Impfgegner

Diphtherie-Fall an Waldorfschule in Spandau: Kind muss beatmet werden

Der Schüler erkrankte und wurde mit schweren Symptomen in eine Klinik gebracht. Haben die Eltern die Impfung schleifen lassen?

Author - Stefanie Hildebrandt
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Das Kind musste wegen Diphtherie im Ernst-von-Bergmann-Klinikum in Potsdam behandelt und sogar beatmet werden.
Das Kind musste wegen Diphtherie im Ernst-von-Bergmann-Klinikum in Potsdam behandelt und sogar beatmet werden.Schöning/Imago

Eigentlich gilt die Diphtherie als unter Kontrolle.  Hohe Durchimpfungsraten verhindern in Deutschland normalerweise Ausbrüche der gefürchteten Krankheit. Doch nun gibt es in der Regionen Berlin-Brandenburg einen aktuellen Diphtherie-Ausbruch. An einer Spandauer Waldorfschule, wo erfahrungsgemäß besonders viele Eltern impfskeptisch eingestellt sind, ist ein Zehnjähriger erkrankt, berichtet die B.Z.

Mit einer akuten Mandelentzündung sei ein Junge Ende September ins Ernst-von-Bergmann-Klinikum in Potsdam eingeliefert worden. Schnell ist klar, der Kleine, der aus dem Havelland kommen soll, leidet an der ansteckenden und lebensbedrohlichen Diphtherie.

Diphtherie, Würgeemgel der Kinder

Diphtherie wird durch das Gift von Corynebakterien verursacht, die weltweit vorkommen. Die Entzündung im Rachen und Kehlkopfbereich führte früher oft zur Erstickung der meist jungen Patienten. Die Krankheit wurde dementsprechend als der „Würgeengel der Kinder“ gefürchtet.  

In Preußen starben um 1880 jährlich bis zu 25 000 Babys und Kleinkinder an den Folgen der Diphtherie, die damit die Haupttodesursache unter Kleinkindern war. Noch heute endet die Hälfte der Infektionen ohne Behandlung tödlich und auch mit Behandlung überlebt etwa jeder Zehnte nicht.

Patient muss künstlich beatmet werden

Im aktuellen Fall verschlechterte sich der Zustand des Patienten so, dass er in die Charité verlegt werden musste, wo der Junge invasiv beatmet werden muss, so der B.Z.- Bericht. Ein Antitoxin soll helfen, die Bakterieninfektion in Schach zu halten.

Eine Impfung, die schon Säuglingen im Alter von wenige Monaten Schutz vor schweren Infektionen bietet, hatte der Junge nach B.Z.- Informationen nicht. Das Blatt zitiert einen Nahestehenden: Die Eltern sollen die Empfehlungen zur Immunisierung „nicht so ernst genommen“ haben. Die Klassenkameraden des Jungen wurden vorsorglich für mehrere Tage vom Unterricht befreit, sagte der Schulleiter der Schule dem rbb. 

Das zuständige Gesundheitsamt Havelland leitete weitere „Ermittlungen und Maßnahmen zum Schutz der engen Kontaktpersonen im privaten und schulischen Umfeld“ ein, da die Erreger durch Tröpfcheninfektion übertragen werden.

1886 öffnete in Berlin eine Anstalt, die Kleider, Matratzen, Bettwäsche von Kranken aus ganz Berlin desinfizierte, um Krankheiten wie Typhus, Cholera, Pocken, Ruhr und Diphtherie einzudämmen. 1987 wurde der Betrieb eingestellt.
1886 öffnete in Berlin eine Anstalt, die Kleider, Matratzen, Bettwäsche von Kranken aus ganz Berlin desinfizierte, um Krankheiten wie Typhus, Cholera, Pocken, Ruhr und Diphtherie einzudämmen. 1987 wurde der Betrieb eingestellt.Gerd Engelsmann

Kontaktpersonen erhielten vorbeugend Antibiotika verabreicht. „Bei den Ermittlungen wurde eine weitere infizierte Person ausfindig gemacht. In diesem Fall handelt es sich um eine Person, die gegen Diphtherie geimpft ist“, so ein Sprecher des Landkreises Havelland gegeüber B.Z.  Der Verlauf der Erkrankung bei der Person sei milde.

Die DDR führte 1961 eine Pflichtimpfung von Säuglingen und Kindern gegen Diphtherie ein, in der BRD wurde die Impfung ab 1960 eingesetzt. Man kann, auch ohne Symptome zu zeigen, Überträger der Krankheit sein. 

Migration sorgt für häufigere Ausbrüche

Im Zuge der Migrationsbewegungen aus Ländern Osteuropas kommt es häufiger zu Ausbrüchen von gefährlichen Infektionskrankheiten. So zählte das Robert-Koch-Institut in Berlin und Brandenburg in diesem Jahr jeweils zwei Fälle von Diphtherie in Berlin und Brandenburg, 2023 gab es in Berlin einen, in Brandenburg 11 Fälle, 2022 in Berlin einen Fall, in Brandenburg vier Fälle.  Laut RKI beruhe der europaweite Anstieg der Erkrankungen auf einem internationalen Ausbruch unter Geflüchteten, die vor allem entlang der Balkanroute nach Deutschland und in andere Länder Europas kamen.

Die Wende im Kampf gegen die gefürchtete Diphtherie brachte ein Serum, das Emil von Behring entwickelte.  Der Impfstoff gegen Diphterie wurde weltweit eingesetzt.  Berühmt wurde etwa der Wettlauf mit der Zeit in Nome, einem Städtchen in Alaska: Im Winter 1925 brach dort im entlegenen Nordwesten Alaskas eine Diphtherie-Epidemie aus. Per Hundeschlitten-Staffel wurden die Medikamente in die eingeschneite, von zugefrorenem Meer umgebene Stadt gebracht.  ■