Wenn die DDR jemals einen Weltstar hatte, dann ist er es ganz bestimmt gewesen. Günther Fischer, der am 23. Juni seinen 80. Geburtstag feiert. Für viele wird der Jazz-Musiker und Komponist stets derjenige sein, der mit dem Song „Solo Sunny“ aus dem gleichnamigen, preisgekrönten Defa-Film sein Publikum begeisterte. Dabei war Fischer mehr, trumpfte musikalisch auf der ganzen Welt auf – im Osten wie im Westen. Der Mann, dessen Markenzeichen stets das Saxofon ist, schaffte es sogar, Marlene Dietrich zu verzaubern.
Zum Feiern kommt Günther Fischer, der seit Jahren in Irland lebt, wieder nach Berlin. Der Musiker tritt am Donnerstag mit der Sängerin Uschi Brüning im Kulturkaufhaus Dussmann auf. Es gilt eine CD-Box mit seinen Werken zu präsentieren. Dazu wird ihm Amiga-Plattenbewahrer Jörg Stempel noch den Sony-Preis für sein Lebenswerk überreichen. Und ganz nebenbei stellt der Musiker seine Autobiografie „Günther Fischer“ vor, die im Verlag Neues Leben erscheint.

Wer Glück hat, diesen Mann zu treffen, lernt ihn als recht bescheidenen Menschen kennen. So machte Fischer zu DDR-Zeiten und auch später nie viel Aufsehen darum, dass er nicht nur im eigenen Land, sondern in der ganzen Welt erfolgreich unterwegs war. Zu einem wegen der Bescheidenheit, zum anderen, weil Fischer weiß, dass die DDR-Bürger diese Reisefreiheit nicht hatten. Und „das war ja das Schlimme“, wie er nun in seiner Autobiografie erklärt. Ach ja, dass er diese überhaupt in Angriff nahm, dazu musste ihn erst ein Freund überreden, endlich mal in einem Buch die vielen Geschichten aus seinem künstlerischen Leben zu erzählen.

Günther Fischer: Die Freundschaft mit Manfred Krug endete schmerzlich
Zu denen gehören natürlich die Geschichten über Manfred Krug (starb 2016). Vier Alben nahm der Schauspieler mit Günther Fischer als Komponisten in den 70er-Jahren auf. Die Songs aus einer Mischung zwischen Jazz, Chansons und Schlager gehören heute noch zu den Perlen der DDR-Musik.
Im Buch erzählt Fischer über eine Männerfreundschaft, die am Ende schmerzlich zerbrach. Krug, der 1977 infolge der Biermann-Ausbürgerung die DDR verließ, konnte nie verstehen, dass ihm Fischer nicht in den Westen folgte. „Aber ich hatte meine ganze Familie im Osten, ich konnte nicht alles stehen und liegen lassen“, sagt der Musiker.

1993 ist es mit der Männerfreundschaft vorbei. „Es kam zum endgültigen Zerwürfnis, als mein angeblicher Freund, ohne mit mir vorher zu sprechen, in widerwärtiger Art und Weise über mich, meine Frau und meine Kinder in der Zeitschrift Der Spiegel herzog“, schreibt Fischer in seiner Biografie. Der Hintergrund: Manfred Krug hatte seine Stasi-Akte gelesen und Fischer öffentlich beschuldigt, ihn vor der Ausreise bespitzelt zu haben. Was nach Fischers Darstellung nicht stimmt.
Dennoch war „die Zusammenarbeit mit Manfred Krug eine der schönsten und kreativsten Zeiten in meinem Leben“, sagt Fischer. „Künstlerisch verstanden wir uns ausgezeichnet.“

1971 beschreitet Fischer, der inzwischen auch Erfolge mit Armin Mueller-Stahl feiert, neue Wege. „Eolomea“ heißt der Defa-Film, für den er seine erste Filmmusik schreibt. Es folgen „Tecumseh“ mit Gojko Mitic, „Ein irrer Duft von frischem Heu“ und viele andere bis hin zu „Solo Sunny“. Die erste Version des Titelliedes nimmt Fischer auf einem verstimmten Klavier auf. Und genau diese Aufnahme will man für den Film haben.
Seine Werke hört man auch im Westen. Fischer arbeitet an einem Züricher Theater, westdeutsche Filmemacher buchen ihn. Bis eines Tages Hollywood anklopft. Die große Filmwelt wird noch öfter bei dem DDR-Musiker anfragen. Aber ein Ereignis sticht besonders heraus, das für Fischer unvergesslich bleibt.
Wie Marlene Dietrich Günther Fischer aus der Klemme half
Der Schauspieler David Hemmings („Blow up“) will mit dem Film „Schöner Gigolo, armer Gigolo“ (1978) seine erste Regiearbeit abliefern. Und er will unbedingt Günther Fischer als Filmkomponisten haben. Der Musiker sagt zu.
Der Streifen glänzt mit einem Star-Aufgebot. David Bowie spielt die Hauptrolle, Sydne Rome, Kim Nowak, Maria Schell, James-Bond-Bösewicht Curd Jürgens stehen ebenfalls vor der Kamera – und auch Filmlegende Marlene Dietrich in ihrer letzten Kinorolle.

77 Jahre ist die Diva alt. Sie verlangt, dass ihre Aufnahmen in Paris, wo sie lebt, und nicht in West-Berlin, wo eigentlich gedreht wird, stattfinden. Eine weitere Bedingung: Am Set darf nur Französisch oder Englisch gesprochen werden.
Das wird zum Problem für Fischer, als er Marlene Dietrich in Paris trifft. Sein Englisch ist dürftig, schreibt er im Buch. Doch mit seiner Musik verzaubert er die Diva. „Nachdem ich sie bei unserer ersten Klavierprobe eine Weile mit meinem Englisch gequält hatte, fragte sie mich plötzlich: ,Wo kommst du eigentlich her?‘ Meine Antwort: ,Aus Ost-Berlin.‘“ Darauf fragt die Diva: „Warum reden wir dann nicht deutsch?“ Fischer sagt: „Wir sprachen über Berlin, das Eis zwischen uns war gebrochen. Danach war es ein ganz anderes Arbeiten mit ihr.“
Und am Abend in einem Pariser Restaurant hilft die Dietrich dem DDR-Komponisten noch aus einer Klemme. Er aß zum ersten Mal in seinem Leben Austern. „Weil ich nicht wusste, wie man damit umgeht, hat Marlene mir geholfen – total charmant hat sie das gemacht.“
Wer weiß, vielleicht erzählt Günther Fischer diese Geschichte auch am Sonntag seinen Geburtstagsgästen. ■