1100 Kilometer nach Paris

Er radelt Parkinson davon: Stefan Dürr ist ein Kämpfer, der nicht aufgibt

In wenigen Tagen, an seinem 70. Geburtstag, bricht der Berliner zu einer großen Fahrradtour auf. Vor vier Jahren bekam er die Diagnose Parkinson, jetzt sammelt er Geld für die Parkinson-Forschung der Charité.

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Vor vier Jahren bekam der Schöneberger Architekt Stefan Dürr die Diagnose Parkinson. Jetzt sammelt er Geld für die Parkinson-Forschung.
Vor vier Jahren bekam der Schöneberger Architekt Stefan Dürr die Diagnose Parkinson. Jetzt sammelt er Geld für die Parkinson-Forschung.Emmanuele Contini

Normalerweise feiert man einen 70. Geburtstag groß. Lädt Freunde und Familie ein. Stefan Dürr setzt sich an dem Tag aufs Fahrrad – und fährt los Richtung Paris. 1100 anstrengende Kilometer liegen dann vor ihm. Das Besondere an dieser Fahrt ist aber nicht nur der Starttag. Nein, vor knapp vier Jahren erhielt der Berliner auch eine Diagnose, die sein ganzes Leben verändert hat: Parkinson.

Dass Stefan Dürr es überhaupt wagen kann, diese (Tor)Tour anzugehen, grenzt fast schon an ein Wunder. Nicht nur wegen der Krankheit und der darauffolgenden „mittelschweren Depression“, wie Stefan Dürr sagt. Der passionierte Radfahrer hatte danach auch noch zwei schwere Unfälle, die nichts mit seiner Krankheit zu tun hatten. Im Oktober 2021 stürzte er schwer mit seinem Rad. „Ich war zu schnell, es war dunkel und nass“, erinnert sich der Schöneberger. Er stürzte über eine Kante. Folge: vierfacher Rippenbruch. Ein Jahr später nahm ihm eine andere Radfahrerin die Vorfahrt. Dieser Sturz war schon schlimmer – dreifacher Beckenbruch.  

Auch zwei schwere Unfälle hielten Stefan Dürr nicht auf

Aber Stefan Dürr ist ein Kämpfer, einer, der nicht aufgibt. Nicht aufgeben will. Und Paris mit dem Rad war schon sein Traum, bevor er wusste, dass er Parkinson hat. Durch die Krankheit und die Unfälle konnte er sein Architekturbüro nicht mehr halten, musste Insolvenz anmelden, den Kampf um seinen Körper gibt er aber nicht auf. Von den beiden Unfällen erholte Dürr sich schnell, doch das Radfahren fiel ihm zunehmend schwerer, weil seine Beine inzwischen zu stark zitterten. 

Dürr entschied sich für die sogenannte Tiefe Hirnstimulation, kurz THS. In der Charité wurden ihm zwei Elektroden ins Gehirn transplantiert. Steuern kann er sie selbst über einen Schrittmacher. „Der sitzt hier“, sagt der Noch-69-Jährige und zeigt auf seine linke Brust. Die Operation dauerte sechs Stunden – bei vollem Bewusstsein. Eine mentale Anstrengung: „Es fühlt sich an, als würde direkt nebenan jemand mit einem Presslufthammer arbeiten“, sagt Dürr über die OP. Doch der Eingriff habe sich gelohnt.

Vor der Operation musste Stefan Dürr Medikamente nehmen. „Doch die wurden schon vor 60 Jahren entwickelt und haben schwere Nebenwirkungen“, erklärt er. Er habe stark zugenommen. Von 70 auf 93 Kilogramm. Seit der OP kommt er ohne Medikamente aus. Und kann Fahrrad fahren. Nach einer Ernährungsumstellung wiegt er inzwischen wieder 75 Kilogramm. Und die restlichen fünf Kilogramm „werde ich höchstwahrscheinlich in der ersten Woche mit dem Rad wieder verlieren“.  

Am Montag, seinem 70. Geburtstag, startet Stefan Dürr (69) zu seiner Radtour nach Paris.
Am Montag, seinem 70. Geburtstag, startet Stefan Dürr (69) zu seiner Radtour nach Paris.Stefan Henseke

Die Tour nach Paris ist aber nicht nur die Erfüllung eines Lebenstraums von Stefan Dürr. Sie ist auch ein Teil seines Kampfes gegen die Krankheit Morbus Parkinson. Die Charité hat ihm eine Internetseite eingerichtet, mit der er während seiner Tour Geld für die Parkinson-Forschung sammelt. Dürr will mit der Tour auf die Krankheit aufmerksam machen, an der in Deutschland rund 400.000 Menschen leiden. Er wird in Paris die Klinik Pitié Salpêtrière besuchen, wo sich ebenfalls Experten auf die Tiefe Hirnstimulation spezialisiert haben, er will in Brüssel bei der Europäischen Union vorsprechen, trifft in Nordhorn den Vorstand von PinkPongParkinson, in Kiel einen Neurologen der Uniklinik.   

Die Charité überwacht die Fahrradtour des Berliners

Ziele, die er sich alle für die Rückfahrt vorgenommen hat. Denn von Paris aus geht es auch mit dem Rad wieder zurück. Diesmal sogar über 2400 Kilometer. Täglich will Stefan Dürr 80 bis 90 Kilometer fahren, im Schlepptau immer seinen Fahrradanhänger mit 40 Kilogramm Ausrüstung (Zelt, Schlafsack). Stefan Dürr fühlt sich jedenfalls fit für die Tour. Fit gemacht hat er sich bei Kieser Training, acht Kilogramm wiegt sein Fahrrad von Stevens. 

Und die Charité wird ihn während der insgesamt gut 3500 Kilometer überwachen. Er wird ein Tracker am Handgelenk tragen, mit dem Neurologen die Vitalparameter ihres radelnden Patienten auslesen. Er trägt auf diese Art selbst zur Forschung bei, hilft den Wissenschaftlern, den Hirnschrittmacher weiterzuentwickeln.

Zwölf Tage hat Stefan Dürr für die Tour bis Paris eingeplant, 21 Tage für die Strecke zurück nach Berlin. „Ankommen ist mein Ziel, kein Wettrennen“, sagt er. Wenn es länger dauert, dauert es länger. „Durch Parkinson bin ich gerade noch mehr aufgeregt. Ich merke, das Zittern kommt zurück. Ich hoffe, wenn ich einmal unterwegs bin, gibt sich das wieder.“ Los geht es am kommenden Montag am Universitätsplatz 1 in Berlin-Mitte, direkt vor dem Bettenhochhaus der Charité. ■