Es sieht nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen aus. Die jüngsten Wahlumfragen für Brandenburg zeigen, dass die SPD nur noch knapp hinter der AfD liegt. Geht das Kalkül des in der Mark beliebten Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD) auf, der seinen Verbleib im Amt mit einem Wahlsieg verknüpft? Der KURIER stellt die Spitzenkandidaten der Parteien für die Wahl am Sonntag vor.
Die SPD setzt alles auf die Karte Woidke. Auf den Wahlplakaten dominiert der Landesvater, der seinen letzten Trumpf mit der Ankündigung ausgespielt hat, dass er abtreten wolle, wenn die AfD die Wahl am Sonntag gewinnt und nicht die SPD. „Dann bin ich weg“, sagt er. Bei der Wahl scheint es nicht um SPD gegen AfD, sondern um Woidke gegen AfD zu gehen. Laut einer ARD-Umfrage halten 56 Prozent der befragten Brandenburger Dietmar Woidke für einen guten Ministerpräsidenten – und dem stimmen sogar 24 Prozent der AfD-Anhänger zu.
SPD: Erfahrener Landesvater im Wahl-Duell
Dietmar Woidke: Seit mehr als elf Jahren regiert der Ministerpräsident in Brandenburg, zum dritten Mal tritt er als SPD-Spitzenkandidat an. Der 62-jährige Lausitzer ist studierter Agraringenieur und war schon Brandenburger SPD-Fraktionschef, Landwirtschaftsminister, Innenminister. 2013 übernahm er das Ministerpräsidentenamt von Matthias Platzeck.

„Wenn Glatze, dann Woidke“, heißt es auf seinen Wahlplakaten. Diesmal setzt der Regierungschef, der in Umfragen als beliebtester Politiker gilt, alles auf eine Karte. Woidke oder AfD heißt es im Wahlkampf. Bei einem AfD-Sieg will der Sozialdemokrat von seinem Amt als Ministerpräsident zurücktreten und einfacher Abgeordneter werden. Seine „schwerste politische Entscheidung“ war die Absage der Kreisgebietsreform, sein größter Coup die Ansiedlung von Tesla in Grünheide. Der verheiratete Vater einer Tochter läuft gern und ist Rockmusikfan. Er kann nicht nur Politik: „Ich kann Trecker fahren, ich kann Kühe melken“, erklärte er vor Bauern.
Wahlumfragen für die SPD: 26 Prozent
AfD: Rechter Netzwerker hält Verfassungsschutz für „Neo-Stasi“
Hans-Christoph Berndt: Spitzenkandidat der AfD ist der Laborarzt Hans-Christoph Berndt. Er zählt zu sechs Abgeordneten, die der Landesverfassungsschutz nach bisherigem Stand als rechtsextrem einstuft. Berndt spricht im Wahlkampf etwa von „unkontrollierter Massenmigrationspolitik“. Den Verfassungsschutz, den er als „Neo-Stasi“ bezeichnete, und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk will er abschaffen. Seit 2019 sitzt Berndt im Landtag und übernahm im Jahr darauf den Fraktionsvorsitz von Andreas Kalbitz. Berndt ist bestens vernetzt. Im Jahr 2015 gründete er den Verein Zukunft Heimat, den der Verfassungsschutz als rechtsextremistisch bewertet.

Die Strategie einer Ausgrenzung der AfD hält er für gescheitert. Kürzlich hieß es von ihm: „Ich bin ja auch ein alter Linker, der sich mit der Zeit wegbewegt hat.“ Berndt wurde 1956 in Bernau geboren und ist verheiratet.
Wahlumfragen für die AfD: 27 bis 29 Prozent
CDU: Karrieremann fährt im Suff E-Roller
Jan Redmann: Der Anwalt Jan Redmann führt die CDU-Landtagsfraktion in Brandenburg seit 2019 und steht seit 2023 an der Spitze des Landesverbands. Mit wem der 44-Jährige nicht gern regieren möchte, hat er deutlich gemacht: mit den Grünen. Zuletzt machte der CDU-Mann Negativschlagzeilen, weil er betrunken E-Roller fuhr. Es erging ein Strafbefehl, er musste 8000 Euro Strafe zahlen.

Der Wittstocker fährt einen harten Wahlkampfkurs gegen die Ampel in Berlin. Bei landespolitischen Inhalten setzt er auf Bildung und Sicherheit. Dass Redmann politisch viel vorhat, zeigt auch seine Mitgliedschaft im CDU-Bundesvorstand. In der Partei ist er gut vernetzt: Mit NRW-Regierungschef Hendrik Wüst hat er mal in einer WG gewohnt. Redmann treibt gern Sport, „verschlingt“ Bücher und reist gern – möglichst in „fremde Länder“.
Wahlumfragen für die CDU: 15 bis 16 Prozent
BSW: Landeschef mit langer SPD-Vergangenheit
Robert Crumbach: Vor zehn Jahren wollte er für die SPD Landrat im niedersächsischen Stade werden, heute greift er die Sozialdemokraten an. Der 61 Jahre alte Arbeitsrichter aus Potsdam führt das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) als Spitzenkandidat in die Landtagswahl, er ist auch Vorsitzender der Landespartei. Auf Wahlplakaten lässt er aber oft der Parteigründerin Wagenknecht den Vortritt. Den Ukrainekrieg und Bemühungen für einen Frieden mit Russland hält er für eine Bedingung, um mitzuregieren.

