliche Veranstalter 2022 ihr blaues Wunder erlebt. Kosten, die viele in diesem Jahr einfach nicht tragen können. Daher bleiben viele Märkte stumm.

„Last Christmas“ und „Santa Baby“ kosten Geld

Kurz zur Auffrischung, wie die Gema arbeitet: Gezahlt werden muss grundsätzlich für Musik, deren Urheber noch nicht mindestens 70 Jahre tot ist. Das gilt im Falle der Weihnachtsmärkte nicht nur für abgespielte Songs aus Lautsprechern, sondern auch für Live-Musik.

Waschechte Klassiker wie „Oh Tannenbaum“ oder „Ihr Kinderlein kommet“ sind gemafrei – aber nur in der Originalversion. Neufassungen sind ebenfalls kostenpflichtig. Modernere Hits wie „Last Christmas“, „White Christmas“ oder „Driving Home for Christmas“ sind natürlich teuer. 

Weihnachtsmarkt am Roten Rathaus bleibt stumm

Dieser Anblick ohne Weihnachtsmusik? Unvorstellbar, aber bald Realität auf dem Weihnachtsmarkt vorm Roten Rathaus.
Dieser Anblick ohne Weihnachtsmusik? Unvorstellbar, aber bald Realität auf dem Weihnachtsmarkt vorm Roten Rathaus.Christian Spicker/Imago

Der Weihnachtsmarkt am Roten Rathaus ist sehr beliebt und gut besucht. Doch auch hier wird in dieser Saison Stille herrschen –zumindest, was die musikalische Berieselung angeht. „Wir spielen keine Musik mehr, nur noch auf der Eisbahn. Und das kostet uns allein 3.000 Euro“, ärgert sich der Betreiber Hans-Dieter Laubinger. „Es macht keinen Spaß mehr, Events zu organisieren, bei den hohen Kosten.“ Er veranstaltet auch den Weihnachtsmarkt auf dem Schlossplatz Köpenick, wo in diesem Jahr auch keine „Jingle Bells“ ertönen werden.

Auf dem Weihnachtsmarkt auf der Domäne Dahlem in Zehlendorf wird es deutlich weniger Musik geben. Die Kosten sind einfach zu hoch: „Da fallen mindestens 800 Euro an Gema-Gebühren pro Tag an, auch wenn nur 30 Leute diese Musik hören können“, rechnet der Veranstalter Tobias Frietzsche vor. Weiter ärgert sich der Betreiber: „Kindermusik hört man nach 20 Metern nicht mehr, und wir sollen Gebühren für 2.000 Quadratmeter bezahlen. Kleine Künstler, die bei uns musizieren, leiden am meisten darunter. Denn die Gema-Gebühr kostet dreimal so viel, wie wir ihnen an Geld geben können.“ Deshalb seien sie gezwungen, in Sachen Musik über eine „abgespeckte Form“ nachzudenken.

Auch in Spandau wird niemand „Let It Snow“ hören

Sowohl auf dem Wintermarkt am Berliner Stadtschloss in Mitte als auch auf dem Weihnachtsmarkt vor dem Spandauer Rathaus wird es ruhig bleiben: „Wir bauen keine Bühne auf. Auf dem Spandauer Rathausvorplatz verzichten wir völlig auf Musik. Wenn Musik abgespielt wird, dann von den einzelnen Schaustellern. Der für das Riesenrad Zuständige muss das dann selbst bezahlen“, berichtet Thilo-Harry Wollenschläger, der beide Märkte ausrichtet. 

Der Vorsitzende der Interessengemeinschaft Berlin-Brandenburgischer Schausteller ärgert sich tierisch über die erhöhten Gema-Abrechnungen: „Von Hauswand zu Hauswand ist ein völliger Irrsinn. Das ist von der Logik her nicht nachvollziehbar. Und man kann ja einen Weihnachtsmarkt nicht mit Wacken und seinen riesigen Verstärkern vergleichen. Aber genau das wird getan.“

Ist das das Ende der Weihnachtsmärkte?

