Auer-Werke

Strahlendes Erbe: Radioaktivität in Oranienburg sorgt für Zoff

Wegen seiner Rüstungsbetriebe war Oranienburg im Zweiten Weltkrieg Ziel alliierter Bomberverbände. Dabei wurden auch zwei Werke zerstört, die mit radioaktiven Materialien arbeiteten.

Author - Stefanie Hildebrandt
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Ein Schild warnt vor Kampfmittelräumarbeiten in Oranienburg.
Ein Schild warnt vor Kampfmittelräumarbeiten in Oranienburg.Soeren Stache/dpa

Oranienburg gilt als stark mit Radioaktivität belastet. Bei Neubauprojekten und Sanierungen ist es üblich, die gefährliche Strahlung zu messen. Nun beschäftigen die radioaktiven Altlasten und ihre Folgen in Oranienburg die Brandenburger Landesregierung.

Das Verbraucherministerium widersprach Angaben der CDU-Landtagsabgeordneten Nicole Walter-Mundt, wonach radioaktive Altlasten zu erheblichen Mehrkosten bei Baumaßnahmen und Flächenausschlüssen geführt haben. Dies teilte das Verbraucherministerium in einer Antwort auf eine Anfrage der CDU-Abgeordneten mit. Die CDU-Abgeordnete fordert, belastete Flächen zu dekontaminieren, sie würden für den Schul- und Wohnungsbau gebraucht.

Radioaktive Materialien im Stadtgebiet

In Oranienburg waren bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges neben wichtigen Rüstungsbetrieben auch zwei Werke angesiedelt, in denen natürlich vorkommende radioaktive Materialien wie Monazitsande zu Produktions- und Forschungszwecken verarbeitet wurden.

Unter anderem wurde in den Auer-Werken die radioaktiv wirkende Zahnpasta Doramad hergestellt und radioaktives Thorium aus Monazitsanden für die Glühstrumpfproduktion bei der Firma Berlin Gasglühwerke Goetschke AG extrahiert. Zum Ende des Weltkrieges fand hier auch industrielle Produktion für das Deutsche Atomwaffenprojekt statt. Thorium lässt sich zu spaltbarem Uran weiter bebrüten.

Strahlend weiße Zähne

Die Vermarktung der Zahnpasta blieb zwar erfolglos, obwohl sich die Werbung alle Mühe gab: „Durch ihre radioaktive Strahlung steigert sie die Abwehrkräfte von Zahn u. Zahnfleisch. Die Zellen werden mit neuer Lebensenergie geladen, die Bakterien in ihrer zerstörenden Wirksamkeit gehemmt. Daher die vorzügliche Vorbeugungs- und Heilwirkung bei Zahnfleischerkrankungen. Poliert den Schmelz aufs Schonendste weiß und glänzend. Hindert Zahnsteinansatz. Schäumt herrlich, schmeckt neuartig, angenehm, mild u. erfrischend. Ausgiebig im Gebrauch.“

Die Anlagen zur Urangewinnung allerdings waren von großem Interesse für die Alliierten. Vor allem im März 1945 zerstörten sie die Produktionsanlagen der Auer-Werke mit massiven Bombardements komplett, damit sie nicht in die Hände der Sowjets fielen. Dabei gelangten radioaktive Materialien aus dem Uranprojekt und das Thorium aus der Glühstrumpfproduktion in die Umwelt. Oranienburg lag nach den Luftangriffen der Amerikaner in Schutt und Asche. Rund 70 Prozent der Stadt waren nach dem Angriff zerstört.

Nach dem Krieg wurde kontaminiertes Material auch verwendet, um Bombentrichter zu verfüllen. Das radioaktive Material wurde im ganzen Stadtgebiet verteilt.

Nicht nur Bomben-Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg belasten die Stadt noch heute, sondern auch das strahlende Erbe der Auer-Werke.
Nicht nur Bomben-Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg belasten die Stadt noch heute, sondern auch das strahlende Erbe der Auer-Werke.Christophe Gateau/dpa

Erst seit der Wende sucht das Brandenburger Landesamt für Arbeits- und Verbraucherschutz sowie Gesundheit Verdachtsflächen nach radioaktiven Rückständen ab. In der Stadt ist laut Ministerium auch eine Messstelle der beiden Landeslabore Berlin-Brandenburg installiert. In dem Standort seien fünf Mitarbeiter dauerhaft damit beschäftigt, die Umweltradioaktivität zu bestimmen.

Heute befindet sich an der Stelle der Auer-Werke südlich des Bahnhofs das Freizeitbad Turm Erlebniscity. Stellenweise wurde vor der Turm-Eröffnung 2002 die Erde komplett abgetragen.

Das ehemalige Werksgelände der Gasglühstrumpffabrik Goetschke, westlich des Oranienburger Kanals an der Walther-Bothe-Straße gelegen, und die unmittelbar nördlich angrenzende Fläche „Edenpark“, stellen einen weiteren Schwerpunkt dar, heißt es im Umweltbericht des Flächennutzungsplans der Stadt Oranienburg aus dem Jahre 2012. 

Mehrkosten durch Radioaktivität?

Wie nun also umgehen mit radioaktiv belastetem Boden? Die CDU-Abgeordnete hatte in ihrer Anfrage erklärt, die Bodenkontaminationen seien zum Beispiel beim Bau von Kindertagesstätten und Schulen ein „erhebliches Entwicklungshemmnis“. Auch die Kampfmittelsuche in Oranienburg werde „nicht selten durch kontaminierten Bodenaushub oder Maßnahmen zur Vermeidung einer radioaktiven Kontaminierung des Grundwassers begleitet“. Dies führe ebenfalls zu „erheblichen Mehrkosten“.

Nach Darstellung des Verbraucherministeriums hingegen gibt es in Oranienburg keine Flächen, deren Nutzung wegen einer Kontamination mit radioaktiven Stoffen prinzipiell ausgeschlossen ist. Zudem verringerten sich die verseuchten Flächen laufend, da der Boden nach entsprechenden Funden ausgetauscht werde. ■