Dass Wohnen in Berlin sehr teuer ist, ist kein Geheimnis. Erschreckend neu dagegen: Immer mehr Berliner, die ein Zuhause bei den landeseigenen Wohnungsgesellschaften haben, können sich die verhältnismäßig günstigen Mieten kaum noch leisten. Und so werden sogenannte Mietminderungsanträge gestellt. Doch diese wurden in diesem Jahr fast alle abgelehnt.
Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Anfrage des Linkspartei-Abgeordneten Niklas Schenker, die dem KURIER vorliegt. Darin erklärt die Senatsverwaltung für Bauen und Wohnen, dass von den in diesem Jahr eingegangenen 468 Anträgen auf Mietminderungen 304 abgelehnt wurden. Dies sind fast 65 Prozent. Nur 51 Anträge, die bis zum Frühjahr eingingen, wurden bewilligt.
Die sechs landeseigenen Wohnungsgesellschaften besitzen etwa 360.000 Wohnungen in der Stadt. Sozial und gerecht wollen sie laut Eigenangaben im Internet für diejenigen sein, die sich keinen teuren Wohnraum leisten können. Mieten zum fairen Preis werden versprochen.
Die durchschnittliche Nettokaltmiete bei den Landeseigenen lag 2022 bei 6,39 Euro pro Monat und Quadratmeter, heißt es auf dem Portal „inberlinwohnen.de“. Im neuen Mietspiegel, der nicht für die 90.000 Sozialwohnungen gilt, wird die ortsübliche Vergleichsmiete mit 7,21 Euro pro Quadratmeter netto kalt angegeben – 0,7 Prozent mehr als im Mietspiegel 2023.

Im Schnitt geben Berliner Haushalte bis zu 68 Prozent des Einkommens für die Miete aus
Die Realität sieht aber so aus, dass viele Berliner zu wenig Geld verdienen, um sich auch noch die günstigeren Wohnungen leisten zu können. Laut eines Reportes des Portals HousingAnywhere.com müssen Hauptstädter im Schnitt bis zu satte 68 Prozent ihres Einkommens für die Miete ausgeben.
Für viele Haushalte ist das schon ein riesiges Problem. Man darf nicht vergessen, dass die Preise für Lebensmittel und die Heizkosten in der Vergangenheit auch extrem gestiegen sind. Und: Zum Einkommen zählt hier nicht nur der Arbeitslohn, sondern auch die Renten. Und diese sehen für Senioren auch nicht sehr üppig aus. Nach einer Studie des Beliner Mietervereins kann sich ein Drittel aller Haushalte die Miete nicht leisten.
Wie schnell man in Not geraten kann – auch bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen – zeigt folgender Fakt: Allein 2022 sprachen Degewo, Gesobau, Gewobag, Howoge, Stadt und Land und WBM knapp 4.000 fristlose Kündigungen wegen Mietrückständen aus. Laut Senatsangaben wurden unter anderem durch Beratungsangebote über die Hälfte der Kündigungen zurückgenommen.
Laut Gesetz: Antrag auf Mietminderung, wenn Mietkosten 27 Prozent des Einkommens betragen

Um Notlagen zu verhindern, können Mieter der landeseigenen Unternehmen Mietminderungen beantragen, wenn sie für die Mietkosten bereits über 27 Prozent des Einkommens ausgeben müssen. Dieses sogenannte Leistbarkeitsversprechen steht seit 2015 im Berliner Wohnraumversorgungsgesetz.
Doch nur wenige Menschen in der Stadt kennen offenbar diese Regelung, kritisiert der Linken-Abgeordnete Schenker. Daher hätten nach seiner Meinung auch nur 468 Mieter in diesem Jahr einen Minderungsantrag gestellt. Viele Betroffene würden aufgrund des komplizierten Verfahrens vor einem Antrag zurückschrecken, erklärt er.
Dennoch bleibt erschreckend, dass die Mehrheit der gestellten Mietminderungsanträge einfach abgelehnt wurden. „Das Leistbarkeitsversprechen des Senats löst sich in Luft auf. Es schafft keine Entlastung, sondern ist lediglich ein Feigenblatt des Senats, um die drastischen Mietsteigerungen zu rechtfertigen“, sagt Schenker.
Der Abgeordnete weißt damit daraufhin, dass nicht nur die privaten Wohnungsvermieter in der Stadt die Mieten erhöhen. Auch die landeseigenen Unternehmen langen kräftig zu.
Landeseigene Wohnungsunternehmen: 130.000 Berliner Haushalte bekamen Mieterhöhung
Sie hatten Anfang des Jahres, nach Auslaufen des Mietenstopps, an über 130.000 Berliner Haushalten Mieterhöhungen verschickt. In den meisten Fällen war es ein Anstieg um 2,9 Prozent. Für den Abgeordneten Schenker ist es daher unbegreiflich, dass in diesem Zusammenhang „nur sehr wenigen Betroffenen eine Kappung der Miete genehmigt wurden“, die in diesem Jahr einen Antrag stellten.
Die Gründe, warum die Mehrheit der Anträge auf Kappung der Mieterhöhung nicht bewilligt wurden, lässt die Senatsverwaltung für Bauen und Wohnen offen. Nur ein Satz in der Antwort lässt die Vermutung zu, dass man aufgrund von Sozialhilfe- oder Wohngeldzahlungen einige Mieter-Anträge abschmetterte. Die Linkspartei will es aber genauer wissen und stellte jetzt dazu eine Ergänzungsanfrage an den Senat, erfuhr der KURIER.

Wie wichtig Mietminderungsanträge sind, zeigt auch die Ankündigung des Berlin-Brandenburgischen Verbandes der Wohnungsbauunternehmen, dass es weitere Mieterhöhungen geben soll, die wegen der hohen Inflation nötig sind. Denn das Sanieren von Wohnungen oder der Neubau sind teurer geworden. Kein Wunder, dass landeseigene Unternehmen, laut Kooperationsvereinbarung mit dem Senat, nun für ihre frei finanzierten Neubauwohnungen im Schnitt eine monatliche Netto-Kaltmiete von 15 Euro/Quadratmeter verlangen dürfen.
Eine Senatsanfrage des Abgeordneten Schenker im Juni ergab, dass bei kürzlich fertiggestellten, frei finanzierten Wohnungen der Fischerinsel in Mitte sogar Höchstwerte von 18 Euro genommen werden. Begründet wird das mit der Top-Lage und den vielen Extras wie Concierge-Service, Kita und begrüntem Innenhof. Diese sei mit dem sozialen Auftrag der kommunalen Unternehmen nicht vereinbar, kritisiert damals Schenker.
Seine Forderung: Um Mieter wirklich zu entlasten, „braucht es einen Mietenstopp bei landeseigenen Wohnungsunternehmen. Teurer Neubau und Investitionen in Modernisierung können nicht länger durch Mieterhöhungen im Bestand finanziert werden“, sagt Schenker. „Wir brauchen stattdessen eine öffentliche Finanzierung durch die gezielte Zuführung von Eigenkapital an die Unternehmen.“ ■