Auf dem Weihnachtsmarkt vor dem Schloss Charlottenburg wird dieses Jahr nur gemafreie Musik live gespielt.
Auf dem Weihnachtsmarkt vor dem Schloss Charlottenburg wird dieses Jahr nur gemafreie Musik live gespielt.Mäller-Stauffenberg/Imago

Für Jens Schmidt, der den Weihnachtsmarkt vor dem Schloss Charlottenburg und den Weihnachtsmarkt in der Friedrichstraße ausrichtet, steht fest: „Ohne Musik ist ein Weihnachtsmarkt tot.“ Die Kosten für Weihnachtsmarktbetreiber seien ohnehin schon enorm gestiegen. Der Veranstalter rechnet vor: „Strom hat mal 33 Cent pro Kilowattstunde gekostet, jetzt sind es 45 Cent. Eine Flasche Gas kostete einst 18 Euro, jetzt 28 Euro. Ein Brötchen stieg von 12 Cent auf jetzt 25 Cent, ein Sack Zwiebeln von 35 Euro auf 70 Euro, eine Bratwurst von 35 Cent auf jetzt 80 Cent. Hinzu kommen die ganzen Sicherheitskosten nach dem Amri-Terroranschlag.“

Diese ganzen Mehrkosten würden am Ende von den Besuchern ausgetragen werden, so Schmidt. Bisher verzichte er noch auf Eintrittspreise für die Märkte, könne aber nicht versprechen, dass es für immer so bleibt. Außerdem beteuert er: „Wenn Sie vorher 5.000 Euro und jetzt 50.000 Euro an die Gema zahlen müssen, müssen Sie die Standgebühren für die Pächter anheben. Das wird viele Pächter verschrecken.“ Sein bitteres Fazit:„Also müssen wir die Preise für die Verbraucher erhöhen – oder die Weihnachtsmärkte sterben aus.“

Das sagt Buhmann Gema zu den stummen Weihnachtsmärkten

Die Gema verteidigt die harte Durchsetzung ihrer Regelungen: Es sei „angemessen, dass die Höhe der Vergütung auch bei Freiluftveranstaltungen nach der Größe der Veranstaltungsfläche – gerechnet vom ersten bis zum letzten Stand und von Häuserwand zu Häuserwand - zu bestimmen.“ Denn die Musik präge bei solchen Festen die gesamte Veranstaltung: „Da das Publikum vor den Musikbühnen ständig wechselt, hören im Laufe der Zeit in der Summe mehr Zuhörer die Musik, als vor der Bühne Platz fänden.“

Dass 2022 so viele Weihnachtsmarktbetreiber den Gebühren-Schock besonders schlimm erlebt haben, erklärt die Gema auf rbb-Anfrage so: Entweder habe der Marktbetreiber seine Veranstaltungsfläche seit 2019 deutlich vergrößert. Oder es seien bei Flächennachmessungen durch die Gema große Abweichungen zur angemeldeten Veranstaltungsfläche festgestellt worden. Auch weil fälschlich bislang nur die beschallte Fläche angemeldet wurde.

Trotzdem gibt die Gema zu, die Weihnachtsmarktbetreiber nicht ausreichend darüber informiert zu haben – „weder darüber, dass wir die angemeldeten Flächen nachmessen werden, noch darüber, dass beispielsweise die Rechnungen für die 35 Kommunen signifikant teurer ausfallen werden. Es war ein Fehler, dass wir hier nicht direkt mit den Kundinnen und Kunden ins Gespräch gegangen sind.“

Am Ende muss man natürlich festhalten, dass es das gute Recht der Gema ist, ihre Richtlinien auch durchzudrücken. Aber die Konsequenzen sind so bitter, dass man nicht umhinkommt, die Gesellschaft hier als klaren Buhmann für die Weihnachtsstimmung zu sehen. ■