Am Flughafen Moskau-Wnukowo stieg der„ Tiergarten-Mörder“ (im Adidas-Trainingsanzug) als Erster aus der Maschine – und wurde unten an der Gangway von Russlands Präsident Putin umarmt und geherzt. Da war längst klar, was Moskau lange bestritten hatte: Der „Tiergarten-Mörder“ Wadim Krassikow ist ein russischer Geheimdienstagent – und er war wohl für Putin das wichtigste Pfand beim Gefangenenaustausch. Der Kreml erklärt jetzt, warum Präsident Putin ihn umarmte.
Kurz nach der Landung hat der Kreml erstmals direkt bestätigt, dass der „Tiergarten-Mörder“ ein Agent des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB ist. Wadim Krassikow habe in der auf Anti-Terror-Einsätze spezialisierten „Alpha“-Einheit des FSB gearbeitet. „Interessant ist, dass er, als er bei Alpha diente, mit einigen Mitarbeitern des Wach- und Sicherheitsdienstes des Präsidenten zusammengearbeitet hat“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow russischen Nachrichtenagenturen zufolge.„Natürlich haben sie sich begrüßt gestern, als sie sich gesehen haben“, erklärte er mit Blick auf Krassikow und Kremlchef Wladimir Putin. Putin hatte den in Deutschland verurteilten Mörder am Donnerstagabend nach seiner Ankunft in Russland innig umarmt und gesagt: „Schön.“

Zuvor hatte Russland offiziell bestritten, etwas mit dem Mann zu tun zu haben. Putin bezeichnete ihn lediglich als Patrioten, der in Berlin einen russischen Staatsfeind beseitigt habe. Allerdings hatte zuvor auch der türkische Geheimdienst MIT, der den Gefangenenaustausch am Donnerstag maßgeblich durchzog, die FSB-Identität Krassikows öffentlich gemacht. Auch die deutschen Behörden hatten keinen Zweifel, dass der Auftragskiller in Putins Diensten steht.
Putin nannte das Mordopfer später öffentlich einen „Banditen“, „Mörder“ und „blutrünstigen Menschen“
Putin, einst selbst FSB-Chef, hatte die freigelassenen Russen, darunter Krassikow und ein wegen Spionage verurteiltes Paar aus Slowenien, auf dem Moskauer Flughafen mit rotem Teppich und Präsidentengarde empfangen. Putin, der von Verteidigungsminister Andrej Beloussow, von FSB-Chef Alexander Bortnikow und Auslandsgeheimdienstchef Sergej Naryschkin begleitet wurde, lobte die Standhaftigkeit der im Westen verurteilten Straftäter und kündigte Auszeichnungen sowie eine neue „Verwendung“ für sie an.
Mehr als ein Jahr saß Wadim Krassikow im Berliner Kammergericht auf der Anklagebank. Am 15. Dezember 2021 verurteilten die Richter den Russen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe – für den Mord an einem Georgier am 23. August 2019 in der Berliner Parkanlage Kleiner Tiergarten. Die Auftraggeber für den Mord saßen nach Überzeugung des Gerichts in Russland. Der Georgier stand laut Urteil seit langem im Visier der Russischen Föderation, weil er während des zweiten Tschetschenien-Krieges mehrere Jahre lang eine Miliz im Kampf gegen Russland angeführt hat. Kremlchef Wladimir Putin nannte das Mordopfer später öffentlich einen „Banditen“, „Mörder“ und „blutrünstigen Menschen“.
Der feige Anschlag: Tornike K. (40), ein Georgier tschetschenischer Abstammung, war am 23. August 2019 in der Parkanlage Kleiner Tiergarten unterwegs. Der Ex-Tschetschenien-Kämpfer und vierfache Vater, der in Berlin als Asylbewerber lebte, wollte zum Freitagsgebet gegen Mittag. Von hinten aber näherte sich ein Radfahrer. Es war wie eine Hinrichtung: Der Killer zückte eine mit einem Schalldämpfer ausgerüstete Pistole. Zwei Schüsse von hinten trafen Tornike K., er ging zu Boden. Eiskalt zielte der Tiergarten-Killer auf den Hinterkopf, drückte ab und flüchtete.
Wadim Krassikow war einen Tag vor der Tat getarnt als Tourist getarnt nach Berlin gereist
Die Richter überzeugt: „Ein staatlicher Liquidierungsauftrag.“ Tornike K. sei als Feind angesehen worden. Weil er im Zweiten Tschetschenienkrieg mehrere Jahre lang eine Miliz im Kampf gegen Russland angeführt habe – „er glaubte an die Idee eines freien, unabhängigen Tschetscheniens“.

Der Russe hatte zu Beginn des Prozesses im Oktober 2020 über seine Anwälte erklären lassen, er heiße Wadim S., sei 50 Jahre alt und Bauingenieur. Eine Legende, so die Richter. Wadim Krassikow sei als Tourist getarnt und am Tag vor der Tat nach Berlin gereist. Der heute 58-Jährige nahm das Urteil damals regungslos hin. Auf Rechtsmittel verzichtete er. Später wurde der „Tiergarten-Mörder“ aus einem Hochsicherheitstrakt des Berliner Gefängnisses Tegel aus Sicherheitsgründen mehrmals von einer Haftanstalt zur nächsten verlegt und saß nach dpa-Informationen zuletzt im baden-württembergischen Offenburg ein.
Wie sicher sind Kremlgegner noch in Europa?
Allerdings stellt sich nach der Ausreise von Krassikow nun noch mehr die Frage, wie sicher Kremlgegner in Europa und insbesondere in Deutschland sind. Denn womöglich könnten potenzielle Attentäter darauf spekulieren, im Falle einer etwaigen Inhaftierung durch einen neuen Austausch freizukommen.
Zumal manche in den Sicherheitsbehörden die Sorge haben, dass die im Juli eingeführte ungarische Sonderregel für Gastarbeiter aus Russland und Belarus sich als Einfallstor für russische Agenten, die in den Schengen-Raum einsickern wollen, entpuppen könnte. Der neuen Regelung zufolge können Arbeiter aus den beiden Staaten für zwei Jahre nach Ungarn kommen und danach ihren Aufenthalt jeweils für drei Jahre verlängern lassen, sooft sie wollen. Um von der Regelung profitieren zu können, müssen sie lediglich beweisen, dass sie in Ungarn Job, Unterkunft und Krankenversicherung haben. ■