Kolumne „Wir im Netz“

Ein neuer Star am TikTok-Himmel: Der Bundestag!

Julia Klöckner will, dass die Regierung auch auf TikTok mitmischt. Ein notwendiger nächster Schritt. Und bei weitem nicht so skandalös, wie viele meinen.

Author - Jana Hollstein
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Julia Klöckner (CDU), Bundestagspräsidentin, will vom Reichstag in die digitale Welt.
Julia Klöckner (CDU), Bundestagspräsidentin, will vom Reichstag in die digitale Welt.Katharina Kausche/dpa

TikTok ist für viele Erwachsene jenseits der 30, mit denen ich rede, der Wolf im Schafspelz – die App, die mit ihren frivolen Tänzen Nutzer radikalisiert und ihre Daten stiehlt. Fast ein bisschen satanisch. Nun soll TikTok einen neuen Nutzer bekommen: Den Bundestag. Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) soll das eingeleitet haben. Skandalös, wenn man so manchen Menschen Glauben schenkt. Dabei ist das alles sehr viel langweiliger, als es wirkt.

Sicherheitsbedenken bei TikTok – gerechtfertigt?

Beim Stichwort „TikTok“ muss man ja immer als erstes von den ganzen „Bedenken“ reden. Sicherheitsbedenken gebe es da, dass die Chinesen an unsere Daten kommen. Dass diese Sorge vielmals überspitzt, teilweise verdreht ist und von rassistischen Annahmen ausgeht, wurde im US-Prozess gegen TikTok deutlich. Jedenfalls werden von den vermeintlichen Datenschützern vergleichsweise wenige Bedenken angemeldet in Bezug auf etwa den Facebook-Konzern Meta, dem auch Instagram und WhatsApp gehören, und der schon so häufig Datenschutz-Dispute hatte, dass man gar nicht mehr mitzählen kann. Neulich hat X (Twitter) von mir verlangt, ein Foto von mir einzuschicken, um mein Alter mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) einschätzen zu können. Klingt für mich wie ein riesiges Datenproblem.

Der Bundestag ist bereits auf vielen sozialen Medien zuhause. Nun soll eine neue dazukommen.
Der Bundestag ist bereits auf vielen sozialen Medien zuhause. Nun soll eine neue dazukommen.Alicia Windzio/dpa

Wenn soziale Medien zensieren

Das zweite Problem, das viele mit TikTok haben, ist die Radikalisierung und Zensur. Dabei funktioniert TikTok natürlich wie jede andere Social-Media-Plattform auch. Deren einfaches Prinzip ist, dem Nutzer durch einen Algorithmus personalisierte Posts zu zeigen, die einen länger auf der Plattform halten. Dieses Prinzip bevorzugt dann natürlich extreme Meinungen, weil Nutzer bei denen häufiger verleitet sind, zu kommentieren.

Das gibt es übrigens ebenfalls bei X, eine Plattform, die derart von radikalen Rechten überrannt ist, dass man sie fast nicht mehr nutzen kann. Dort ist das Wort „cisgender“ und dessen Abkürzung „cis“ (ein fachsprachlicher Begriff, um Menschen zu bezeichnen, die nicht transgeschlechtlich sind) übrigens gebannt und deren Benutzung kann zur Profillöschung führen.

Meta ist dabei nicht besser. Erst Anfang des Jahres hatte Instagram Posts zu Abtreibungspillen gelöscht, 2022 zensierten sie Informationen zu Abtreibungen. Facebook ist ein einziger Sumpf an Fehlinformationen: Die Startseite der großen Mehrheit der Nutzer ist überschwemmt von mit Künstlicher Intelligenz generierten Bildern, auf die nicht wenige reinfallen. Wenn es dabei mal bei den Millionen von „Diese arme alte Frau wird 100 und niemand hat für sie gebacken!“-Posts bleiben würden. Aber natürlich fallen viele Facebook-Nutzer auch auf KI-generierte politische Meinungsmache herein.

TikTok-Algorithmus: Der heilige Gral von Social Media

Das Einzige, was TikTok in der Hinsicht von anderen Social-Media-Plattformen unterscheidet, ist, dass dessen Algorithmus besser ist (und das denke ich mir nicht aus: Viele Konkurrenten wollten TikTok schon den Algorithmus abkaufen). Dadurch verschlechtern sich vielleicht automatisch manche Probleme, andererseits kann er dann auch viel persönlicher sein. Das letzte Mal, dass ich auf TikTok einen Nazi gesehen habe, ist gut ein paar Monate her. Auf X war es gestern.

Letzten Endes glaube ich, dass der TikTok-Kanal des Bundestags auf TikTok wahrscheinlich genauso langweilig wird wie deren Instagram-, Facebook-, X-, sonstwas-Kanäle. Nur wird er dort vielleicht ein bisschen weniger Zulauf haben, weil die Zielgruppe dort jünger ist und nicht jeder wählen kann.