Gegen Mietskasernen 2.0

„Wir mucken uff!“: Kampagne für bessere Baupolitik

Das Berliner Bündnis für Nachhaltige Stadtentwicklung reagiert auf die Werbekampagne des Senats für den Wohnungsneubau – mit einer eigenen Kampagne. 

Author - Stefanie Hildebrandt
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„Ick glob, ick spinne“: Die Wut der Bürger über eine rücksichtslose Baupolitik wird in launige Sprüche verpackt. 
„Ick glob, ick spinne“: Die Wut der Bürger über eine rücksichtslose Baupolitik wird in launige Sprüche verpackt. BBNS

Gut drei Wochen nach dem Start einer Kampagne der Senatsverwaltung für Bauen, die für mehr Akzeptanz für Wohnungsneubau in Berlin werben soll, bekommt Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) jetzt eine Antwort von Berliner Bürgern: Das Berliner Bündnis Nachhaltige Stadtentwicklung (BBNS), in dem sich 39 Bürgerinitiativen gegen Nachverdichtungs- und andere Neubauprojekte zusammengeschlossen haben, stellte am Dienstag eine Gegenkampagne vor.

Darin beklagen etwa die „Kinder von kahlen Kiez“ fehlendes Grün und Spielplätze in ihrem Umfeld, die Bürger „mucken uff“ und fordern echte Beteiligung ein. „Zilles Mietskasernen 2.0“ erteilen sie eine deutliche Abfuhr.

Berlin: Bauen um jeden Preis

„Die teure Werbekampagne der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen ,Euer Zuhause. Unser Auftrag‘ für mehr Akzeptanz des Wohnungsneubaus in unseren Kiezen wollen wir nicht unbeantwortet lassen“, erklärte Initiativen-Sprecherin Britta Krehl. „Denn damit versucht der Senat, unseren bürgerschaftlichen Einsatz für eine sozial und ökologisch nachhaltige Stadtentwicklung durch seine eindimensionale Bauen-Bauen-Bauen-Bejahung zu delegitimieren.“

Während die Bilder der Senatskampagne auf Werbetafeln, als Anzeigen in verschiedenen Medien und auf digitalen Kanälen verbreitet werden, nutzt das Bündnis für Nachhaltige Stadtentwicklung weniger kostspielige Wege. „Wir werden die Gegenkampagne per Social Media, Mail, auf der Webseite des Bündnisses und der einzelnen Initiativen verbreiten“, sagt Britta Krehl.

Bauen ja, aber mit Umsicht auf all die anderen Probleme: ökologisch, sozial und maßvoll soll Bauen in Berlin sein, fordert die Kampagne.  
Bauen ja, aber mit Umsicht auf all die anderen Probleme: ökologisch, sozial und maßvoll soll Bauen in Berlin sein, fordert die Kampagne. BBNS

In einem offenen Brief kritisiert das Bündnis Stadtentwicklungssenator Gaebler. „Sie behaupten mit der von Ihnen gestarteten und von uns bezahlten Werbekampagne, dass Sie in unserem Auftrag handeln würden. Das ist nicht der Fall“, heißt es in dem Brief. „Wir empfinden es als Verhöhnung, wenn Sie meinen, uns erklären zu müssen, dass viele Berlinerinnen und Berliner derzeit nicht die Wohnung mieten können, die sie brauchen und bezahlen können. Wir, unsere Kinder und Angehörigen, Freunde und Kollegen erleben die Berliner Wohnungsmisere täglich hautnah; anders als gut bezahlte Senatoren, Vorstände von Wohnungsunternehmen oder Geschäftsführer von profitablen Werbeagenturen“, so das Bündnis.

„Uns mangelt es nicht an Verständnis für den Bedarf an Wohnungsbau, wie Sie unterstellen. Sondern wir akzeptieren nicht die von Ihnen betriebene rücksichtslose Art des Wohnungsneubaus. Rücksichtslos gegen unsere Wohn- und Lebensverhältnisse, rücksichtslos gegen die Stadtnatur und die Klimaveränderungen, rücksichtslos gegen die Zukunft unserer Kinder, unserer Verwandten und Bekannten, ob alt oder jung, ob als Single, als Paar oder in einer großen Familie lebend. Wer hat Sie damit beauftragt? Wir nicht.“

Statt öffentliche Gelder für eine teure Imagekampagne zu verpulvern, um bei den vermeintlich uneinsichtigen Bürgerinnen und Bürgern Akzeptanz für die verfehlte Wohnungspolitik zu befördern, sollte Gaebler endlich den Dialog mit den Initiativen suchen, fordern diese. Damit durch Partizipation tatsächlich sozial und ökologisch nachhaltige, zukunftsfeste Wege für den Wohnungsneubau und die Bewirtschaftung des kommunalen Berliner Wohnungsbestandes beschritten werden können.

Das Berliner Bündnis Nachhaltige Stadtentwicklung vereint derzeit 39 Bürgerinitiativen, die sich in ganz Berlin mit Nachverdichtung und Versiegelung konfrontiert sehen und für eine nachhaltige Stadtentwicklung eintreten. Mehr unter: www.nachhaltigestadtentwicklung.berlin