In Marzahn-Hellersdorf staut sich die Luft. Vor allem ältere Menschen und Wohnungslose kämpfen zwischen Plattenbauten, Betonplätzen und fehlendem Schatten gegen Temperaturen, die den Osten Berlins in einen Hitzekessel verwandeln. Das Hitzeschutztelefon des DRK ist hier oft die einzige aufsuchende Hilfe. Der KURIER hat das DRK einen Nachmittag lang begleitet.
Heute zeigt das Thermometer über 30 Grad an. Zwischen den Plattenbauten in Hellersdorf-Marzahn flimmert die Luft. Am Murtzaner Ring 15 klopft der Berliner KURIER an. Hier, in einem Container, ist der Verein DRK Berlin-Nordost e. V. zu Hause. Die Rollläden sind heruntergelassen. Drinnen im Dunkeln sitzt Markus Puppe und rückt seine Kappe zurecht. Auf seiner Stirn steht der Schweiß. „Wenn es Richtung 34 Grad geht, kannst du hier auf den Autos Eier braten“, sagt der 38-jährige Lichtenberger. Er ist Einsatzleiter des Hitzeschutztelefons im Berliner Nordosten. Die Hitzehilfe wird vom Bezirk gefördert und ist das einzige Angebot dieser Art, das soziale Hilfe und vorbeugende Unterstützung direkt zu den Menschen nach Hause bringt.

Keine kühlen Rückzugsorte in Marzahn-Hellerdorf!
Die Mitarbeiter sitzen im Sommer rund um die Uhr am Telefon. Leute, die sich selbst oder andere wegen der Hitze in Gefahr sehen, rufen hier an. Dann versucht Markus zu helfen. Manchmal geschieht das am Telefon mit praktischen Tipps, manchmal fahren sie raus und helfen vor Ort. Im Kofferraum haben sie stets gekühltes Wasser und einen großen Erste-Hilfe-Rucksack dabei. Markus ist ausgebildeter Rettungsassistent. „Das ist unser Vorteil, wir haben Sanitäter im Team und können sofort reagieren.“ In akuten Situationen wird der Rettungsdienst alarmiert.
Es geht jedoch nicht immer um akute Notfälle. Oft sind es ältere Menschen, die einfach nicht mehr weiterwissen. „Ein Ehepaar, das wir betreuen, hat vor 60 Jahren ein Haus gebaut“, erzählt Kati Avci vom geschäftsführenden Vorstand des DRK Berlin-Nordost e. V. „Heute ist das Haus ein Gefängnis. Es ist nicht barrierefrei und sie kommen kaum noch vor die Tür.“ Die Hitze staut sich im Inneren und das Paar weiß nicht, wohin. Markus' Lösung war eine UV-Isolierfolie: Sie ist durchsichtig, aber hitzebrechend. „Man kann rausgucken, aber es wird merklich kühler.“


In den meisten Fällen geht es aber um Plattenbauwohnungen, die zur wahren Hitzefalle geworden sind. Viele Menschen in Marzahn-Hellersdorf leben seit den 1970er- oder 1980er-Jahren in denselben Plattenbauwohnungen. „Die Wohnungen auf der Südseite heizen sich fürchterlich auf!“ erklärt Markus. Die Betonblöcke speichern die Wärme, und auch auf den Straßen wird es an Sommertagen wie diesen fast unerträglich. „Hier wurde nicht darauf geachtet, wie der Schatten fällt“, sagt Markus.
Kampf gegen die Hitze in Marzahn-Hellersdorf
Es ist kurz nach 12 Uhr mittags. Höchste Zeit, wohnungslose und obdachlose Menschen in der Mittagshitze aufzusuchen und ihnen Wasser zu bringen. Kollegin Silvia Seidel übernimmt die Schicht am Hitzetelefon. Markus und Kati setzen sich ins Auto. Sie fahren zu Plätzen, an denen sie Menschen ohne festen Wohnsitz vermuten. Manche Hinweise, wo sich hilfsbedürftige Menschen aufhalten, kommen von Passanten, andere von Kollegen. „Manchmal ist es wie Ostereier suchen“, sagt Kati und setzt den Blinker, um auf die Allee der Kosmonauten abzubiegen, dann geht es zu Fuß weiter, um die Grünanlage zu inspizieren.
Markus hat drei Wasserflaschen unter den Arm geklemmt, den Blick suchend im Gebüsch und in schattigen Ecken. Extreme Hitze ist für obdachlose Menschen lebensgefährlich; fehlende Rückzugsorte machen Abkühlung nahezu unmöglich. Hohe Temperaturen belasten den Körper und können zu Erschöpfung, Hitzschlag oder Dehydration führen und das kann in den schlimmsten Fällen tödlich enden.
Hitze trifft die Schwächsten am härtesten – bereits 1660 Hitze-Todesopfer in Deutschland
Nach Angaben des Robert Koch-Instituts hat Hitze in diesem Sommer bereits 1.660 Todesopfer in Deutschland gefordert. In den außergewöhnlich heißen Sommern 2018 und 2019 lag die Zahl zusammengenommen bei über 15.000. Besonders gefährlich ist extreme Hitze für ältere Menschen, kleine Kinder, Schwangere und Menschen mit Vorerkrankungen.

