Wenn wir etwas synchron mit anderen tun, fühlen wir uns besser. Wo, wenn nicht beim Tanzen in Berliner Clubs, könnte einem das deutlicher auffallen? Wenn alle im gleichen Takt tanzen, stellt sich ein erhebendes Gemeinschaftsgefühl ein. Manisha Biswas liebt es, in den Berliner Clubs zu tanzen. Und die 29-Jährige schaut mit den Augen einer Forscherin auf das, was da beim Rave mit den Schwitzenden, den Versunkenen und Lächelnden passiert. Ist es sogar möglich, dass sich beim Tanzen die Herzschläge der DJs mit denen der Tanzenden synchronisieren? Genau das will Manisha Biswas in einer ihrer nächsten Arbeiten herausfinden.
Manisha Biswas macht gerade an der Humboldt-Universität Berlin ihren Doktor in Sozialpsychologie. Die junge Frau stammt aus Indien, hat zuvor in Oxford studiert und es jüngst mit ihrer Arbeit sogar in die Nachrichten geschafft. In einem mitreißenden Tanz-Video erklärte sie kürzlich ihre Doktorarbeit für alle verständlich. Biswas bekam dafür einen Preis des renommierten Science-Magazins. Das Thema der Arbeit und des Videos: Wie synchrone Bewegungen, die im gleichen Takt mit anderen erfolgen, zur Identitätsbildung beitragen und wie gemeinsame Bewegungen dazu führen können, dass sich Einzelne anders wahrnehmen. Manisha Biswas untersuchte das auch anhand von Märschen beim Militär. Jetzt will sie sich den schönen Seiten von Synchronizität widmen.
„Jede Kultur kennt die rituelle Kraft von synchronen Bewegungen“, sagt Manisha Biswas. Schon früh begreift sie, dass an gemeinsamen Ritualen etwas dran sein muss. Als Kind ist Manisha Biswas fasziniert von den Gesängen sehr junger Mönche in den tibetischen Klöstern. Wo sie hinschaut, überall tun Menschen Dinge gemeinsam.
In Indien kenne man die Bollywood-Tanzszenen, „in China praktiziert man Tai-Chi und Qigong gemeinsam, es gibt Märsche und in Berlin gibt es das gemeinsame Tanzen.“ Diese gemeinsame Bewegung macht, dass das Individuum sich besser fühlt, als Teil eines größeren Körpers. Auch das Belohnungssystem im Körper werde aktiviert, sagt Manisha Biswas, synchrone Gruppen fühlen sich nicht nur besser, sie denken auch ähnlich und sehen die Welt ähnlich.
Was gemeinsame Bewegung mit anderen mit uns macht
Als sie ihren Freunden das Thema ihrer Doktorarbeit erklärt habe, hätten diese gesagt: „Das ist wirklich kompliziert, ich habe keine Ahnung, was du da sagst“, sagt die 29-Jährige und lacht. Genau das sei es, was sie motiviert habe, an dem Tanz-Wettbewerb teilzunehmen: Sie wolle Wissenschaft für jeden zugänglich und verständlich machen.
Dreh organisierte sie mithilfe von Freunden
Wenn Wissenschaftler nicht aus ihren Laboren herauskämen, um über ihre Themen zu sprechen, müsse man damit rechnen, dass Menschen schlecht informiert seien. Das sei in Zeiten von Fake News gefährlich.

Bei dem Wettbewerb habe sie aber vor allem auch aus Spaß mitgemacht. Alle Beteiligten seien Freunde von ihr oder Freunde von Freunden, die freiwillig mitgemacht hätten. Ein befreundeter DJ produzierte die Musik, ihre Freundin Liselotte van Balen übernahm die Regie. Sogar drei ausgebildete Tänzer konnte sie für den Dreh begeistern. „Ich habe keine professionelle Ausbildung, die Tänzer mussten daher einige Zeit mit mir verbringen, um mir die Schritte der Choreografie beizubringen.“
Nächstes Forschungsprojekt vielleicht im Berliner Club
Ihre mehr als 200 Seiten lange Doktorarbeit hat Biswas mittlerweile abgegeben. Im August wird sie sie verteidigen. Und danach soll es in den Berliner Clubs weiter gehen: „Ich möchte gerne eine Feldstudie in einem Club machen.“ Sie wolle herausfinden, ob die Herzschläge von DJs und Clubbesuchern sich aneinander anpassten. Dazu sollen die Tänzer einen Brustgurt tragen, wie man ihn vom Joggen kennt. Der zeichnet dann den Herzschlag auf. Gut möglich, dass alle Herzen im Club im gleichen Beat schlagen.

Berlin sei der perfekte Ort für eine solche Studie, weil es hier noch Orte gebe, an denen sich Menschen begegnen können, so Biswas. In London etwa kann sich kaum noch ein junger Mensch das Ausgehen leisten. Aber nur, wenn viele teilhaben können, sind soziale Rituale möglich. Überhaupt sei das einzigartige kulturelle Wissen der Berliner Techno-Szene noch längst nicht gebührend in den Fokus der Wissenschaft gerückt.
„Die Evolution hat uns dafür gemacht, dass wir Dinge im Gleichtakt tun, in Berlin im Club, anderswo eher im religiösen Kontext“, so Biswas. Wenn Sie das nächste Mal tanzen gehen, denken Sie also daran: Der Mensch als soziales Wesen ist darauf angewiesen, sich mit anderen zu verbinden.