Es vergeht kaum ein Tag, an dem auf Berlins Straßen nicht mit Messern zugestochen oder scharf geschossen wird. Manche Menschen in der Hauptstadt trauen sich zu bestimmten Zeiten kaum noch auf die Straße. Nach mehreren schweren Gewalttaten war in Berichten sogar von einem Bandenkrieg die Rede. Eskaliert jetzt die Gewalt zwischen den kriminellen Gruppen der Hauptstadt? In einer Antwort des Innensenats auf eine Anfrage eines CDU-Abgeordneten geht es jetzt um diese Frage. Doch der Senat wiegelt ab – und schockt zugleich mit neuen Zahlen.
Immer wieder kam es in den vergangenen Wochen und Monaten zu teilweise schweren Gewalttaten, ein Wochenende blieb vielen Berlinern dabei ganz besonders in Erinnerung. Am 19. Juli kam es in Gesundbrunnen gleich zu mehreren Vorfällen, bei denen mehrere Menschen verletzt wurden, ein Mann sein Leben verlor. Er wurde mit einem Messer angegriffen, starb an seinen schweren Stichverletzungen. Am gleichen Abend schoss ein Mann mit einer Faustfeuerwaffe auf einen 17-Jährigen, der daraufhin im Krankenhaus notoperiert werden musste. In der gleichen Nacht wurde ein 35-Jähriger in Humboldthain mit einem Messer schwer verletzt.
Nach schwerer Gewalt in Gesundbrunnen: Läuft in Berlin ein Bandenkrieg?
Benjamin Jendro von der Gewerkschaft der Polizei sagte daraufhin beim TV-Sender WELT TV, die Bandenkriminalität sei in Berlin ein großes Problem. Es würde jedes Wochenende auf den Straßen geschossen, es gebe ständig gewalttätige Auseinandersetzungen. Laut Jendro sorgen illegale Geschäftsfelder wie Prostitution, Schutzgelderpressung, Waffen- und Drogenhandel für Konflikte zwischen Gruppen, die sich feindlich gegenüberstehen. „Wir wissen, dass Berlin Spielfläche ist, weil es einfach sehr, sehr viele Einnahmequellen gibt.“

Aber: Ist es wirklich so? CDU-Politiker Burkard Dregger wollte das jetzt genauer wissen. „Diese Vorfälle deuten auf eine weitere Eskalation bestehender Konfliktlinien hin“, schreibt er in einer Anfrage an den Senat zur Bandenkriminalität mit Bezug auf Vorfälle wie jene in Gesundbrunnen. „Die Sicherheit der Bevölkerung ist dadurch akut gefährdet.“ Franziska Becker, Staatssekretärin für Inneres und Sport, antwortet mit schockierenden Zahlen. Vom 9. Juni bis zum 20. Juli 2025, also innerhalb von gerade einmal 41 Tagen, seien im gesamten Stadtgebiet 231 Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, bei denen Schusswaffen oder Messer zum Einsatz kamen. Weiter heißt es: 2in 153 der 231 Ermittlungsverfahren konnten insge3samt 181 tatverdächtige Personen ermittelt werden.“
Eine Explosion der Bandengewalt sieht der Innensenat aber nicht. „Die Tathintergründe der aufgeführten 231 Gewaltstraftaten erweisen sich als vielschichtig“, heißt es. „Ebenso ist das Spektrum der tatverdächtigen Personen heterogen und reicht über verschiedene soziale, ethnische und milieuspezifische Kontexte hinweg.“ Es lägen „keine Indikationen auf einen sich entwickelnden ‚tödlichen tschetschenischen Bandenkrieg‘ oder vergleichbare Strukturen in Berlin vor“, schreibt die Staatssekretärin.

Nur wenige der Verfahren seien bereits abgeschlossen, bisher hätten sich keine Bezüge zur Clankriminalität ergeben. Allerdings heißt es auch, das könne bis zum Abschluss der Ermittlungen nicht ausgeschlossen werden. Und: „Eine eindeutige Abgrenzung zwischen Organisierter Kriminalität, Clankriminalität und Bandenkriminalität ist aufgrund fließender Übergänge insbesondere zu Beginn polizeilicher Ermittlungen häufig nicht möglich“, heißt es in der Antwort weiter.
Immer wieder Gewalttaten: Was tut Berlin gegen Banden- und Clankriminalität?
Der Senat weist auch darauf hin, dass verschiedene Maßnahmen ergriffen werden, um gerade im betroffenen Ortsteil Gesundbrunnen für Sicherheit zu Sorgen. Die Lage werde ständig neu bewertet. Täglich seien Funkwagenstreifen im Einsatz, außerdem würden Schwerpunkteinsätze durchgeführt. „Die Kontaktbereichsbeamtinnen und - beamten sind im Rahmen ihrer Fußstreifen zusätzlich für die Bürgerinnen und Bürger ansprechbar.“ Stadtweit würden, um die Clankriminalität einzudämmen, unter anderem regelmäßig Kontrollen „einschlägiger Lokale“ durchgeführt.