„Bei so einer Hitze wechseln die Menschen die Orte oder verkriechen sich. Jetzt, wo es so heiß ist, sind sie schwer zu finden.“ Dann sehen wir einen Rollstuhl und Tüten. Auf einer Bank im Schatten liegt ein Mann. „Wir kennen die meisten hier beim Namen“, sagt Markus. Er kniet sich vor den Mann. Er wechselt ein paar Worte mit ihm. Dann stellt er ihm das mitgebrachte Wasser unter die Bank. Er stellt fest, dass sich die Leute im Kiez bereits um ihn gekümmert haben. Markus erzählt, dass es in Marzahn-Hellersdorf nur etwa 10 bis 20 Obdachlose gibt.
Gnadenlose Hitze im Plattenbau
Die meisten Obdachlosen halten sich wohl lieber in der Innenstadt auf, wo es reichlich schattige Innenhöfe und Parkanlagen gibt und wo sie dank der Touristen das nötige Kleingeld bekommen. In Marzahn-Hellersdorf gäbe es hingegen eher große Betonflächen, die sich stark aufheizen. „Für Obdachlose fehlen hier kühle Untergründe wie U-Bahnstationen“, erklärt er. „Wir erleben, dass Menschen wegen der Hitze sterben. Die Gefahr durch die Hitze ist unsichtbar“, fügt Kati hinzu. Markus nickt und sagt: „Das Bezirksamt bemüht sich zwar, die Grünflächen zu erhalten, aber Marzahn wird dichter bebaut und damit verschwindet auch das Grün, das in 30 Jahren gewachsen ist.“

Kati erzählt von düsteren Prognosen. In südlichen Ländern sei man an Hitze gewöhnt, „aber hier nehmen wir es noch nicht ernst genug. Bis 2050 werden wir Temperaturen wie in Dubai haben. Das Hitzeschutztelefon ist wichtig, aber wir brauchen auch richtige und langfristige Konzepte.“ Wir machen uns auf den Weg zum nächsten Platz.
Unterwegs mit dem DRK in Marzahn-Hellersdorf
An der Hellersdorfer Straße steht die Sonne zwar tief, brennt aber noch immer auf den Asphalt. Anwohner haben gemeldet, dass sich eine Frau in der Nähe eines Brunnens niedergelassen hat. Kati parkt, Markus greift nach den gekühlten Wasserflaschen. Wir machen uns auf die Suche. Unter den Brücken bei der S-Bahn kauern die Tauben im Schatten. Die Frau können wir nicht finden.

Markus erzählt mehr über seinen Beruf. Er arbeitet seit letztem Jahr bei der Hitzehilfe, die vom Bezirksamt finanziert wird. Neben seinem Hauptamt engagiert er sich auch ehrenamtlich beim DRK. „Ich helfe gerne Menschen. Wir haben hier eine gute Kameradschaft. Wenn ich es nur hauptamtlich machen würde, wäre das ein ganz anderes Leben. Ich brauche mehr.“
- „Morgens, nachts und abends lüften, und nicht in der prallen Mittagssonne.“
- „Mit den Nachbarn reden und gemeinsam querlüften, das bringt frische Luft in die Wohnungen.“
- „Die Wohnung zwischen 10 und 17 Uhr verdunkeln, am besten mit Außenrollos oder Vorhängen, das hält die Hitze draußen.“
- „Nasse Handtücher in gekippte Fenster hängen. Die Luft, die reinkommt, wird so ein Stück weit abgekühlt.“
- „Viel trinken, aber bitte kein Koffein, das pusht den Kreislauf zu sehr.“
- „Kalte Getränke nicht eiskalt trinken. Lieber kühl, damit der Körper nicht extra arbeiten muss, um sie auf die Kerntemperatur zu bringen.“
- „Feuchte Waschlappen oder Kühlpacks an Handgelenken, Nacken und Schläfen auflegen.“
Erreichbar ist die Hitzehilfe des DRK Berlin-Nordost telefonisch unter (030) 809331914. Die Berliner Erfrischungskarte zeigt, wo es in der Stadt Schatten, Trinkwasser und kühle Plätze gibt.
(Hitzehilfe des DRK-Kreisverbands Berlin-Nordost e.V.: Mobil in Marzahn-Hellersdorf, Mo–Fr 12–18 Uhr, Murtzaner Ring 15, Sa 12–16 Uhr ab Helene-Weigel-Platz. Kontakt: (030) 809331914).