Briefe weg, Pakete kaputt

Die große Postwut: 420.000 Beschwerden mehr als bisher gemeldet

Bei DHL ist die Zahl der Beschwerden mehr als zehnmal höher als bekannt. Aber auch bei DPD, Hermes & Co. sind die Kunden häufig unzufrieden.

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Briefe weg, Pakete beschädigt: Mehr als 400.000 Kunden von DHL und Deutscher Post beschwerten sich im vergangenen Jahr.
Briefe weg, Pakete beschädigt: Mehr als 400.000 Kunden von DHL und Deutscher Post beschwerten sich im vergangenen Jahr.Ina Fassbender/AFP

Vor einer Woche berichtete der KURIER über die große Postwut – über Zehntausende Kunden, nicht nur in Berlin, die sich über verschollene Briefe und beschädigte Pakete bei der Deutschen Post bzw. DHL beschweren. Jetzt kommt raus: Alles ist noch viel schlimmer. Nicht nur bei der DHL, sondern auch bei der Konkurrenz von DPD, Hermes & Co. Bei DHL ist die Zahl der Beschwerden mehr als zehnmal höher als bisher angenommen.

Deutlich mehr Bundesbürger haben sich im vergangenen Jahr über die Deutsche Post und ihre Wettbewerber beschwert als bislang bekannt. Wie aus Angaben des Logistikers DHL mit seiner Briefsparte Deutsche Post hervorgeht, sind bei ihm im vergangenen Jahr circa 420.000 Beschwerden zu Briefen und Paketen eingegangen. Es ging um „wesentliche Leistungsstörungen bei der Erbringung von Postdienstleistungen“, etwa Verlust, Entwendung, Beschädigung und Verspätungen.

420.000 Kundenbeschwerden bei DHL

Bislang war nur bekannt gewesen, dass die Bundesnetzagentur im Jahr 2024 etwa 39.500 Beschwerden erhalten hatte, die sich auf die Deutsche Post bezogen. Inklusive der Wettbewerber summierten sich die Beschwerden bei der Aufsichtsbehörde auf 44.406 – so viele wie nie zuvor. Doch die waren nur ein Bruchteil der wirklichen Beschwerden.

Nun musste der Bonner Konzern DHL erstmals auch Angaben zu den Beschwerden machen, die er direkt erhalten hatte. Bei rund 14 Milliarden Brief- und Paketsendungen im Jahr 2024 lag der Beschwerdeanteil bei 0,003 Prozent. Mit 420.000 Beschwerden waren es gut zehnmal mehr als bei der Bonner Aufsichtsbehörde eingegangen sind.

2024 trat das novellierte Postgesetz in Kraft, das die Veröffentlichungspflicht vorsieht. Angaben der Post-Wettbewerber lassen den Rückschluss zu, dass sie ebenfalls deutlich mehr kritische Wortmeldungen erhalten haben als bei der Netzagentur eingegangen sind. Die Differenz zu den Zahlen der Behörde liegt natürlich auch daran, dass sich längst nicht jeder Verbraucher direkt an die Behörde wendet, sondern seinen Unmut erst einmal bei der Post oder deren Konkurrenten äußert.

DPD & Co.: So sieht es bei der Konkurrenz aus

DPD nennt eine Beschwerdequote von 0,11 Prozent. Bei GLS liegt die Reklamationsquote bei 0,1 Prozent – im Schnitt führt also jedes 1000. Paket zu einer Beschwerde. Bei 0,005 Prozent kommt es nach Angaben von GLS zu einer Beschädigung der Sendung und 0,027 Prozent der Zustellpakete werden verloren oder entwendet.

Pakete werden ausgeliefert: Bei DPD gibt es eine Beschwerdequote von 0,11 Prozent.
Pakete werden ausgeliefert: Bei DPD gibt es eine Beschwerdequote von 0,11 Prozent.Michael Gstettenbauer/imago

Die Paketfirma Hermes gibt an, dass 0,04 Prozent ihrer Sendungen verloren gehen oder beschädigt sind. Das ist allerdings nicht der Wert, der sich auf die gesetzliche Publikationspflicht bezieht – diesen hat Hermes bislang nicht veröffentlicht, obwohl die Frist Ende Januar abgelaufen ist. Der relevante Beschwerdewert dürfte höher sein als besagte 0,04 Prozent.

UPS hat ebenfalls noch keinen finalen Wert publiziert, als Indikation nennt die Firma aber den Prozentwert von 0,0001 Prozent - das war der Anteil der Beschwerden bezogen auf die Sendungsmenge im ersten Halbjahr 2024 in Deutschland. Es ging um Fragen zur Zahlungsabwicklung, um Forderungen aus Verlust, Entwendung, Beschädigung sowie um Serviceaspekte.

Fedex publiziert keine Zahl, „da die Formulierung im Postgesetz einen gewissen Spielraum zulässt, welche Zahlen einzelne Dienstleister zugrunde legen, und damit eine direkte Vergleichbarkeit nicht gegeben sein kann“.

Die Werte der meisten Paketwettbewerber sind zwar höher als die Beschwerdequote der Post, sie sind aber nicht miteinander vergleichbar. Denn während es bei Hermes & Co. nur um Pakete geht, geht es bei dem Post-Konzern DHL auch um Briefe – und die ziehen traditionell viel weniger Beschwerden nach sich, weil die Menschen in der Regel dringender auf ein Paket warten als auf einen Brief.

„Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler“

Das lässt sich auch an den Angaben der kleinen regionalen Briefwettbewerber der Deutschen Post erkennen, die ebenfalls zur Publikation verpflichtet wurden. Die Citipost aus Hannover kommt nach eigenen Angaben auf 0,001 Prozent, die in Brandenburg tätige Pin Mail GmbH auf 0,0008 Prozent und Xendis aus NRW auf 0,0025 Prozent. Auf Nachfrage differenziert die Post nicht, wie hoch ihre Beschwerdequote nur bei Paketen und nur bei Briefen ist.

Die Deutsche Post nennt ihren Beschwerdeanteil von 0,003 Prozent sehr gering. „Dass in einem Unternehmen mit 187.000 Beschäftigten und rund 50 Millionen bearbeiteten Sendungen am Tag auch Fehler unterlaufen, lässt sich jedoch nie ganz ausschließen“, sagt ein Firmensprecher. „Es ist unser Anliegen, aus jeder Beschwerde zu lernen und uns als Qualitätsführer stetig zu verbessern.“ Die Post-Wettbewerber betonen ebenfalls, die Servicequalität verbessern zu wollen.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Roloff bewertet es positiv, dass die geänderten Regeln des Postgesetzes zu mehr Transparenz über Beschwerden führen. „Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler“, sagt der Sozialdemokrat und fügt mit Blick auf das Vorhaben der Post, bis zum Jahresende 8000 Stellen abzubauen: „Aber die Erwartung ist und bleibt, dass auch mit Blick auf die Personalplanung dafür gesorgt wird, dass es nicht zu strukturellen Fehlleistungen kommt.“