Thomas Wiegold aus Kreuzberg hat viel. Einen erfolgreichen Blog zu Themen der Sicherheitspolitik etwa oder eine Karriere als Journalist. Ein Auto allerdings hat der Berliner nicht.
Dennoch bekommt Wiegold im August 2023 Post, wie zuerst die Süddeutsche Zeitung berichtet. Darin eine Zahlungsaufforderung über 2o Euro. Der Vorwurf: Im Mai 2023 soll er in Kaltenkirchen in Schleswig-Holstein angeblich 7 km/h zu schnell gefahren sein. Wiegold hat weder ein Auto noch war er zum fraglichen Zeitpunkt in Kaltenkirchen. Der Fall ist klar, es liegt eine Verwechslung vor, es könnte einfach und bald zu Ende sein. In Wirklichkeit geht die Geschichte gerade erst los. Sie erzählt davon, wie leicht man sich in den Fallstricken der Justiz verheddern kann und, dass diese am längeren Hebel sitzt, auch wenn alle Zweifel ausgeräumt scheinen.
Einspruch abgelehnt
Thomas Wiegold legt Einspruch ein. Vergeblich. Thomas Wiegold schaltet einen Anwalt ein. Und nun wird es ganz wild. Es stellt sich heraus, dass bei einer Online-Recherche der Polizei ein Fehler gemacht wurde. Eine Polizistin googelte und verwechselte den Berliner Wiegold mit einem Herren gleichen Nachnamens aus Kaltenkirchen. Julian Wiegold ist Geschäftsführer einer Metallverarbeitungsfirma in Kaltenkirchen. Ähnlich sehen sich die Männer nicht, einer ist viel jünger, aber egal. Julian Wiegold bestreitet, der Fahrer des Transporters zu sein. Nach einer Internetrecherche glaubt eine Polizistin, in Thomas Wiegold den auf dem Radarfoto abgebildeten Fahrer zu erkennen. Ob eine anderer Mitarbeiter der Kaltenkirchener Firma als Fahrer in Betracht kommt, wird offenbar nicht geprüft.
Nun könnte zumindest für den Berliner Thomas Wiegold alles aufgeklärt, das Verfahren fallen gelassen werden.

Der Fall ist klar, es liegt eine Verwechslung vor, er könnte einfach und bald zu Ende sein.
Doch als der Anwalt des Berliner Wiegolds erneut Einspruch geltend macht, erklärte die Polizei nun, dass beide Wiegold-Männer unter derselben Adresse wohnen würden. Davon wissen die beiden natürlich nichts. „Ich bin mir ganz sicher, dass der auch nicht bei mir wohnt“, sagt Julian Wiegold aus Kaltenkirchen der Süddeutschen.
Bleibt der Beschuldigte auf Anwaltskosten sitzen?
Man könnte es witzig finden, wenn es nicht so zum Haare raufen wäre. Denn trotz allem läuft das Verfahren gegen den Berliner Thomas Wiegold zunächst weiter. Der Richter kritisierte laut des Berichts lediglich das Fehlen von Belegen für einen gemeinsamen Wohnsitz.
Sechs Monate lang versucht Thomas Wiegold, die Polizei in Kaltenkirchen zu überzeugen, dass nicht sein Nachname Ausschlag gebend ist und jeder, der Wiegold heißt, auch für alle anderen Wiegolds zur Rechenschaft zu ziehen ist.
Mittlerweile steht das Verfahren kurz vor der Einstellung, sagt Thomas Wiegold dem KURIER. „Notwendige Auslagen werden von der Landeskasse erstattet“, heißt es vom Amtsgericht in Bad Segeberg. Doch was ist in diesem Fall notwendig? Einen Anwalt wegen eines Bußgelds in Höhe von 20 Euro einzuschalten? Thomas Wiegold rechnet nach diesen Erfahrungen mit der Justiz mit allem. „Es geht in diesem Fall darum, wie hier polizeilich ermittelt wurde. Oder eben nicht ermittelt wurde“, sagt Wiegold. „Wenn googeln als verlässliche polizeiliche Ermittlungsarbeit gilt, dann ist das Risiko, dass es den Falschen trifft, hoch.“ Rechtsstaatlich sei dieses Vorgehen nicht. „Was, wenn ich nächstes Mal einen Unfall mit hohem Schaden verursacht haben soll?“, fragt Thomas Wiegold. ■