Probleme bei der Arznei

Medikamenten-Krise in Berlin: So meistern Apotheken die Engpässe

Bundesweit gibt es 500 Arzneien, die nicht immer lieferbar sind. Die Branche ist alarmiert – aber ein Apotheker stellt sich den Herausforderungen.

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Für viele Apotheken beginnt die Zeit der Krisen: Bei immer mehr Medikamenten kommt es zu Engpässen - und das ausgerechnet in der Jahreszeit, in der viel Arznei gebraucht wird.
Für viele Apotheken beginnt die Zeit der Krisen: Bei immer mehr Medikamenten kommt es zu Engpässen - und das ausgerechnet in der Jahreszeit, in der viel Arznei gebraucht wird.Guido Schiefer/imago, Gutschalk(imago (Montage: BK)

Für Mehmet Hayrula und seine Kollegen in Berlin wird der Herbst zur Bewährungsprobe. Erkältungszeit heißt auch: Medikamente könnten knapp werden – Fiebersäfte für Kinder etwa. Doch schon jetzt fehlen viele Präparate. „Im Moment habe ich knapp 100 Defekte“, sagt der Apotheker aus Reinickendorf. Fast 100 Produkte gibt es nicht.

Obwohl er für zwei Monate im Voraus bestellt und viel lagern kann, prüft er täglich die Listen seiner Großhändler. Kleinere Apotheken trifft es härter. „Für uns heißt das künftig: Mehr Kunden mit gleichem Personal bedienen.“ Denn Fachkräfte sind Mangelware – auf Stellenanzeigen bekam Hayrula nicht eine Bewerbung, obwohl er über Tarif zahlen wollte.

Deutschlandweit ist die Lage dramatisch: Immer mehr Apotheken schließen. In Berlin gibt es nicht mal mehr 700 davon, das sind 17 Prozent weniger als vor zehn Jahren. Gründe: stagnierende Honorare, fehlendes Personal, Konkurrenz durch Online-Versand – und seit Jahren Engpässe bei wichtigen Arzneien. „Herzmedikamente, Cholesterinsenker, Psychopharmaka, ADHS-Mittel“, nennt Thomas Preis als Beispiele. Der Präsident des deutschen Dachverbands ABDA spricht von 500 Arzneimitteln, die im Moment nicht geliefert werden können.

Die Kunden sind krank, die Schieber leer: Immer wieder kommt es zu Engpässen bei Medikamenten. wie gehen Berliner Apotheken damit um?
Die Kunden sind krank, die Schieber leer: Immer wieder kommt es zu Engpässen bei Medikamenten. wie gehen Berliner Apotheken damit um?Arnulf Hettrich/imago, Gutschalk/imago

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) führt in seiner Mangelliste vor allem Generika. Für die der Patentschutz abgelaufen ist. Sie stehen unter einem hohen Preisdruck durch die gesetzlichen Krankenversicherungen. Teilweise sind die Preise so niedrig, dass es sich für die Hersteller nicht mehr lohnt. Sie steigen aus der Produktion aus.

Krise bei der Arzneiversorgung: Auf dem Land droht vielen Apotheken das Aus

Hayrula reagiert mit Digitalisierung: Künstliche Intelligenz soll künftig automatisch nach verfügbaren Präparaten suchen. Ein Automat holt Medikamente aus dem Lager. „Man muss mit der Zeit gehen“, sagt er. Auch einen Webshop betreibt er: Kunden können online bestellen, am selben Tag liefern lassen oder vor Ort abholen. Für ihn ein klarer Vorteil gegenüber Versandapotheken im Ausland: Er kann beraten – per Chat, Telefon oder direkt. Auf dem Lande dagegen droht vielen Apotheken das Aus. Beim umstrittenen Schlankmacher Ozempic entspannt sich die Lage gerade, denn die Hersteller haben Produktion und Preise angepasst. Doch für die Branche insgesamt gilt: Entwarnung sieht anders aus.