Fast vergessenes Handwerk

Diese Berlinerin haucht alten Teppichen neues Leben ein

Restauratorin Claudia Diedenhoven repariert Mottenfraß-Schäden, Brandflecken oder auch defekte Fransen in aufwendiger Handarbeit.

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Claudia Diedenhoven sucht in ihrer Werkstatt nach passender Wolle für die Reparatur eines alten Orientteppiches.
Claudia Diedenhoven sucht in ihrer Werkstatt nach passender Wolle für die Reparatur eines alten Orientteppiches.Monika Skolimowska/dpa

Ein 120 Jahre alter Kaukase liegt ausgebreitet auf dem großen, hölzernen Arbeitstisch. In Millimeterarbeit, mit Nadel und Faden, umwickelt Restauratorin Claudia Diedenhoven den ausgetretenen Rand des Orientteppichs. Mehrere Meter hat sie noch vor sich. „Der Rand muss fixiert werden, sonst fällt irgendwann der ganze Teppich auseinander“, erklärt sie.

Die gebürtige Duisburgerin hat ihr Handwerk bei einem persischen Teppichhändler in Berlin gelernt und vor 30 Jahren ihr Atelier gegründet. Als deutsche Frau, die auf Orientteppiche spezialisiert ist, gilt sie als Ausnahme in der Branche. Oft hätten Teppichhändler ihre eigenen Werkstätten, in denen vor allem Männer beschäftigt seien, erzählt Diedenhoven.

Neben ausgefransten Kanten erneuert sie auch abgelaufene Fransen oder stopft Löcher und repariert Risse. Teppiche müssen viel aushalten: Sie werden ständig betreten, bekommen Druckstellen von Möbeln. Auch Mottenfraß, Brandlöcher und Wasserschäden sind keine Seltenheit.

In mühevoller Kleinarbeit ersetzt Claudia Diedenhoven fehlende Muster.
In mühevoller Kleinarbeit ersetzt Claudia Diedenhoven fehlende Muster.Monika Skolimowska/dpa

Restauratorin ersetzt fehlende Muster

„Ich repariere die Teppiche, damit sie wieder gebrauchsfähig sind“, beschreibt Diedenhoven ihre Arbeit, die viel Geduld und Konzentration erfordere. „Vor allem bei komplizierten Mustern“, so die Restauratorin, die in solchen Fällen zunächst die fehlenden Webstrukturen erneuern und dann die Muster haargenau wiederherstellen muss.

Das alles koste manchmal Nerven, bereite aber meistens viel Freude. „Ich lebe mit diesen Teppichen. Es ist eine ganz besondere Symbiose. Es ist wunderbar, Altes wieder schön zu machen“, erzählt sie begeistert. Und manchmal seien auch relativ neue Teppiche mit ungewöhnlichen Mustern schon reparaturbedürftig, wie der Kriegsteppich, der gerade auf einer Stange in dem Atelier hängt. Panzer und Raketen „zieren“ das Stück. Kriegsteppiche sind in Afghanistan verbreitet - eine Folge der bewaffneten Konflikte.

In dem Kreuzberger Atelier der Restauratorin hängt bunte Wolle, die Regale sind voller Bücher über Orientteppiche, Naturfarben und Werkzeug. „Ich wollte immer gern etwas mit den Händen machen“, so die Restauratorin. Während ihres Studiums der Kunstgeschichte stieß sie auf eine Anzeige des persischen Händlers und tauschte bald Handwerk gegen Hörsaal.

Vor der Reparatur eines Teppichs behandelt sie einen Wollfaden mit Bienenwachs.
Vor der Reparatur eines Teppichs behandelt sie einen Wollfaden mit Bienenwachs.Monika Skolimowska/dpa

Teppichrestaurierung ist ein aussterbendes Handwerk

Die Kunst der Teppichrestaurierung sei allerdings eine aussterbende. „Unter meinen Kunden sind viele Rentner, die die Teppiche noch von ihren Großeltern geerbt haben“, so Diedenhoven. Im vergangenen Jahrhundert seien Teppiche noch eine Wertanlage gewesen. „Doch heute ist der Markt überschwemmt, Teppiche sind nicht mehr viel wert“, so die Restauratorin.

Das betreffe insbesondere die Produkte, die ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als Massenware aus dem Iran und Indien auf den Markt kamen, ergänzt Franz ten Eikeler, Vorsitzender des Bundesverbandes der Sachverständigen für orientalische, handgeknüpfte Teppiche und Flachgewebe.

„Gefragt sind heute Designteppiche aus Nepal, zum Beispiel Berberteppiche, Kelims sowie ältere bäuerliche und nomadische Unikate und Vintage-Teppiche“, sagt ten Eikelder. „Kelims und Vintage-Teppiche zielen eher auf eine jüngere, modisch fokussierte Schicht. Der Trend geht weiter in die Richtung Design, Mode und Unikate“, so der Experte.

Wollfäden und Scheren liegen auf einem Koffer in der Werkstatt von Claudia Diedenhoven.
Wollfäden und Scheren liegen auf einem Koffer in der Werkstatt von Claudia Diedenhoven.Monika Skolimowska/dpa

Teppichkunden suchen vor allem neue Trends und Billigmatten

Der Berliner Händler Thomas Wild sagt, seine Kundschaft frage vor allem nach minimalistischen Teppichen mit wenigen Farben, aber besonderer Struktur und aus hochwertigen Materialien. Das beobachte er häufig bei jüngeren Leuten, die sich Wohnungen oder Lofts gekauft haben. „Dort konkurrieren Teppiche mit der zeitgenössischen Kunst an den Wänden“, so Wild. Aus seiner Sicht werden Teppiche oft unterschätzt. „Dabei ist ein Teppich das wichtigste Möbelstück, das Atmosphäre und Erdung gibt“, so Wild. Schöne, filigrane Orientteppiche würden eher noch als dekorative Wandbehänge gekauft. „Die funktionieren auch in modernen Wohnungen“, so Wild.

Er veröffentlicht auch Bücher und Beiträge, etwa zum Krieg in der afghanischen Teppichkunst. Außerdem zeigt er besondere Teppiche in Ausstellungen, zuletzt im Teppichmuseum Oelsnitz, Sachsen. Der Oelsnitzer VEB Halbmond-Teppiche war in der DDR laut Museumschefin Tina Reitz der größte Teppichproduzent des Landes und exportierte unter anderem Gebetsteppiche in den Nahen Osten.

„Die Teppichbranche ist zum Teil leider auch eine windige“, sagt Claudia Diedenhoven. Vor allem bei Reinigungsfirmen gebe es schwarze Schafe, die arglosen Kunden viel Geld abknöpften. Das Thema Teppichreinigung begeistert aber offenbar zahlreiche jüngere Menschen: Videos von Menschen, die Teppiche mit viel Wasser und Schaum in Garagen reinigen, erfreuen sich unter anderem bei Tiktok und Instagram großer Beliebtheit und werden millionenfach aufgerufen.