40 Jahre lang war Crumbach in der SPD, wie er erzählt. „Die letzten zehn Jahre habe ich schon gezweifelt.“ Crumbach ist im niederländischen Heerlen geboren, seit 2018 verwitwet, er hat zwei erwachsene Kinder. Privat wandert der BSW-Politiker gern: Sein Traum sei es, noch einmal von München nach Venedig zu laufen. Vorerst fehlt ihm dafür aber die Zeit.
Wahlumfragen für das BSW: 13 bis 14 Prozent
Grüne: Rückkehrer und Grünen-Frontmann
Benjamin Raschke: Seit 2019 steht der Grünen-Co-Spitzenkandidat an der Spitze der Landtagsfraktion. Der gebürtige Lübbener studierte in Konstanz Politik, Philosophie und Jura und kam danach zurück in die Lausitz. Der 41-Jährige, der sich um Klima-, Natur- und Tierschutz sowie Recht kümmert, ist wortgewandt. Seit 2005 ist er Mitglied der Grünen. Er war mit Annalena Baerbock – der heutigen Bundesaußenministerin – Landesvorsitzender und ist seit 2014 Abgeordneter im Landtag.

Raschke hat sich unter anderem für mehr Insektenschutz und mehr öffentlichen Nahverkehr starkgemacht, er stellt sich laut gegen die AfD. Auch dem Koalitionspartner SPD gibt er mitunter Kontra: „Ich kann nur davor warnen, diesen AfD-Thesen hinterherzulaufen“, sagt Raschke mit Blick auf eine schärfere SPD-Asylpolitik. Integration statt Grenzkontrollen, so lautet eine seiner Forderungen. Raschke ist Vater zweier Kinder. Er nahm 2017 und 2020 jeweils mehrere Wochen Elternzeit.
Wahlumfragen für die Grünen: 4,5 bis 5 Prozent
Grüne: Von der Wissenschaftlerin zur Co-Spitzenkandidatin
Antje Töpfer: Die Lebensmittelchemikerin gilt eher als unbekannt. Nach ihrem Studium arbeitete die Grünen-Co-Spitzenkandidatin, die ein Ludwigsfelde geboren ist, mehrere Jahre in der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung. Von 2015 bis 2022 war sie Referentin im Bundeslandwirtschaftsministerium. Im Kreistag Havelland war sie als Fraktionsvorsitzende der Grünen aktiv. Seit Dezember 2022 ist Töpfer Verbraucherschutzstaatssekretärin im Brandenburger Sozialministerium.

„Ich habe die Erfahrung und die Brandenburg-Perspektive“, sagt Töpfer. Die 56-Jährige macht sich unter anderem für gesunde Ernährung ohne Verbote stark und wendet sich gegen eine schärfere Flüchtlingspolitik. Töpfer hat zwei Kinder.
Die Linke: Redegewandter Jung-Star
Sebastian Walter: Gehört mit 34 Jahren noch zu den jungen Politikern der Linken. Seine Politikkarriere begann er als 14-Jähriger in der Linksjugend. Walter wollte ursprünglich Lehrer werden, wurde aber Gewerkschaftssekretär. Seit 2019 ist er Linke-Landtagsabgeordneter und Fraktionschef, seit 2022 Co-Landeschef.

Im Landtag gehört Walter zu den Abgeordneten, die rhetorisch gewandt sind und frei reden können. Manchmal schlägt er über die Stränge und kassiert einen Ordnungsruf. Angesichts von Wahlschlappen fordert Walter die Erneuerung der Bundespartei. Walter ist verheiratet und Vater eines Sohnes.
Wahlumfragen für die Linke: 3 bis 4 Prozent
Freie Wähler: Mit Döner-Gutscheinen in den Wahlkampf
Péter Vida: Er ist das Gesicht von BVB/Freie Wähler – und im Wahlkampf nimmt Péter Vida auch schon mal Freundin und Sohn mit aufs Plakat. Auch mit Döner-Gutscheinen will er punkten. Der 40 Jahre alte Rechtsanwalt setzt darauf, mehr gesunden Menschenverstand in die Landespolitik zu bringen. Vida ist Sprecher der Freie-Wähler-Gruppe im Landtag und gilt als Vielredner.

Der selbstbewusste Abgeordnete mit ungarischen Wurzeln ist in Schwedt geboren. Er lebt in Bernau im Landkreis Barnim und ist dort im Stadtparlament und im Kreistag vertreten. Als großer Erfolg gilt die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge 2019 durch den Landtag, die Vida mit angestoßen hatte. Vida tritt für mehr direkte Demokratie ein und sieht den Windkraftausbau kritisch. Seine Leidenschaft ist das Reisen – zum Beispiel in die Ukraine, ins Kosovo und nach Grönland.
Wahlumfragen für die BVB/Freie Wähler: 3 bis 4,5 Prozent
FDP: Bankfachwirt an der Spitze
Zyon Braun: Der gebürtige Templiner trat 2014 in die FDP ein. Von 2019 bis 2021 war der Bankfachwirt Landesschatzmeister der FDP Brandenburg, 2021 wurde er Landesvorsitzender. Seit 2023 gehört Braun dem Bundesvorstand der FDP an. Er will die Partei nach zehn Jahren wieder in den Landtag führen und mitregieren – die Umfragen sehen die Liberalen allerdings bisher nicht im Parlament.

Für Debatten sorgte ein Wahlplakat, das Brauns obere Gesichtshälfte mit einer zerschlagenen Brille zeigt, dazu die Aufschrift: „Keine Angst vor Konfrontation“. Braun sagt, es gehe darum, sich trotz vermehrter Angriffe auf Politiker nicht einschüchtern zu lassen. Der 30-Jährige erlebte das „Sommermärchen“ der Fußball-WM 2006 als Schüler und war beeindruckt von Philipp Lahms Tor im Eröffnungsspiel.