Rings um die Dorfkirche in Dolgelin (Märkisch-Oderland) herrscht geschäftiges Treiben: Etwa 30 Anwohner harken, beschneiden Äste, verbrennen altes Reisig, laden die Hinterlassenschaften des Winters auf einen kleinen Traktor. Auch im Inneren der Kirche wird geputzt. Beim Betreten bemerkt der Besucher, dass der Feldsteinbau für die Dolgeliner der Dorfmittelpunkt ist. Der erste Blick fällt auf Stuhlreihen, die an einen Veranstaltungssaal erinnern. Darüber hängen Scheinwerfer und Beamer. Per Knopfdruck entrollt sich eine riesige Leinwand.
„Das ist unser Dorfkino – mit modernster Technik“, sagt Michael Pfeifer stolz, während er einen Film startet. Dann zeigt der Mitbegründer des Fördervereins Dolgeliner Dorfkirche auf eine kleine Bar in der linken Ecke. „Zu den Vorstellungen gibt es selbstverständlich Getränke und natürlich Popcorn, wie es sich im Kino gehört.“
Mit ihrer originellen Idee sind die 420 Dörfler Träger des Deutschen Nachbarschaftspreises 2023 der Stiftung „nebenan.de“ in der Kategorie Kultur und Sport. Das Projekt bringe Kultur aufs Land und zeige eindrucksvoll, wie eine Gemeinde mit nur 450 Einwohnern zum Vorbild für die ganze Region werden könne, urteilte die Jury. „Die Engagierten haben aus einer Ruine einen kulturellen Begegnungsort geschaffen, der die ganze Nachbarschaft zusammenbringt.“
Mehr als nur Dorfkino: Es gibt Lesungen, Konzerte, Schulungen und Gottesdienste
Nicht nur Kino wird in der Kirche veranstaltet, sagt Vereinsvorsitzende Heike Schulze. „Wir hatten hier schon Lesungen, Konzerte, Schulungen und auch Gottesdienste.“ Inzwischen müssten sie nicht mehr nach Künstlern suchen, sondern die würden sich in Dolgelin melden. Zudem ist der Sakralbau eine Außenstelle des Standesamtes Seelow (Märkisch-Oderland). Mehr als zwanzig Jahre sei es her, dass sich etwa 20 Dolgeliner zusammentaten, um die seit Jahrzehnten leer stehende Kirchenruine wieder nutzbar zu machen. Im Gegensatz zu anderen Gotteshäusern im Oderbruch wurde der um 1300 errichtete Feldsteinbau im Zweiten Weltkrieg kaum beschädigt. Zur Ruine wurde die Kirche erst nach 1945, als sie als Baumaterial-Spender für andere Gebäude im Dorf herhalten musste. Auch das Dach verschwand, 1965 wurde der Kirchturm auf staatliche Anweisung hin gesprengt.
„Nach der Wende wollte der Denkmalschutz alles so lassen und die Ruine nur sichern, aber wir wollten die Kirche ja wieder nutzen und ohne Nutzung keine Fördergelder“, erinnert sich Pfeifer. Zunächst hätten sie gemeinsam den Westgiebel gesichert, später kam ein neues Dach darauf. Vor anderthalb Jahren kam dann die Kino-Idee. „Ursprünglich suchten wir nur eine Tonanlage, weil die Akustik im Kirchenraum nicht so gut ist“, sagt der Dolgeliner. Die Investitionsbank des Landes Brandenburg förderte die Kinotechnik zu 90 Prozent. „Wir haben Zugezogene im Verein, die sich mit Förderanträgen auskennen“, erzählt Pfeifer.

Boccia-Platz, Dorffunk-App und -backofen: sieben Vereine sind in Dogelin aktiv
Die 5000 Euro Nachbarschafts-Preisgeld sind schon wieder investiert – in einen Toilettencontainer, denn öffentliche Sanitäranlagen gibt es in der Kirche nicht. Die Veranstaltungssaison startet wieder Mitte April, natürlich mit dem Dorfkino alle zwei Wochen. Der Eintritt kostet sechs Euro, Kinder zahlen die Hälfte. „Nach dem Film sitzen die Besucher noch etwas zusammen, die Kirche ist eben auch so ein Treffpunkt im Ort“, sagt Versicherungsmakler Pfeiffer. Die Filme beziehen die Dolgeliner über den Filmklub Güstrow, der sich mit seinem Projekt „Dorfkino einfach machbar“ um Filmrechte und Lizenzen kümmert. „Was uns noch fehlt, ist eine Heizung für die Kirche, aber das schaffen wir auch noch“, sagt die Vereinschefin Schulze kämpferisch.
Viele Dolgeliner seien gleich in mehreren der sieben Dorfvereine Mitglied, dadurch laufe die Zusammenarbeit super, sagt sie. „Wenn was los ist, ziehen alle an einem Strang, denken für die Gemeinschaft“, sagt sie und zeigt auf den neuen Boccia-Platz neben dem Gemeindehaus und den Dorfbackofen im Schatten der Kirche. Was sie selbst nicht in die Hand nähmen, passiere auch nicht, ergänzt Pfeifer. Die Partys für alle Helfer seien im Ort legendär. Dolgelin habe sogar eine eigene Zeitung, namens „DoDo“ erklärt die Herausgeberin und Landwirtin Annegret Mietke. „Termine, Vereinsarbeit, Neues aus Schule und Kita – alles drin. Der Renner aber sind die Interviews mit Dolgelins ältesten Bewohnern.“ Seit Kurzem gibt es auch eine Dorffunk-App mit bisher 126 Nutzern.
„Alles steht und fällt mit rührigen Akteuren“
Künftig soll die Kirche ohne Turm an den Wochenenden für Besucher offen stehen. „Es hat sich herumgesprochen, dass wir den Preis bekamen. Da wollen andere Kommunen wissen, wie wir das gemacht haben“, verrät die Vereinschefin, die anderen Mut machen will.