Berlin hüllt sich an diesem Morgen in Nebel, der Fernsehturm sticht kaum durch das wattige Grau. Keine 200 Meter Sicht, auch wenn man am Fuße des Berliner Wahrzeichens steht, kann man die runde Kuppel nur erahnen. Der Aufzug bringt uns innerhalb von Sekunden zur Kuppel. Doch dort oben, in den Wolken, ist die Stimmung alles andere als trüb. Der KURIER hat Torsten Brinkmann und Torsten Holze getroffen – zwei Männer, die sich um das Wohlergehen des höchsten Gebäudes Deutschlands kümmern.
Ein Meisterwerk der 60er-Jahre
Hier oben ist sehr vieles rund: der Rundgang, die Cocktailbar – sogar das Klo der Angestellten fügt sich ins Konzept. Der Fernsehturm ist mit 368 Metern nicht nur Deutschlands höchstes Bauwerk, sondern auch eines der bekanntesten Wahrzeichen Berlins. Doch trotz moderner Technik und topgepflegter Ausstattung blieb auch im Fernsehturmhals schon mal ein Lift stecken.„ Alles schon passiert“, winkt der Immobilienpfleger des Turms ab, mehr dazu später.

Erst mal zu Torsten Holze, 56. Er ist Glasermeister und seit 10 Jahren für die Verglasung des Fernsehturms verantwortlich. „Wenn jemand auf das Glas fällt, bricht man nicht durch. Das Glas geht zwar kaputt, aber nicht so, wie die meisten denken. Man kann nicht durchfallen,“ erklärt Holze. Ähnlich wie eine Autoscheibe wird das Glas dank Folien zusammengehalten. Zum darauf herumhüpfen ist es dennoch nicht geeignet!

Über eine Million Menschen besuchen jährlich das Relikt aus einem ehemals geteilten Deutschland. Unter den Touristen gibt es auch waghalsige Trottel, aber auch für deren Sicherheit muss gesorgt sein: „Es gibt mehrere Glasschichten“, sagt Holze. „Selbst wenn die erste Schicht bricht, passiert nichts. Das Glas ist so sicher wie eine Panzerscheibe.“
Fernsehturm im Fokus: Das Herzstück Berlins braucht Pflege
Der Berliner Fernsehturm entstand zu DDR-Zeiten in nur vier Jahren – ein Meisterwerk der Ingenieurskunst, das bis heute beeindruckt. Holze zeigt sich fasziniert von der Bauweise: „Gebaut in den 60er-Jahren, mit relativ einfachen Mitteln. Da sieht man, wie qualitativ hochwertig da gearbeitet wurde. Wenn wir die Fenster tauschen, sehen wir, wie sie damals arbeiteten. Mit einfachen Materialien etwas Stabiles und Haltbares geschaffen – das ist wirklich beeindruckend.“
Nachts werkeln die Handwerker
Während unten auf dem Alexanderplatz das Leben tobt, wird hier in schwindelnder Höhe gearbeitet, wo jede Aufgabe Präzision und starke Nerven erfordert.
Die Scheiben auszutauschen, ist kein einfacher Job. „Wenn wir an einer Stelle arbeiten, sichern wir uns mit Gurten. Die Höhenrettungsgruppe der Feuerwehr ist auch immer mit dabei. Wenn jemand stürzen würde, müsste er abgeseilt werden, 207 Meter hinab.“ Die Szenen, die man aus Filmen kennt, bei denen jemand wieder hochgezogen wird, seien in der Realität unmöglich, meint Holze. Und Höhenangst? Habt ihr das? „Das wäre schwierig“, lacht der Glasermeister. Aber Respekt vor der Höhe auf jeden Fall!

„Der Fernsehturm ist mein Lieblingsgebäude in Berlin“, sagt Torsten Brinkmann, 59, der als Immobilienpfleger für den Fernsehturm arbeitet. Er kümmert sich um alles – Strom, Wasser, Beton und ja, wenn ein Fenster schwächelt, alarmiert er dann Torsten Holze und sein Team.
Brinkmann hat vor seiner Zeit am Fernsehturm im Fernmeldeamt gearbeitet, einem Betrieb, den es einstmals in jedem Bezirk gab. „Ich war in der Technikabteilung tätig“, erzählt er. Als hier am Fernsehturm jemand mit seiner Expertise gesucht wurde, war er schnell. Seit den 90-Jahren fährt er fast täglich mehrmals im Fernsehturm hoch und runter.
Was bedeutet der Fernsehturm für Berlin?„ Es ist das Wahrzeichen schlechthin. Alle wichtigen Straßen der Stadt führen irgendwie hierher!“ sagt Brinkmann. „Vom Turm finde ich immer heim, wenn man den Fernsehturm sieht, weiß man, wo Mitte ist.“ Er erzählt weiter, dass der Fernsehturm gut die Richtung angab, als er nach dem Mauerfall das neue Westberlin kennenlernte. Tatsächlich scheint Berlins höchstes Bauwerk wie eine Sonne zu wirken, von der alle Straßen sternförmig wegführen. Für viele Berliner ist der Fernsehturm wohl wirklich ein unverzichtbarer Orientierungspunkt.
Die Torstens und der Fernsehturm: Glasklar und schwindelfrei!
Doch dieses Wahrzeichen ist auch pflegebedürftig. Brinkmann kennt jede Schraube. „Die Fenster werden nur ausgetauscht, wenn sie kaputt sind oder sich Kondenswasser zwischen den Scheiben bildet. Eine Scheibe zu wechseln, dauert eine Nacht“ – die Touristen sollen ja tagsüber nichts davon mitbekommen.

Für Holze, den Glasermeister, war es eine große Ehre, diesen Auftrag zu bekommen. „Das war nicht realistisch für mich. Aber als die erste Scheibe erfolgreich ausgetauscht war, kam große Freude auf.“ Torsten Holze und sein Team gehören zur Berliner Glaserei ‚Die Glaserei e.K.,‘ sie haben sich auf anspruchsvolle Verglasungsarbeiten spezialisiert.
Fernsehturm-Alltag: Brinkmann sorgt für Technik, Holze für Durchblick
Während wir durch den Turm gehen, fällt auf: Das Restaurant ist geschlossen, die Küche wird seit letzter Woche herausgerissen. „Die letzte große Sanierung war 2012“, erzählt Brinkmann. „Jetzt wird alles neu gemacht, im Frühjahr soll es wieder öffnen.“ Hier oben können 220 Menschen gleichzeitig essen.

Tagsüber gehört der Turm den Touristen, nachts übernehmen die Handwerker. Die Arbeit ist vielfältig: „Die Aufzüge, die Technik, das Restaurant – alles muss regelmäßig überprüft und modernisiert werden. Immer wieder etwas Neues. Höher, schneller, weiter...“
Auch wenn ausgerechnet heute das Berliner Novemberwetter besonders charakterstark ist, lichten sich manchmal die Wolkendecke – die Aussicht ist atemberaubend!

Für die, die hier arbeiten, bietet die Höhe eine einzigartige Perspektive. „Wenn Neuschnee liegt, kann man genau sehen, wo die Leute wirklich laufen“, sagt Brinkmann – spannend für Stadtplaner. „Die Stadt verändert sich ständig, von oben sieht man das besonders gut.“