Massenschlägerei an Schule

Jugendgewalt in Neukölln: Eltern interessieren sich nicht für ihre Kinder

Ein Experte spricht Klartext: Nur Geld hilft nicht gegen Jugendgewalt. Man muss auch die Eltern ins Boot holen. 

Author - Stefanie Hildebrandt
Teilen
„Campus“ steht auf zwei Betonsockeln auf dem Gelände einer Schule. Bei einer Massenschlägerei zwischen Schülern, Lehrern und Polizisten am Montagvormittag wurden an der Schule am Efeuweg mehrere Menschen verletzt. 
„Campus“ steht auf zwei Betonsockeln auf dem Gelände einer Schule. Bei einer Massenschlägerei zwischen Schülern, Lehrern und Polizisten am Montagvormittag wurden an der Schule am Efeuweg mehrere Menschen verletzt. Sebastian Christoph Gollnow/dpa

Mit Geld allein lässt sich Jugendgewalt nach Überzeugung des jugendpolitischen Sprechers der SPD-Fraktion, Alexander Freier-Winterwerb, nicht beenden. Stattdessen sei es wichtig, bei Konflikten an Schulen wie am Montag in Neukölln, auch die Eltern einzubeziehen.

„Ich habe das Gefühl, dass wir in Deutschland und insbesondere in Berlin so ein Stück weit die Idee haben, dass wenn man gesellschaftliche Konflikte hat, dann nimmt man Geld in die Hand, stellt Leute ein und hofft, dass diese Konflikte dann sofort gelöst werden“, sagte er am Mittwochmorgen dem RBB-Inforadio. Das funktioniere seiner Einschätzung nach aber nicht so schnell.

Eltern der Gewalttäter ins Boot holen

„Wir haben beispielsweise aufgrund des Jugendgewaltgipfels unheimlich viel Geld ins System gegeben, das kommt jetzt auch an. Wir stärken den Wachschutz und so weiter und so fort. Worauf es mir ankommt, ist, eine Debatte loszustoßen, was haben auch Eltern für eine Verantwortung“, sagte der SPD-Abgeordnete.

Es gebe einfach eine große Zahl von Eltern, die interessierten sich nicht für ihre Kinder. „Die setzen die vor den Fernseher oder schicken die nach draußen.“ Dadurch lernten die Kinder natürlich nie, vernünftig mit Krisen oder mit schwierigen Situationen umzugehen, ohne sie mit Gewalt zu lösen. „Das ist auch ein zentrales Thema.“

Mehr Minderjährige werden gewalttätig

Am Montag hatte es an einer Schule in Neukölln eine Schlägerei gegeben, bei der Schüler, Lehrer und Polizisten verletzt wurden. Die Schulleiterin, die an der Prügelei beteiligte Jugendliche trennen wollte, wurde dabei geschubst und brach sich einen Finger, wie die Polizei am Dienstag mitteilte. Weitere Lehrer und auch Polizisten wurden angegriffen. Schüler sprühten mit Pfefferspray, sodass insgesamt 49 Kinder, Jugendliche und Lehrer Reizungen erlitten und von Sanitätern behandelt wurden.

Dass immer mehr Minderjährige gewalttätig werden, zeigte bereits die Kriminalstatistik 2022.  Vor allem unter Minderjährigen hat die Gewalt deutlich zugenommen: Im Vergleich zum Vorjahr gab es einen Anstieg von mehr als 35 Prozent.

Ursachen für Jugendgewalt

Experten sehen die Pandemie, psychischen Stress und eigene Gewalterfahrungen als Ursachen für die zunehmende Gewalt unter Jugendlichen. BKA-Präsident Holger Münch vermutete im Jahr 2022 eine weitere Ursache in der Zuwanderung von Kindern und Jugendlichen, die in Kriegsgebieten mit Gewalt sozialisiert wurden, als Faktor. Allein durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine seien 1,4 Millionen Menschen nach Deutschland gekommen. „Natürlich steigt dann auch die Kriminalität“, sagt Münch. 

Als besonders starke Risikofaktoren, als Jugendlicher gewalttätig zu werden, gelten etwa: problematische Erziehungspraktiken der Eltern (z.B. geringes elterliches Engagement, mangelnde elterliche Aufsicht, Missbrauch oder Gewalt in der Familie, Überbehütung); die Abwesenheit der Väter oder deren Unvermögen, eine väterliche Rolle zu füllen; Gewalt befürwortende Normen und die Zugehörigkeit zu einem delinquenten oder Gewalt befürwortenden Freundeskreis; unstrukturierte Freizeitaktivitäten; frühes, häufiges Schulschwänzen.